Unterschiedliche Staaten bekämpfen den Terrorismus mit unterschiedlichen Strategien. Eines haben sie aber gemeinsam: Bisher sind sie alle nicht sonderlich erfolgreich. Amerika als Angriffsziel Nummer eins setzt auf sein Militär und entsendet hunderausende Soldaten, um Terrornetzwerke auszuschalten. Europa ist beim Entsenden von Soldaten zögerlicher und geht lieber mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen den Terrorismus vor, also mit Polizei und Gerichtsbarkeit. Wenn die NATO-Mitgliedsstaaten nach Artikel V. des NATO-Vertrages zur Unterstützung anderer Mitglieder aufgerufen sind, werden militärische Verbände aus Europa nur widerwillig in Marsch gesetzt.
Europa scheut aufgrund seiner blutigen Geschichte den Krieg vielmehr als die USA und liegt damit richtig. Denn dem Terror mit offenem Krieg zu begegnen ist sinnlos. Warum auch immer die internationale Gemeinschaft in von Terror dominierten Ländern einmarschiert ist – den weltweiten Terror wird sie damit sicher nicht besiegen können. Kein Militär der Welt könnte das. Denn heutige Terroristen kämpfen gemäß den Grundzügen der vierten Generation des Krieges, das heißt sie liefern kein nach militärischen Gesichtspunkten definierbares Feindbild. Auch Einrichtungen der Al Kaida bzw des IS zu zerschlagen bringt im Prinzip nichts, weil es die Terrororganisation als solche so gut wie gar nicht mehr gibt. Wir haben wir es mit einer Art Franchise-System lokaler Akteure zu tun.
Wie sich der Terrorismus nachhaltig und an der Wurzel bekämpfen lässt, ist in einem der Ziele ausformuliert, die sich in der europäischen Konvention zur Prävention von Terrorismus finden. Das Problem Terrorismus, so steht es dort sinngemäß, soll bereits an der Wurzel bekämpft und jede Radikalisierung im Keim erstickt werden. Genau darin wird in Zukunft wohl die größte Herausforderung für die internationale Staatengemein- schaft liegen. Schließlich geht es hier um nichts anderes als um die Bewältigung der sozialen Probleme und der Ausgrenzung in ganz Europa. Alle anderen Präventionsansätze haben bisher versagt, und im Fall der USA lässt sich das auch in Zahlen ausdrücken: Obwohl sie seit nunmehr vielen Jahren mit ihrer geballten militärischen Stärke Krieg gegen den Terror führen, haben wir weltweit jährlich etwa 20.000 Tote und 60.000 Verletzte durch Terrorattacken zu beklagen.
Indessen müssen wir lernen, mit der permanenten Terrorgefahr zu leben, bestmöglich damit umgehen, und uns so gut wie möglich auf den Ernstfall vorbereiten. Einmal ehrlich: Wie gut sind wir in Europa derzeit darauf vorbereitet? So gut wie gar nicht. Die Mängel bei den Einsatzkräften, zum Beispiel wegen unzureichender Ausbildung oder Ausrüstung in Bezug auf die neuen Bedrohungen wie den Katastrophenterrorismus, betreffen in unterschiedlicher Ausprägung ganz Europa.
Wenn sich das ändern soll, müssen wir zuerst einmal die Gefahr erkennen – und wir müssen das Terrorrisiko endlich ohne Emotionen sachlich thematisieren. Genau da liegt schon die Krux: Politiker tendieren dazu, die Gefahr weitgehend zu verleugnen. Auf entsprechende Fragen antworten sie gerne, dass genau ihr Land auf alle Eventualitäten vorbereitet sei. Bloß weiß niemand, welche Eventualitäten das genau sind und wann wir wo wodurch gefährdet sind. Schon weil es unendlich viele Möglichkeiten gibt, einen Terroranschlag durchzuführen. Auch das Kleinreden der Terrorgefahr ist bei Politikern beliebt: Europa sei für Terroristen ohnedies unattraktiv. Es habe ja noch kaum Anschläge auf europäischem Boden gegeben. Doch die jüngsten Ereignisse zeigen uns deutlich, dass Europa keine Insel der Seligen mehr ist.
Friedrich Steinhäusler ist Professor Emeritus für Physik und Biophysik an der Uni Salzburg und arbeitete in den vergangenen 40 Jahren auf dem Gebiet Sicherheit (safety & security) u. a. für Organisationen wie die NATO, International Atomic Energy, WHO und UNIDO.