Nehmen Sie mir ab, was ich Ihnen hier schreibe. Allerdings muss ich etwas weiter ausholen und ein paar Eckdaten ziemlich allgemein halten, da ich mich sonst „enttarnen“ könnte und das wäre für mich weder gesundheitlich noch beruflich ideal.
Ich arbeite für ein großes Unternehmen, das in Deutschland über viele Standorte verfügt und mehreren tausend Mitarbeitern, aus sehr vielen Ländern, einen relativ sicheren Arbeitsplatz bietet. Somit kann ich zurecht behaupten, dass ich mit unterschiedlichen Menschen, aus verschiedenen Kulturen und Subkulturen tagtäglich in Kontakt komme. Zudem verstehe ich u.a. die türkische Sprache so gut, dass ich mich auch relativ gut verbal ausdrücken kann. Manchmal werde ich sogar für einen gehalten. Ich mache es an dieser Stelle sehr kurz: Neben russischsprachigen Arbeitern sind Türken am Stärksten in der Belegschaft vertreten. Die „Russen“ sollen hier nicht das Thema sein, sondern die Türken; weshalb, das können Sie auf den nächsten Zeilen nachlesen.
Zunächst: Bezüglich des Arbeitens im Allgemeinen ist nichts zu beanstanden, die Anzahl der Fleißigen überwiegt und die der Faulen dürfte statistisch gesehen, vielleicht sogar signifikant niedriger sein als bei anderen Gruppen. Mir geht es um Sachverhalte, die ich im Rauchereck, bei Gesprächen unter vier Augen oder nach Feierabend mitbekomme.
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Es gibt das „Phänomen“, dass es verschiedene Fraktionen gibt, die offensichtlich überall ähnlich erscheinen. Dabei spreche ich nicht über Hierarchien, das man übrigens auch teilweise beobachten kann. Es geht um die politischen Ansichten. Neben AKP Leuten und nationalistisch gesinnten MHP-Anhängern – in allen Radikalisierungsstufen wohlgemerkt - gibt es auch eine kleine Fraktion von Türken, die weder dem einen noch dem anderen Lager zuzuordnen sind. Aber dem CHP oder gar HDP Lager würde ich sie nicht zuordnen. Einige andere konnte ich als Kurden identifizieren, andere als christliche Minderheiten. Manche Grüppchen sind sich untereinander so spinnefeind, dass sie sich gegenseitig als „Armenier“, „Grieche“, „Jude“, „Zigeuner“ oder „Kurde“ beschimpfen. Über das geistige Niveau möchte ich mich hier nicht weiter äußern. Erstaunlicherweise klappt es aber dennoch mit dem Zusammenarbeiten.
Wenn man ins Gespräch kam und dann von deutsch immer irgendwie in die türkische Sprache rutschte, egal ob es nun fachlich oder generell beruflich war, wurde ich wirklich jedes Mal in solche Gespräche verwickelt; hier eine sinngemäße Auswahl: „Du bist ja kein echter Türke, oder? Aber Kurde scheinst du auch nicht zu sein? Also, ist dein Vater oder deine Mutter türkisch? Warum benimmst du dich nicht wie ein Türke? Bist du kein stolzer „vatan“, also Türke bzw. türkischer Staatsbürger?“
Es machte übrigens überhaupt keinen Unterschied, ob der Gesprächspartner ein vermeintlich aufgeklärter Kemalist oder halbgebildeter Islamfreak war, der noch nie selbst eine Sure gelesen hat und alles glaubt, was der örtliche Hoca erzählt. Gerade im letzten Jahr habe ich viel „gelernt“ und die absonderlichsten Verschwörungstheorien kennen gelernt, die mir teilweise minutiös erklärt wurden. Hier eine Auswahl, die Sie den unterschiedlichen Gruppierungen selbst zurechnen dürfen: „Atatürk war ein Jude. Atatürk war ein Armenier. Atatürk war ein Grieche. Atatürk war ein Albaner. Erdogan ist Georgier. Erdogan ist Armenier. Erdogans Frau ist Armenierin. Die Juden und Armenier hetzen die Kurden gegen die Türken auf. Die PKK ist voller Armenier und Griechen, weil an den Penissen der Leichen Vorhäute waren. Jeder will die Türkei fertig machen. Der IS wurde von den Zionisten erschaffen. Die Juden kontrollieren die Welt. Die Armenier sind alle reich. Jeder Jude ist reich. Alle Juden werden steinalt. Die Juden kontrollieren jede Bank. Erdogan ist von Allah geschickt worden. Die Armenier treffen sich einmal im Jahr auf einem Schiff. Die Armenier und Griechen wollen wieder ihr Land zurück bzw. sie wollen das Land in zwei bis drei Teile teilen und die Zionisten, also die Amerikaner helfen ihnen. Hinter dem Gülen-Putsch steht die CIA, also die Zionisten.“
