Sagt Ihnen der Name Alexei Kireyev etwas? Nein? Mir bis vor ein paar Stunden auch nicht. Jetzt schon. Alexei Kireyev ist Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds (IMF) und Verfasser des Arbeitspapiers „WP 17/71“. Obwohl das 26seitige Dokument klar als IMF-Working Paper deklariert wird, findet sich als erstes der Hinweis darauf, dass es ausschliesslich die Meinung des Autors und nicht die des IMF oder seines Kaders wiedergebe. Des weiteren handle es sich dabei um keine Empfehlung vonseiten des IMF, sondern diene ausschliesslich dem Zweck, die Debatte zur behandelten Thematik anzuregen. Oder anders gesagt: Der Mitarbeiter einer internationalen unnützen überteuerten und US-dominierten Korpokratiemonsters verfasst ein Arbeitspapier für ebendiesen Arbeitgeber, der sich als erstes von dem Papier und seinem Inhalt distanziert. Aber das sind Petitessen – weiter im Text. Der Titel: Die Makroökonomie des De-Cashing. Zu deutsch: Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen der Bargeldabschaffung.

Nun könnte man sagen, solange „die da oben“ sich in den Sphären gesamtwirtschaftlicher Auswirkungen bewegen, ist jede Art von Alarmismus verfrüht, die Bedrohung ein rein theoretische, da Lichtjahre von meiner Brieftasche und meinem täglichen Einkauf entfernt. Die Sache ist allerdings die: Der Titel täuscht. Was daherkommt wie trockenste zahlenlastige Sektorenanalyse für Finanzwissenschaftler, ist in Wahrheit ein handliches Argumentarium. Süffiges PR-Material für den Finanzlaien. Denn: Wo der angesprochenen Leserschaft erklärt werden muss, was Bargeld ist und was Buchgeld, wie der Gesamtgeldbestand einer Volkswirtschaft sich zusammensetzt, in welchem gesamtwirtschaftlichen Rahmen er zu betrachten ist und wie beispielsweise der Leistungsbilanzsaldo eines Landes zustandekommt, kann es sich bei dieser nicht um Experten handeln.

Aber auch die Vorgabe der Neutralität lässt sich nicht halten. Die Ansage von wegen man wolle Vor- und Nachteile der Bargeldabschaffung aufzeigen erledigt sich spätestens an jener Stelle, an der die Verhinderung von Illegaler Migration und Klimaerwärmung ernsthaft als positive Auswirkung der Bargeldabschaffung dargestellt werden und wo erklärt wird, die Leserschaft werde der Einfachheit halber von Erkenntnissen neuester De-Cashing-Experimente wie jenem in Indien verschont.

Zuerst präsentiert das Papier die „jüngsten Trends des De-Cashing“ aufgrund von Studien, die in Österreich, Deutschland, Kanada, Frankreich, in den Niederlanden und den USA realisiert worden sind. Spätestens damit ist klar: Die Sache läuft längst im Schatten der Hyperaktualität von Terror, „Tatort“ und Trump. Solche Untersuchungen wären ohne klares Ziel weder notwendig noch sinnvoll. Von einem „Trend in Sachen Bargeldabschaffung“ könnte bei etwas, das noch nicht begonnen hat und noch nicht aufgegleist ist, nicht die Rede sein.

Es folgen ein paar Zahlen zur Bargeldnutzung der Bevölkerung von Deutschland und den USA, Hinweise auf bereits umgesetzte oder geplante Massnahmen verschiedener Reigerungen, sowie etwas VWL-Klimbim. Dann mit Volldampf auf die Zielgerade. Von da an ist „WP 17/71“ die reinste Werbe- und Motivationsbroschüre, deren Hauptbotschaft in einem Nebensatz liegt: „Die einzige nützliche Funktion des Bargelds, die mit seiner Abschaffung verlorengehen würde, wäre jene als Crash-Indikator.“

