Wir sehen also der Rettung hilflos nach. Auch der Notarztwagen ist weg. Josef denkt wie immer etwas rationeller als ich und überlegt laut, ob wir irgendwelche Krankenakten brauchen würden. Ich bin viel zu impulsiv und bin genervt davon, dass Josef, wieder im Haus, im Schneckentempo seine Schuhe zubindet. Dann sucht er den Schlüssel und ich kämpfe das erste Mal gegen die aufsteigenden Tränen an. In meinem Kopf rattert ein Film ab.
Das war es jetzt. Und meine Mutter muss alleine im Krankenhaus sterben, weil Josef den Schlüssel nicht findet und er agiert, wie eine Schlaftablette. Josef versucht mich zu beruhigen, dass meine Mutter ja in guten Händen wäre, aber für solch haarsträubende Behauptungen bin ich nicht empfänglich. Sie stirbt. Und sie stirbt alleine. Davon bin ich überzeugt.
Irgendwie schaffen wir es doch noch ins Auto. Ich könnte Josef glatt umbringen, wie er ruhig und besonnen den Wagen zur Hauptstraße fährt. Er sieht mir dir Unruhe an und nimmt wortlos meine Hand und wir fahren ins Krankenhaus. Zum ersten Mal kann ich dem Automatik Getriebe etwas Positives abgewinnen.
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Als Josef den Wagen vorm Krankenhaus parkt, habe ich mich zumindest wieder ein wenig im Griff.
Ich mag Krankenhäuser nicht. Der Geruch allein verursacht mir ein flaues Gefühl im Magen, aber da muss ich jetzt durch.
Gleich beim Eingang sehen wir einen der Sanitäter, die bei uns waren und er informiert uns darüber, dass meine Mutter in der Erstuntersuchung wäre und zeigt uns auch gleich den Weg dorthin.
Josef klopft an, und als wir uns als die Angehörigen von meiner Mutter erkennbar zeigen, dürfen wir ins Untersuchungszimmer.
Meine Mutter liegt auf dem Bett und eine Schwester fragt uns, ob sie das T-Shirt meiner Mutter zerschneiden dürfe, da das Handgelenk inzwischen so angeschwollen ist, dass ein Ausziehen nicht mehr möglich ist. So im Hinterkopf regt sich Widerstand. Was ist das für eine unnötige Frage, aber Josef beantwortet die Frage mit einem einfachen "Ja".
Jetzt stehe ich neben dem Bett, aber meine Mutter starrt geradeaus. Ich nehme die gesunde Hand und spreche sie an, aber es kommt keine Reaktion. Über ihren Augen liegt ein trüber Schleier, aber sie starrt und blinzelt nicht mal.
Abermals spüre ich, wie Emotionen hochkommen und ohne dass ich es verhindern kann, rinnen mir Tränen über die Wangen.
Rund um meine Mutter herrscht reges Treiben. Das T-Shirt ist jetzt entfernt. Ein Hämatom breitet sich vom Handgelenk Richtung Ellbogen aus und dort wo eben noch das Bündchen war, ist eine tiefe Einkerbung in der Schwellung.
Dann kommt endlich ein Arzt und fragt, was passiert wäre. Wahrheitsgemäß beantworten wir, dass meine Mutter einfach umgefallen wäre. Der Arzt will nicht glauben, dass meine Mutter noch selbständig und ohne Rollator unterwegs war und unterstellt uns quasi, dass wir am Zustand meiner Mutter selber schuld wären, da wir das umtriebige Umhergerenne einer 91 jährigen nicht mit allen Mitteln verhindert haben.
Ich schlucke meinen Zorn runter, Josef quittiert diese verdeckte Anschuldigung, indem er diesen Arzt ignoriert und sich einem weiteren zuwendet, der sich nun ebenso zu meiner Mutter stellt.
Das Handgelenk sieht schlimm aus, am Ellbogen hat meine Mutter eine offene, blutende Wunde, die sich aber in dem Moment als relativ harmlos herausstellt, sobald sie gereinigt ist.
Das Handgelenk ist eine Sache, das Ausbleiben jeglicher Reaktion meiner Mutter eine andere und das beunruhigt mich viel mehr. So ein Handgelenk muss Schmerzen verursachen, aber es kommt nichts. Meine Mutter liegt nur da, den Mund verschlossen, die Augen offen. Sie reagiert weder auf das Krankenhauspersonal, noch auf mich und was mich besonders beunruhigt, auch nicht auf Josef.