Meine Argumente oder Gegenfragen waren sinngemäß: „Wenn Atatürk Armenier war, warum hat er - wenigstens nach 1923 – nicht den überlebenden Armeniern ihre Eigentümer zurück gegeben bzw. eingeladen, wieder zurück zu kommen, nach alldem was 1915 passiert ist, quasi als Wiedergutmachung für die Verbrechen der Vorgängerregierung? Wenn Erdogan oder seine Frau Armenier sind, warum erklärt er nicht, dass die Massaker von 1915/16 tatsächlich heute als Völkermord zu deklarieren sind. Und weshalb sind sie überhaupt Moslems und streben ein Neo-Osmanisches Reich an, wenn sie doch angeblich Armenier sind? Auf welchem Schiff treffen sich diese ganzen Armenier? Warum haben die Juden denn ausgerechnet Herrn Gülen, der ja auch Islamist ist, ausgewählt, ihr Instrument zu sein, um die Türkei fertig zu machen? Warum wollen die Zionisten überhaupt die Welt beherrschen? Woher weisst du, dass alle männlichen PKK Terroristen, der heutigen Generation, die ja Kommunisten sein müssten und somit Ungläubige, trotzdem beschnittene Vorhäute haben müssten? Warum gehst du als stolzer und ehrenhafter Türke nicht zurück in deine Heimat?“
Die meisten Türken sind ja tatsächlich korrekte Burschen, aber viele leben offenbar in ihrer eigenen Welt. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie so ein Gespräch endet, wenn ich mich als Nicht-Türke und somit als jemand zu erkennen gebe, der oben in der Aufzählung steht. Meine Gespräche über den Islam, von seiner Geschichte angefangen, über verschiedene Suren und Geschichten aus dem Hadith al Bukhari endeten meist unschön. Vor allem wenn man über Al-Quaida, ISIS, Taliban und andere Halbaffen-Gruppen im Zusammenhang mit dem Islam sprach. Sie wissen schon, der Islam hat nichts mit Islamismus zu tun usw.
Die größte Hoffnung bei einigen und die größte Angst bei anderen war oftmals das Gleiche und zwar, dass in den Amtsstuben bald kein Portrait mehr von Mustafa Kemal Atatürk hängt, sondern von „Tayyip“. Einige haben absichtlich Tayyip gesagt, weil sie es unerträglich finden, dass dieser „ehrenvolle“ Begriff „Erdogan“, nunmal der Name von diesem „Diktator“ ist. Aber auch die offensichtlichen Dinge, wie z.B. die komplette Destabilisierung der Türkei, das Ausbleiben der Touristen etc. Man darf nicht vergessen, das jeder Türke in Deutschland, mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit, auch Angehörige in der Türkei hat und besorgt ist. Die allerwenigsten wünschen sich, dass die Türkei weiter vom Westen entfernt bleibt. Übrigens existiert neben dem kaum versteckten Antisemitismus – wobei immer betont wurde, dass es ihnen nicht um die jüdische Religion ginge – ein maximal ausgeprägter Anti-Arabismus. Fast allen ist auch gleich, dass sie die Ansicht vertreten, dass sie in einem Gastland leben und absolut selbstverständlich Türken sind und nichts künstlich kreiertes wie Deutsch-Türke. Sie verbindet zudem mit linken oder gar grünen Ideologien in den absolut seltensten Fällen irgend etwas. Eigentlich wählen die meisten Doppelpass-Türken diese Parteien nur, weil sie nicht gut informiert sind und jene Politiker nunmal offenkundig den Islam toll finden.
