Teil 1: Das Mellach Desaster
Wenige Kilometer südlich von Graz steht das leistungsfähigste Kraftwerk von Österreich. Das Gas- und Dampfkraftwerk Mellach. Und es steht still. Es wurde 2011 in Betrieb genommen und 2014, nach nur 3 Jahren Betrieb, wieder stillgelegt. Finanziert wurde das 550 Mio. Euro teure Projekt mithilfe öffentlicher Gelder. Der Grund für die Stilllegung war, dass es dem Betreiber (Verbund) aufgrund der 'Energiewende' zu unrentabel geworden ist. Abgeschrieben wurde das Kraftwerk auf einen Buchwert von lediglich 17 Mio. Euro. Der Verbund gehört zu 51 Prozent der Republik Österreich. Somit ist von diesem massiven Wertverlust auch der Steuerzahler betroffen. Bis heute konnte kein Käufer gefunden werden. Überlegt wird auch, das nagelneue Kraftwerk einzumotten.
Das wirft einige Fragen auf: War es vor ca. 10 Jahren, also in der Planungsphase, denn noch nicht absehbar, dass sich der Gaspreis erhöhen wird? Wusste man damals noch nicht, dass Gas wenig umweltfreundlich und in Zukunft verstärkt auf Öko-Energie gesetzt wird?
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Aus dem Antrag des Verbundes an das Land Steiermark zur Umweltverträglichkeitsprüfung von 2005 heisst es unter anderem:
"Die Errichtung neuer Kraftwerke mit bedeuend höherem Wirkungsgrad und sich an den neuesten Stand der Technik orientierenden Emissionswerten ist ein wesentlicher Beitrag der Elektrizitäts-wirtschaft zum Schutze unserer Umwelt. Gerade der Klimaschutz erfordert eine sorgfältige Auswahl der eingesetzten Rohenergie und des zur Stromerzeugung erforderlichen Prozesses."
und weiter
"Die Planungsprämissen für dieses modernste und größte thermische Kraftwerk in Österreich orientieren sich an den hohen Umweltstandards sowie der örtlich vorgegebenen Situation. Die VERBUND-ATP ist bestrebt, mit dem Bau dieses Kraftwerkes nicht nur einen Beitrag zur Deckung der Versorgungslücke, sondern auch einen Beitrag zum Klimaschutz durch eine CO effiziente Stromerzeugung zu leisten. Der Energiestandort Mellach im Süden von Graz wird damit bedeutend aufgewertet.“
Zur Erinnerung: die Rede ist hierbei nicht von einem Kraftwerk das mittels erneuerbarer Energieträger, sondern zum größten Teil durch Erdgas (Hauptbestandteil Methan!) betrieben wird. Dieses Kraftwerk hätte gar nie gebaut werden dürfen.
Teil 2: Das strittige Murkraftwerk
Drei Jahre später. Nur wenige Stunden nach der Wahl des Grazer Bürgermeisters fahren mitten in der Stadt schwere Bagger auf, um mit dem Bau des Murkraftwerks zu beginnen. Dazu ist es nötig, mitten in der Feinstaubhochburg ca. 8000 Bäume zu roden. Die grüne Lunge der Stadt wird weiter geschwächt. Für ein Kraftwerk, das ein ganzes Jahr benötigt um die gleiche Menge an Strom zu produzieren, welches das stillgelegte GDKW Mellach in nicht einmal einer Woche herzustellen imstande wäre. Die Neupflanzung der Bäume erfolgt teilweise außerhalb des Stadtgebietes. Die Regeneration wird Jahrzehnte dauern.
Der durchschnittliche Strompreis lag in Österreich 2015 bei ca. 20 Cent pro Kilowattstunde. Mit € 1,52 / kWh (bezogen auf die Investitionskosten) wird das laut Studien 'ineffizienteste Kraftwerk Österreichs' zukünftig den teuersten Strom in Österreich erzeugen. Der prognostizierte Verlust liegt laut Energieexperte DI Dr. Jürgen Neubarth in 50 Jahren bei 44,7 Mio. Euro. Dazu würde - aufgrund des hohen Stromüberschusses in Österreich - 90% der Produktion exportiert werden.
Obwohl Parteien wie die ÖVP und FPÖ immer wieder öffentlichwirksam direkte Demokratie fordern, haben sie in Graz gemeinsam mit der SPÖ eine Volksbefragung zu diesem wichtigen und strittigen Thema verhindert. Trotz erfolgreich gesammelter 10.000 Unterschriften die für einen entsprechenden Antrag nötig sind. Mit plumpen Argumenten (Formulierungen zu wenig bestimmt) wurde das Begehren abgeschmettert. Verfassungsexperte Heinz Mayer bezeichnete dieses Vorgehen als 'gravierende Fehlleistung' und 'juristisch nicht haltbar'.