Während meine Mutter zum Röntgen gebracht wird, beantwortet Josef geduldig alle anstehenden Fragen. Ich laufe draußen am Gang auf und ab, kämpfe mit mir, ob ich meine Geschwister anrufen soll und entscheide mich dann, zumindest meine Schwester zu informieren, die zusagt, dass sie sich sofort auf den Weg macht, sobald sie eine Möglichkeit gefunden hat, nach Fürstenfeld zu fahren.
Dann kommt meine Mutter wieder vom Röntgen. Ein CT wurde auch gemacht.
Elle und Speiche sind etwa eine Handbreit oberhalb des Handgelenks gebrochen. Im Schädel gibt es bis auf die zu erwartenden Anzeichen der Demenz keinen Hinweis auf einen frischen Schlaganfall.
Meine Mutter wird zur Erstversorgung wieder in ein Zimmer geschoben. Josef und ich müssen draußen warten.
Meine Schwester ruft an und teilt mir mit, dass sie in einer guten halben Stunde bei uns wäre. Ich laufe im Gang auf und ab. Sitzen kann ich grad nicht. Josef sucht einen Getränkeautomaten und holt sich einen Kaffee, der sich als bohnenlose Frechheit herausstellt.
Das Warten macht mich nervös.
Der Arzt, der vorher schon so unfreundlich war, kommt auf uns zu und fragt uns, warum meine Mutter in Fürstenfeld wäre. Ich verstehe die Frage nicht? Ich meine, ich verstehe die Frage schon, aber ich verstehe nicht, warum er diese Frage stellt. Schließlich sind wir lediglich in das Krankenhaus gefahren, in das der Notarzt meine Mutter geschickt hat.
Sie wäre hier falsch, meint der Arzt. Sie hätte nach Feldbach gebracht werden müssen. Da gäbe es eine Unfallchirurgie. Und er schüttelt über soviel Ignoranz unsererseits den Kopf. Dass wir keinerlei Einfluss darauf hatten, wohin die Rettung fährt, ist ein unwesentliches Detail, das dieser Mensch so schnell wegfegt, wie ein lästige Fliege.
In mir kommen Zweifel auf, ob wir hier wirklich gut aufgehoben sind.
Meine Schwester kommt hektisch den Gang heruntergelaufen und fragt gefühlte zehn Dinge gleichzeitig. Was passiert sei, wo unsere Mutter ist, was gemacht wird, ob wir schon was wissen......
Ich setze mich hin. Auf einmal bin ich nur noch erschöpft.
Josef unterhält sich mit meiner Schwester, meine Gedanken kreisen sorgenvoll um das seltsame Verhalten meiner Mutter.
Irgendwann geht die Tür auf und meine Mutter wird auf den Gang geschoben. Ihr linker Arm ist bis zum Ellbogen eingegipst. Meine Mutter liegt immer noch starr am Bett.
Meine Schwester springt auf, fragt den Pfleger, was jetzt weiter passiert und dieser weist uns darauf hin, dass sich gleich ein Arzt bei uns melden wird. Wir können das Bett aber zu den Stühlen schieben und dort warten. Da wir außerhalb der Ambulanzzeiten hier wären, sei da nichts los.
Und da sitzen wir dann, schweigend, dann meiner Mutter aufmunternde Worte zuflüsternd, dann wieder unterhalten wir uns leise und warten. Meine Mutter bewegt sich nicht, sie jammert nicht, sie schreit nicht, sie blinzelt nicht, sie liegt einfach nur da und starrt durch alles hindurch, was sich in ihr Blickfeld schiebt.
Nach etwa einer Stunde kommen die beiden Ärzte, der unfreundliche und der andere und teilen uns mit, dass meine Mutter nun erstversorgt sei, und dass sie nach Hause kann. Und am nächsten Tag sollen wir sie nach Feldbach bringen. Dort könne man den Arm bei Bedarf chirurgisch richten, sofern dies notwendig sei.
Ich kann das nicht glauben, sie ist nicht ansprechbar, keiner weiss, was los ist und sie wird in unsere Obhut übergeben. Ich bin entsetzt und weise die beiden Götter in Weiss darauf hin, dass der Zustand meiner Mutter doch recht eigen wäre.
Die Antwort erschüttert mich bin in die Knochen....
Wir sind nicht mehr in den 80er Jahren, wo man auch wegen Nasenblutens ein Bett im Krankenhaus belegen konnte, sagt dieses Individuum und lässt uns stehen.......