Ich muss hier eine weitere Sache einfügen, die ich allerdings schon seit frühester Jugend mitbekomme. Egal ob ich in der Bahn sitze und absichtlich genauer hinhöre oder nur zufällig beim Vorbeilaufen mitbekomme, es gibt offensichtlich bei den Meisten die Ansicht, dass es okay ist, mit einer deutschen bzw. österreichischen Frau eine kurze sexuelle Beziehung einzugehen. Aber es sei grandios falsch, ein gemeinsames Kind zu haben, oder gar zu heiraten, wenn sie nicht konvertiert. Dass ein türkisches Mädel einen deutschen oder anderen "Gavur", also christlichen/ungläubigen Freund hat oder gar heiratet, ist selbst heute absolut ungeheuerlich und nicht selten ein Grund für Verstoßung aus der Familie und möglicherweise immer noch - im Jahr 2017 - für einen Ehrenmord. Den letzten Punkt habe ich nur ein einziges Mal direkt gehört, aber ich weiß nicht, ob nicht vielleicht doch mehr dieser Leute so denken. Wenn es so wäre, sehe ich überhaupt keinen Anlass zu glauben, dass die neuen „Fachkräfte“, die seit 2015 über die Grenzen strömen, anders sind wie jene Türken (aber auch Kurden), die schon länger da sind. Oft genug habe ich mitbekommen, dass selbst die Obermoslems, die ihre Kinder sogar in die Koranschule am Nachmittag schicken, dem Glücksspiel frönten. Manch einer war auch in der Nachbarstadt im Bordell. Mir kam das manchmal so vor, als wäre ein Besuch im Puff so normal wie samstags ins Stadion zu gehen, weil einige recht offen damit umgehen.
Übrigens, mit der unkontrollierten Einwanderung der letzten Jahre war eigentlich keiner einverstanden. Die allermeisten wussten auch sehr wohl um die massiven gesellschaftlichen Umwälzungen und kapieren recht gut, dass sie das selbst negativ betreffen wird. Speziell der jihadistische Terror - den tatsächlich nicht ein Einziger relativiert hatte(!) - würde sie immer weiter in eine kuriose Defensivhaltung zwingen. Nicht wenige fragen, weshalb man in Istanbul gegen die Re-Islamisierung auf die Straße ging und sogar dafür starb und hier keiner außer den "Rechten" aufbegehrt. Aber, einige haben sehr wohl auch etwas positives in den „Flüchtlingen“ gesehen, die übrigens keiner als echter Flüchtling bezeichnet, nämlich: dadurch wachse die Umma schneller und bringe somit mehr Moral nach Deutschland und Europa. Dieser Widerspruch kommt leider meiner Beobachtung nahe. Es gibt keine generelle Verachtung gegenüber Deutschland und Österreich, sondern es ist eher so etwas wie Mitleid. Abscheu, der teilweise offen gezeigten Dekadenz in gewissen Bereichen bzw. gegenüber gewissen Teilen der Bevölkerung ist aber definitiv vorhanden. Somit ein Bedauern dem Verschwinden der allgemeinen Moral und der sogenannten alten Werte gegenüber, wofür unser Land berühmt war, aber vermutlich auch der teilweise durchdringenden Perspektivlosigkeit, der jüngeren Generation. Ich bin kein Soziologe, aber das sollte man sich vielleicht mal genauer ansehen. Es ist leider für mich auch verwirrend, vermutlich weil es nicht nur 1 Gruppe mit nur 1 Ansicht gibt. Weitergeben kann ich nur meine subjektive Beobachtung und Einschätzung als Privatmensch.
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