Die von Bgm. Nagl häufig gehörte Argumentation, es hätte bereits 2012 eine Befragung der Bürger gegeben ist ebenso fadenscheinig. Bei dieser - von der ÖVP - beauftragen Befragung war unter anderem eine (einfach zu manipulierende) Online-Abstimmung möglich. Gerüchten zufolge waren entsprechenden Key's sogar bei Ebay zu ersteigern und Wahlzettel konnten beliebig oft bestellt werden.
Die Initiative "Rettet die Mur" hat auch Alternativen zu diesem Projekt aufgezeigt. So wäre etwa mit den Investitionskosten eine thermische Sanierung von 750 Gebäuden in Graz möglich, wodurch die selbe Energie eingespart werden würde die das KW produziert. Auch ein Gutachten der Pavlovec Energy Consulting kommt zum Schluss:
"In Österreich besteht derzeit angesichts des großen Überschusses an Produktionskapazität kein öffentliches Interesse an der Errichtung neuer Kraftwerke, sondern ausschließlich an der Steigerung der Energieeffizienz."
Halten wir fest: Von vielen Experten wird dieses Bauvorhaben als unökonomisch und unökologisch deklariert. Ein tatsächliches Miteinbeziehen der öffentlichen Meinung scheint unerwünscht. Die Umweltverträglichkeitsprüfung des Landes Steiermark zu diesem Projekt der Energie Steiermark (zu 74,9% im Besitz des Landes Steiermark) war negativ. Es gibt potentiell schädliche Auswirkungen auf die Umwelt (so auch eine mögliche Gefährdung des Grundwassers). Gesicherte Stromversorgung bis 2030 (130% Reserve in Österreich, europäischer Durchschnitt: 20%). Fehlende Investoren. Und dennoch wird das KW propagandistisch beworben und mit falschen Versprechungen durchgeboxt. Warum?
Warum hat sich Bürgermeister Nagl vom Murkraftwerk-Skeptiker zum totalen Befürworter gewandelt? Noch vor einigen Jahren forderte er den Bau von Sonnekollektoren auf einem Drittel der Grazer Dächer.
"In Österreich und der Steiermark gibt es keine Energiepolitik mehr, sondern nur ein Energie-Management. Statt in nachhaltige Energie zu investieren, wird nur überlegt wo man neue Kraftwerke hinbauen könnte, um Geld zu verdienen." (Siegfried Nagl, 31.12.2008)
Stromverbrauch senken, statt Strom verbrauchen
Noch immer steigt der Stromverbrauch in Österreich um jährlich etwa 2 Prozent. Zwischen Leoben und Spielfeld, einem Abschnitt von rund 110 Kilometer, verrichten bereits 16 Laufkraftwerke ihren Dienst. Österreich ist der viertgrößte Pro-Kopf-Stromverbraucher in der EU. Nur noch rund 10% der österreichischen Flüsse befinden sich in einem naturnahen Zustand. Wasserkraft ist nahezu CO2 frei, im Vergleich zu anderen Kraftwerken - wie etwa Kohle oder Erdgas - relativ umweltschonend und kostengünstig. Doch neben den Vorteilen gibt es auch zahlreiche Nachteile. Natürlich brauchen wir Strom, doch anstatt in immer noch mehr Kraftwerke zu investieren, weil man es sich nicht mit der Stromlobby verscherzen will bzw. der Prestigeobjekte willen, sollte man noch mehr Bemühungen anstellen den Stromverbrauch zu reduzieren. Dazu bedürfte es an - noch mehr - Infokampagnen und Anreizen.
Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie geht von einem wirtschaftlich realisierbare Einsparpotenzial für den Gesamtverbrauch (Strom, Heizung, Transport) durch Effizienzsteigerungen in Haushalten, Produktionsstätten und Bürogebäuden von 40% aus; in Teilbereichen von Privathaushalten (etwa Heizung) sieht man sogar mögliche Ausgabensenkungen bis zu 90%. Nach Angaben der EU-Kommission sind 90% aller Wohnungen in der EU nicht energieeffizient. In Deutschland könnte laut einer Studie der Deutschen Unternehmensinitiative für Energieeffizienz (DENEFF) durch Effizienzmaßnahmen bis 2020 der jährliche Stromverbrauch um 68,3 Mrd. Kilowattstunden reduziert werden, was ungefähr der Jahresproduktion von zehn Kernkraftwerken entspricht.
Weniger Stromverbrauch heisst weniger CO2 und somit das Einsparen von Milliarden für Kohle-, Uran- und Gasimporte.
Letztendlich ist neben der Politik ist auch jeder selbst gefordert, durch sein Konsumverhalten ein Desaster wie Mellach oder ein strittiges Murkraftwerk in Zukunft bereits im Vorfeld zu verhindern.