Vor vielen Jahren packte mich meine Mutter ins Auto. Ich weiß gar nicht mehr, mit welchem Hintergrund wir in diese, für mich unbekannte Gegend fuhren. Es war aber schon immer so, dass ich Pferdekoppeln aus hundert Metern Entfernung erkannte und das auch laut – und zwar ziemlich laut – meiner Mutter mitteilen musste.
„PFERDEKOPPELN! Schau Mama!“
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Danke!
„Mmm“
„Schau PFERDEEEE!“
„Mmm“
Als dann meine Mutter auch noch den Blinker zum Reitstall setzte, konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich vor lauter Freude laut schreien oder vor lauter Ehrfurcht meine Papalatur halten sollte.
Ich habe mich für Letzteres entschieden. Ich war stumm. So viele Koppeln. So viele Pferde. Und ich konnte nicht verstehen, was wir denn hier nun machen würden. Als meine Mutter dann noch nach der Reitlehrerin fragte, war ich fertig. Ich wäre ihr am liebsten um den Hals gefallen…
So begann also meine Reitkarriere, mit knapp 7 Jahren. Ich bin meiner Mutter heute noch dankbar, dass sie mir diese Hobbysucht ermöglicht hat. Ich wäre wohl kein ganzer Mensch geworden… In den vielen Jahren der Reiterei in diesem Reitstall gab es ein ganz besonderes Pferd. Mit dem ging ich durch Dick und Dünn. Und auf die Frage des damaligen Reitstallbetreibers, der da meinte: „Warum reitest du noch immer auf dem kleinen, abgezwickten Zwerg? Das ist so, als ob man schon Radfahren kann, aber immer noch mit dem Dreirad herumfährt“ gab ich ihm nur schnippisch zurück: „Weil ich ihn liebe!“
Ich war die einzige in meiner Hauptschulklasse, die einen 18jährigen Freund hatte. Dass dieser „Freund“ vier Beine hatte und ziemlich behaart war, musste ja niemand wissen. Ich habe die Pubertät nur wegen diesem Pferd ohne gröbere Vorkommnisse überstanden.
Meine Mutter lieferte mich tagtäglich im Reitstall ab, und ich konnte mir meine Sorgen von der Seele reden. Wie oft ich, weinend an seinem Hals gehangen bin, weiß ich nicht mehr, aber er war mir immer eine große Stütze. Bei ihm konnte ich so sein, wie ich nun mal war. Anders eben – und das ist nicht immer einfach.
Immer und immer wieder habe ich ihm versprochen, dass er irgendwann einmal zu unserer Familie gehören würde. Ja und irgendwann kam der Zeitpunkt. Meine Mutter hat hier Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt. Er war endlich in unserer Familie. Ein steinaltes Schulpferd. Jeder „normale“ Mensch würde sich an den Kopf schlagen… mit voller Wucht! Ich wollte aber nur ihn und kein anderes Pferd. Nur Edyp - kommt aus dem Polnischen und bedeutet König - und ich!
So vergingen die Jahre und irgendwann bekam ich meinen ersten Job. Um klarzustellen, wie verrückt ich war, wanderte mein erstes Monatsgehalt in einen neuen Sattel für mein Dreirad-Pferd. Ja nur das Beste fürs Hotti.
Meine Zeit mit ihm wurde irgendwann weniger. Arbeit, die ersten festen Freunde, Fortgehen… aber nie habe ich ihn vergessen. Meine kleine Schwester übernahm nun meinen Platz, aber auch ich war immer wieder an seiner Seite. Schlussendlich schickten wir ihn in Pension. Er hatte lang genug Leute durch die Gegend getragen.
Eines Tages…
Ich und meine Schwester sahen uns irgendein Begräbnis von irgendeinem König an. Zum Spaß redeten wir darüber, wie wir uns unser Begräbnis denn so vorstellen würden. Auf alle Fälle nicht so steif und Blasmusik, ein grausliches NoGo. Lustig. Party! Und das passende Lied, um auf den Friedhof gebracht zu werden hatte ich auch schon parat! „The Final Countdown“ von Europe sollte es sein. Wir haben an diesem Tag Tränen gelacht. Niemand von uns hatte damit gerechnet, dass dieses Lied bis heute für uns so eine traurige Bedeutung bekommen sollte. Ich glaube sogar, meine Schwester kann es sich bis heute nicht anhören und das ist schon wieder einige Jahre her…
Edyp hatte mit zunehmenden Alter Probleme mit Koliken, also mit seiner Verdauung bekommen. Irgendwie logisch bei einem so alten Pferd. Stolze 36 Jahre war er nun alt. Eines Tages war es besonders schlimm. Er konnte vor lauter Schmerzen nicht mehr aufstehen und das ist das Schrecklichste was einem Pferdebesitzer passieren kann - einen ca. 500 Kilo Koloss, unter Tränen der Verzweiflung, auf die Beine zu bekommen, aber er tat uns den Gefallen. Leider nutzen die Medikamente des Tierarztes nur kurzfristig und so schwang ich mich in mein Auto, um noch mehr Kreislauftropfen für das Pferd aus der Apotheke zu besorgen. Ich raste über die Straßen – im Gedanken immer bei Edyp und dann passierte es…das Lied…“The Final Countdown“…im Radio…in voller Länge…in diesem Augenblick weiteten sich meine Augen und mein Fuß ging vom Gas. Es war mir auf einmal sowas von klar.
In jener Nacht im Mai machte sich Edyp auf, um über die Regenbogenbrücke zu gehen. Ich war bei ihm. Ich streichelte ihn so lange, bis er sein Leben aushauchte… ich war da für ihn…s o wie er für mich in all diesen gemeinsamen Jahren….Edyp… mein erster fester Freund…"Professor Gummibärli"...ich hab dich lieb!