Kennen Sie den Gesichtsausdruck eines Kleinkindes wenn es sein grosses Geschäft in einem Swimming-Pool macht? Diese Miene abgeklärter, sich selbst genügender und überraschter Konzentration? Da hat nichts anderes mehr Platz. Alle verfügbaren Sinne sind vom nur halbwegs gesteuerten Vorgang knapp unter der Wasseroberfläche gefangen genommen. Rufen und gestikulieren könne sie getrost sein lassen. Bringt nichts.
Es ist dieses Bild, das sich dem Schreiber regelmässig aufdrängt, wenn Gespräch oder Lektüre ihn auf die in kürzester Zeit mit vereinten akademischen und politischen Kräften in die universitäre Landschaft hineingekleisterte Strasse der Genderforschung führt. Realitätsferne, Weltabgewandtheit, inahltliche (nicht aber finanzielle!) Selbstgenügsamkeit – alles da. Zusammen mit den Tatsachen, dass die „Wissenschaft“ auf der Verneinung naturwissenschaftlicher Standardtheorien basiert und sich einer Sprache bedient, die nur Stammesmitglieder verstehen, erfüllt sie sämtliche Kriterien einer Parallelwelt.Oder sind Sie der Meinung, in einem Wahrnehmungsraum, in dem der Mensch und die Möglichkeiten seines Tuns, Wirkens, Erschaffens, Strebens und Kämpfens – auch bekannt als Leben – reduziert werden auf Identitätsfindung mittels Neu-Sortierung der Geschlechter via Haarfarbe oder Hautbeschaffenheit, sei Platz für Grosses, für Weites und Neues? Glauben Sie, in einem Kosmos, der sich zu 90 Prozent aus dunkler Materie à la „Anatomie als soziales Konstrukt“ zusammensetzt und wo man sich der Frage widmet, ob der Biologie selbst nicht patriarchales Denken zugrunde liege, sei Licht im Sinn von Prägnanz und Praxisbezug erwünscht oder vorgesehen?
Das einhellig aus den Hallen des Fachbereichs quellende Schweigen anlässlich von vermehrt sich ereignendem Erleben zwischen Zuwandernden biologisch eindeutigen Geschlechts und schon länger hier lebenden Frauen – Pardon! – Mensch*innen, legt ein Nein nahe. Wozu also? Wem dient Gender und Diversity? Wozu hat die „Wissenschaft“, die die Richtigkeit ihrer Behauptungen auf eine Minderheit von cirka 0.13 Prozent der Bevölkerung (Transgender) abstützt, in unserer Gesellschaft im positiven Sinn beigetragen? Die Frage unbeantwortet zu lassen und unter „künstlicher Wahrheitssuche ohne Relevanz für gesellschaftliche Realitäten“ abzubuchen, wird Macht und Mitteln, mit denen der Fachbereich in den letzten Jahren ausgestattet worden ist, nicht gerecht. Von den Tausenden Genderbeauftragten und -experten in Behörden und Ämtern ganz zu schweigen.
Wer sich die Sache genauer ansieht, stellt fest, dass es sich um eine Art „Kampf-Wissenschaft“ handelt, die ihre Mission nicht in der Entdeckung und Nutzbarmachung von Neuem, Offenem und Weiterführendem sieht, sondern im Kampf gegen Bestehendes. Birgit Schmid stellt die Sache in der NZZ mit folgender Frage auf die Füsse: Mal angenommen, sie lägen richtig mit ihren Theorien, Geschlecht inklusive Anatomie seien wirklich und ausschliesslich Folgen menschlicher Kultur und Konstruktion – so what? Was ist der Grund, die über Jahrtausende gewachsenen Rollen von Mann und Frau, in denen sich die grosse Mehrheit der Menschen auch heute noch wohl fühlen, zu pulverisieren, mehr noch: zu zerstören?
Eine mögliche Antwort geben die Genderleute in erstaunlicher Offenheit selber: Geschlecht ist politisch. Erstaunlich ist diese simple Aussage deshalb, weil sie sich damit als Apostel eines zutiefst sozialistischen Evangeliums outen. Denn: wenn Geschlecht politisch ist, dann ist es auch der „Geschlechtsträger“, also das Individuum. Und wenn Persönliches, bisher dem Individuum vorbehaltenes politisch wird, dann wird auch seine Freiheit politisch. Oder anders gesagt: die Politisierung des Geschlechts ist die Demokratisierung des Geschlechts was nichts anderes heisst, als dass ein weiterer Bereich des Menschen dem politisch organisierten Zugriff via Mehrheit (egal, aus wie kleinen Minderheiten sie sich zusammensetzt) preisgegeben werden soll.
Über 200 Professuren für Genderforschung allein im deutschsprachigen Raum und die Tatsache, dass der Miteinbezug der Erkenntnisse dieser „Wissenschaft“ längst ein zentrales Qualitätskriterium bei der Vergabe von Fördermitteln und Forschungsprojekten darstellt, verbietet es, die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen. Denn: Die „Bewerbungsphase“, in der etwas scheinbar Neues als vorbildlich und hervorragend beworben und zur Tugend erhoben wird, haben wir bereits hinter uns und marschieren in Richtung zwingender Moral. Resultat dieser letzteren ist, wie der Feminismus es in immer unverholener Art vormacht, stets nur eins: Zwang im Gewand von Wahlfreiheit. Der ungehinderte Zugriff auf Individuum, Familien, Schulen, Unternehmen. Gewaltsame Durchsetzung von Interessen im Namen einer „Kollektiv-Freiheit“, die kein reales, sondern ein reines Macht-Konzept ist. Immer.
Dass damit ausserdem ein weiterer Punkt auf der gewachsenen Hausordnung menschlichen Zusammenlebens gestrichen wird, passt nicht nur zufällig in das Konzept des hyperindividualiserten, losgelösten, verlassenen Menschen, in dessen Leben der Staat Vater, Mutter und Gott sein will. Die Denunziation und Demontage von Klein- und Kleinstwiderstandszellen wie Familie, Unternehmen, Vereine und andere Gruppen sich freiwillig zusammenschliessender Menschen es waren, ist dabei, zu gelingen. Die Entfremdung gipfelt nicht selten in Verfeindung. Und es ist als Folgeschritt nur konsequent, den Menschen sich selbst zu entfremden. Wer nicht instinktiv weiss, wer und was er ist, wer täglich erneut den Wegweiser suchen muss, der ihm sagt, als was er wohin gehen soll und wozu, der hat keine Zeit mehr für Freiheit. Und sollte ihm trotzdem der Sinn danach stehen, nach einem vermeintlichen Mehr an Raum und Platz für das, was wir unter der Bezeichnung Leben verstehen, dann wird er jene Hausordnung übernehmen, die ihm dies zu ermöglichen vorgibt. Es wird die Hausordnung des Staates sein: der Terror einer konstuierten Tugend. Sarrazin und viele vor ihm haben es erkannt. Wir sind gewarnt. Noch haben wir die Wahl.