Kein Liegewagen, kein Bett, eine Nacht. Zwei halbstarke Oberösterreicher sitzen in einem Zugabteil am Bahnhof München. Auf der anderen Seite des Abteilfensters bruzzelt Currywurst in der Imbissbude, Weißbier aus der Dose landet in einem Plastikbecher. Das künstliche Neonröhren-Licht am Bahnsteig begleitet unsere nächtliche Abfahrt. Unsere Endstation: Paris, die Stadt des 6 €-Espressos. Gegenüber von uns sitzt eine junge Asiatin, nach ein paar englischen Sätzen später wissen wir um ihre südkoreanische Herkunft Bescheid. Neben ihr sitzen zwei bulgarische Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Ein zierlicher, älterer, beinahe gebrechlich wirkender Mann mit Halbglatze, daneben ein regelrechter Kasten mit buschigem Haar und Vollbart.
In gebrochenem Englisch fragt der Kasten die Koreanerin, warum sie denn Katzen und Hunde esse. Etwas angewidert entgegnet sie ihre Abneigung diesem Vorurteil gegenüber und erwähnt, dass sie Vegetarierin sei. Nach dieser Konversation setzte Schweigen ein, der zierliche Mann flüsterte dem Kasten etwas ins Ohr, was dem Kasten etwas wie ein "Ups" entlockte.
Wenige Minuten später zog der Kasten eine Wurst aus seinem Rucksack. Laut seinen Aussagen eine rumänische Fleischwurst, dessen Schlachthaus-Geruch sich nach dem Auspacken aus der Plastikfolie im Abteil breit macht. Dann ging alles sehr schnell. Während die Koreanerin ihren Mageninhalt in einen Plastiksack entleerte, zog der Kasten eine Machete à la Crocodile Dundee aus seinem Rucksack. Nachdem wir alle aufgesprungen waren, die Wurst am Boden landete und die Machete mitten im Abteil thronte sagte ich zu meinem Mitreisenden, dass sie uns wohl jetzt abstechen und auch zur Wurst machen. Der zierliche Mann antwortete in deutscher Sprache: "Aber nein, wir schneiden nur die Wurst. Wo fahren Sie hin? Wollen Sie auch eine Wurst?"
Wir haben dankend abgelehnt.
