Jeder Morgen nach einer Vollmondnacht hat es in sich. Nicht so sehr der Morgen selber, sondern das, was selbiger noch mit sich bringen wird. Ich versuche das Aufstehen zu verzögern. Vielleicht gelingt es mir, wenn ich einfach die Augen nicht aufmache. Und wenn ich leise atme. Und wenn ich mir die Decke bis zur Nasenspitze hochziehe.
Irgendwann kommt die Erkenntnis, dass diese Überlebenstrategien nur bedingt hilfreich sind. Vor allem hält meine Blase nicht viel von meinen wohl doch nicht so ausgefuchsten Techniken, das Unabwendbare zu negieren. Ich gebe mich also geschlagen, schleppe mich aus dem Bett. Was sein muss, muss sein, da führt wohl kein Weg dran vorbei. Ein Blick in den Spiegel wirft eine interessante Frage auf. Kann man Augenringe haben, die erst unter dem Kinn enden?
Meine Mutter schläft indes noch wie ein Baby. Logischerweise. Es macht ja auch müde, alle eineinhalb bis zwei Stunden aufzustehen, das halbe Haus aufzuwecken und über die Sinnhaftigkeit des Lebens nachzudenken. Oder darüber, warum man nicht sterben kann, wenn man alt ist. Oder auch nur zu fragen, wo die Katze schläft. Ganz wichtig ist es auch, sich darüber Gedanken zu machen, ob alle alten Menschen so werden wie sie. Und vor allem muss das ja auch prinzipiell nachts erörtert werden.
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Josef macht Kaffee. Es ist ihm vollkommen gleichgültig, dass es erst 05:53 ist. Und es ist ihm ebenso gleichgültig, dass er ebenso alle zwei Stunden in der Nacht wach war. Josef hat die Mentalität eines Bernhardiners nach der Verabreichung von Beruhigungstabletten. Nicht nur heute - immer, egal was kommt - er ist vollkommen unbeeindruckt von all dem, was in den letzten drei Jahren hier passiert ist. Ohne Josef wäre das alles nicht durchzustehen. Ich bin sicher, dass jeder in unserer Situation sich glücklich schätzen könnte, wenn er einen Josef hätte.
Ich bin jetzt erst mal glücklich, Kaffee zu haben. Vielleicht schiebt ja das Koffein meine Augenringe zumindest wieder in Augenhöhe - die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt - obwohl ich mir grad nicht sicher bin, ob meine Mutter nicht die Hoffnung auch noch überlebt, zuzutrauen wäre ihr das.
Unsinnigerweise kann ich jetzt nicht mehr schlafen, jetzt wo ich noch ein bisschen Ruhe hätte. Also verzieh ich mich mit einem Buch ins Bett - vielleicht wird es ja noch was mit dem Schlafen. Lesen hat was Entspannendes.
Bei so viel Entspannung werde ich doch wieder müde. Aber nur kurzfristig. Meine Mutter meldet sich lauthals zurück. Vom Bett aus. Aufstehen ist scheinbar um diese Zeit nach so einer Nacht nicht drinnen. Adieu Schlaf, jetzt wird es wohl nicht mehr. Meine Mutter, die heute wieder mal zu meinem Sargnagel mutiert, liegt hoheitlich im Bett und fragt nach der Uhrzeit. Es ist 08:21 - und diese Information veranlasst meine Mutter zum Rückschluss, dass es noch zu früh wäre, um aufzustehen. Da muss ich ihr beipflichten - Schlafen kann ich jetzt mit Sicherheit nicht mehr.
In unregelmäßigen Abständen fragt meine Mutter, immer noch hoheitlich im Bett ruhend, nach der Uhrzeit. Es ist 08:23, dann ist es 8:26, dann ist es 08:31. Dann kommt nichts mehr. Um 08:46 geh ich nachsehen. Sie wird doch wohl nicht......
Offenbar hatte sie nur keine Lust mehr nach der Uhrzeit zu fragen. Als ich ins Zimmer reingehe sieht sie mich herablassend an. Das kann auch nicht jeder. Ehrlich. Sie fragt mich, was ich will. Ich kann ihr unschwer sagen, dass ich nachsehen wollte, ob sie das Zeitliche gesegnet hat, weil ja kein Ton mehr gekommen ist. Also frage ich sie, ob sie schon Kaffee haben möchte. Verständlicherweise möchte sie das nicht.... sie will ja noch ein bisschen schlafen.
Vielleicht sollte ich dieses Problem mal von einer anderen Seite angehen. Den Vollmond abschaffen etwa. Ich glaube, ich leide an akutem Schlafmangel.......