Jetzt hat es die ÖVP Niederösterreich tatsächlich getan. Die Mindestsicherung wird mit 1.500 Euro gedeckelt und die soziale Grundsicherung nach unten nivelliert. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen.
Es hört sich im ersten Moment vielleicht logisch an: Die faulen Säcke, die in der sozialen Hängematte liegen und für's Nichtstun Geld kassieren, denen muss man etwas wegstreichen; die sollen wenigstens gemeinnützige Tätigkeiten ausführen und es sich ja nicht zu bequem machen. Und erst die Ausländer! Die sollen erst einmal fünf Jahre in Österreich aufhältig sein, bevor sie mehr als 572,5 Euro im Monat bekommen! Weil wie kommen wir dazu, dass wir denen das zahlen sollen? Frechheit! Brennende Fackeln und Heugabeln hinaus!
So einfach ist das alles aber freilich nicht. Weil zunächst einmal wissen wir aus vielen Statistiken, dass viele Menschen heutzutage arbeiten und die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) zur Aufstockung auf ein geringes Gehalt brauchen. Und es gibt einfach nicht genug Arbeit. Das AMS listet für Oktober 340.000 Arbeislose und 40.000 freie Stellen. Auch ohne weitreichende Mathematikkenntnisse kommt man drauf, dass Zwangsarbeit wohl nicht der richtige Weg sein kann. Entweder es gibt Arbeit, dann soll diese fair entlohnt werden. Oder es gibt sie nicht. Dann muss die Grundsicherung greifen.
Die Armutskonferenz, ein Netzwerk zur Armutsbekämpfung, hat sich das alles einmal angesehen und durchgerechnet, wer von den Kürzungen wirklich betroffen ist: „Die Analyse zeigt: es werden nicht zuerst die in den Medien strapazierten Einzelfälle vielköpfiger Familien sein, die man in der sozialen Wirklichkeit wie Nadeln im Heuhaufen suchen muss. Sondern Kleinverdiener mit Frau und kleinen Kindern. Alleinerziehende Mütter, die sich zum Schutz ihrer Kinder von gewalttätigen Männern getrennt haben. Chronisch kranke Personen, die zwar als erwerbsfähig gelten, am Arbeitsmarkt aber enorm schlechte Karten haben. Eltern, die mit ihren erwachsenen Kindern mit Behinderung im selben Haushalt leben. Familienväter, die sich mit schwerer Arbeit körperlich ruiniert haben und gekündigt wurden.“
2015 hat das Land Niederösterreich 0,8 Prozent des eigenen Budgets für die Mindestsicherung ausgegeben, Österreich-weit waren es 2015 870 Millionen. Bei einem Gesamtbudget von knapp 75.000 Millionen Euro eher Peanuts, oder?
Es mag stimmen, dass es eine Hand voll Menschen gibt, die die Mindestsicherung als adäquate Lebensgrundlage betrachten. Aber nur rund zehn Prozent der BezieherInnen (in Wien) der BMS sind tatsächlich solche Menschen, die den vollen Betrag ausgezahlt bekommen. Der Durchschnitt liegt bei 311 Euro pro Person. Natürlich gibt es auch einen gewissen Anteil an ausländischen MindestsicherungsbezieherInnen. Aber hier rein nach dem Pass zu urteilen ist in einem Europa der Personenfreizügigkeit auch falsch. Mit Stichtag 1.1.2016 lebten knapp 1,6 Millionen Menschen in Österreich, die im Ausland geboren wurden, eine Million davon besitzt eine andere Staatsbürgerschaft. Wie lang die Personen aber in Österreich leben, weist die Statistik nicht aus. Darum ist dieser Aspekt mit Vorsicht zu genießen.
Setzt sich also die ÖVP mit Hilfe der FPÖ bei der Mindestsicherung auch österreichweit durch, dann sind wir im Grunde genommen alle davon betroffen. Gerade wenn es zu wenig Arbeit für alle gibt, ist es doch töricht, jenen, die länger keine Arbeit finden, die Existenzgrundlage weg zu nehmen. Vor allem ist es eine Lüge, dass diese keine Steuern zahlen würden. Konsumsteuern wie die Mehrwertsteuer fallen ja für alle gleich an. Bleibt die Sozialversicherung. Hier gebe es wirklich was zu holen. Während die Sozialversicherung bis rund 70.000 Euro Jahresbrutto ansteigt, bleibt sie dann einfach stehen. Laut brutto-netto-Rechner des Finanzamts ist es wurscht, ob man 70.000 Euro oder 100.000 oder 500.000 Euro im Jahr brutto verdient...Wo wäre also was zu holen?
Letztlich sollten wir uns alle vergegenwärtigen, wie schnell so ein Abrutschen ins soziale Auffangnetz wirklich geht. Sicher nicht von heute auf morgen, aber ein leeres Konto ist schneller Realität, als man sich vorstellen mag. Ich habe das am eigenen Leib erfahren. Ein paar Monate Arbeitslosigkeit und das Geld ist weg. Man kann schon egoistisch sein im Falle sozialer Grundsicherung. Aber dann richtig: Wenn man im Leben in eine Schieflage kommt, dann soll da auch ein Netz sein, dass mich auffängt. Und nicht aus Neid denen gegenüber, die eh nix haben noch mehr wegnehmen.