Damit ist eigentlich alles gesagt: Sowohl für die Verfasserschaft des Papiers, als auch für dessen Leserschaft ist Bargeld im besten Fall unnütz, eher hinderlich. Weder Grundrechte des Bürgers – Vertrags- und Eigentumsfreiheit – noch dessen Privatsphäre sind positive und schützenswerte Dinge. Im Gegenteil – es wird empfohlen, optimalerweise zusammen mit den grossen Wirtschaftsakteuren, eine breite öffentlichkeitswirksame Überzeugungs-Kampagne zu starten, um diese Dinge zu marginalisieren, vergessen zu machen und das bargeldlose Leben zu propagieren. Gleichzeitig wird zur Umsetzung flankierender Massnahmen in Form eines unverdächtigen und weitestgehend schon heute „unbestrittenen“ (da nur die „Reichen“ betreffend – soweit sind wir schon!) Anreiz- und Motivationssystems geraten: Beschränkungen für Bargeldzahlungen, Abschaffung grosser Banknoten, Kapitalverkehrskontrollen, hohe Besteuerung für Bargeldtransaktionen, Einführung von Melde- und Deklarationspflichten, und so weiter und so fort. Für Sie und mich, die cashmässigen Neandertaler der Strasse, die für mindestens 70% ihrer Transaktionen immer noch Bargeld verwenden, sind zwecks Vorurteilabbaus spielerische Umgewöhnungs-Aktionen wie jene, dass in einem ersten Schritt beispielsweise Kaffee nur noch mit dem Handy bezahlt werden kann, angedacht. Die Verknappung von Bargeldautomaten und die Schliessung von Bankfilialen können ebenfalls positiv unterstützend wirken. Was für ein Spass!

Der Rest ist Preis- und Lobgesag: Die Enteignung der Bürger via Negativzinsen als „Mainstream-Politikoption“ wird zum hocheffizienten Kinderspiel, die Einsparungen von Transaktionskosten werden das BIP explodieren lassen (2 – 2,5%), die Zentralbanken werden dank Wegfalls von Waren-, Produktions- , Personal- und Trasportkosten zu Horten nationalen Reichtums, Schwarz- und Grauwirtschaft werden abgeschafft und die Steuererhebung massiv verbessert (allein die Abschaffung der 100-Euro- und Pfund-Noten würde das Steuervolumen um 100 Milliarden vergrössern). Sie und ich werden dann nicht länger von Kriminalität geknechtet und geprellt, das Klima wird sich dank massiver Papiereinsparungen sofort erholen und die illealen Migranten, die, wie jeder weiss, ausschliesslich zu uns kommen um sich den Allerwertesten bei härtester Schwarzarbeit aufzureissen, werden ausbleiben. Und das beste zum Schluss: Wer so Schritt für Schritt vorgehe, die Menschen sanft an das Neue gewöhne, riskiere keine Demonstrationen, Protest-Spaziergänge oder gar soziale Unruhen und findet sich am Ende optimalerweise in der komfotablen Situation, dass die notwendige Verfassungsänderung, die für die definitive Abschaffung des Bargelds notwendig ist, nur noch eine Formalität ist.

Bis dahin, so wird empfohlen, sollten Häuslebauer, Selbständigerwerbende, Freiberufler und sonstigen Tausch- und Alernativ-Handelsaffinen im Auge behalten und weiter „untersucht“ werden. Vor Ersatz- und Leihwährungen und vor Tauschhandel wird ausdrücklich gewarnt. Drigend wird ausserdem noch angeraten, die Sache im Fall von Währungsräumen nicht den Nationen zu überlassen, sondern sie supranational koordiniert durchzuziehen.

Eine der Zielsetzungen des Papiers ist in meinem Fall erreicht worden: Ich fühle mich nach der Lektüre von „WP 17/71“ ausgesprochen debatierfreudig. Ausserdem ein weiteres Mal motiviert, ungefragt den immerselben Rat zu geben: Ein paar Gramm Gold und Silber in kleinstmöglicher Stückelung können nicht schaden.

2
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 10.04.2017 16:33:58

Matt Elger

Matt Elger bewertete diesen Eintrag 10.04.2017 15:35:07

5 Kommentare

Mehr von Frank Jordan