Gustav Tschirn: Freireligiöses Bekenntnis (1914)
Frei sind wir, also nicht gebunden,
durch Glaubenszwang in unsrer Religion.
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Danke!
Wir glauben, was wir selbst als wahr empfunden;
nicht, was uns vorschreibt eine Konfession.
Bekenntnis, Überzeugung sind uns nicht verkäuflich,
auch nicht um ew’ge Seligkeit und Himmelslohn.
Denn was uns unnatürlich scheint und unbegreiflich,
das nennen wir nicht „wahr“ aus Furcht vor Höllendroh’n.
Die Wahrheit bau’n wir auf die Wirklichkeit,
auf der Vernunft und der Natur Gesetze,
die ehern steh’n voll Unverbrüchlichkeit,
dass auch kein Gott durch „Wunder“ sie verletze.
Allmächtig, ewig, und unendlich,
allgegenwärtig in der kleinsten Spur,
unfassbar hoch und doch so nah verständlich,
das höchste Wesen ist uns – die Natur.
Die unerschaff’ne Schöpferin der Welten,
aus deren Schoß hervor die Sonnen gehen,
und die aus Sternentrümmern, aus zerschellten,
durch Welten-Nebel webt ein Welten-Aufersteh’n.
Sie lässt im Kreis auch uns’re kleine Erde rollen
und auf der Erde alles Leben blüh’n.
Daraus zuletzt, zuhöchst erwachsen sollen
wir selbst, das Menschenherz, des Geistes Glüh’n.
Entwicklung hat uns hoch empor getragen
tief aus dem Zellen-, Pflanzen-, Tieresstand
zum Aufrechtgeh’n, zum Sprechen, Denken, Wagen,
Zur Kunst- und Arbeitsfähigkeit der Hand.
Natur gab uns die sittlich hohen Triebe
des Einzelnen zu der Gemeinsamkeit,
zu Menschenrecht und -pflicht, zur Nächstenliebe,
dass jeder sich dem Großen, Ganzen weiht.
So leben wir mit Hoffen, Lachen, Weinen,
und schauen über unser’n Tod hinaus
der besser’n Zukunft stetiges Erscheinen
und atmen dafür unser Leben aus.
Doch vorher singen wir mit Jubeltönen,
was aus des Weltalls Tiefe zu uns spricht:
In uns der Geist des Guten, Wahren, Schönen
führt segnend höherwärts – durch Nacht zum Licht.
Der freireligiöse Pfarrer Gustav Tschirn (1865-1931) war um die Jahrhundertwende sowohl Vorsitzender des Bundes Freireligiöser Gemeinden Deutschlands als auch des Deutschen Freidenkerbundes.
Quelle: http://www.humanisten-rheinhessen.de/inhalte.html