Blendgranate Lohnsteuersenkung

Dieser Tage diskutieren SPÖ und ÖVP über eine Steuerreform. Dabei sind die Fronten ziemlich abgesteckt. Wer wirklich damit rechnet, dass sich Sozialdemokratie und Volkspartei auf etwas einigen, darf sich freuen. Sie gehören zu den grenzenlosen Optimist*innen! Der Rest von uns hat sich schon damit abgefunden, dass Österreich quasi der Staat gewordene Reformstau ist. Just die Lohnsteuerreform ist dabei eine schlichte Blendgranate – weil sie von den wahren Problemen ablenkt.

Gehen wir einmal davon aus, dass sich ÖVP und SPÖ in ein paar Wochen tatsächlich auf mehr oder weniger irgendwas geeinigt haben werden. Bei einem solchen zu erwartenden Kompromiss wird am Ende wohl tatsächlich etwas mehr Netto vom Brutto übrig bleiben. Anders geht es im Endeffekt ja gar nicht mehr. Es ist eigentlich eine Verschiebung staatlicher Einnahmen von einem Ort zum anderen. Aber bislang steht auf der Habenseite dieser Regierung in der Öffentlichkeit recht wenig. Eine Reform der Untersuchungsausschüsse und hie und da das eine oder andere Reförmchen. Das ändert aber nichts an den Debakeln bei der Hypo, der Zentralmatura, am Arbeitsmarkt oder dem Bonitätsverlust.

Eine Senkung der Lohnsteuer ist auch nur mit sehr viel Wohlwollen eine Symptombehandlung. Ein knappes Drittel der 6,6 Millionen Arbeitnehmer*innen zahlen schon einmal gar keine Lohnsteuer, weil sie unter 11.000 Euro im Jahr verdienen. Beim Durchschnittseinkommenvon knapp 26.000 Euro Jahresbrutto fallen jährlich gegenwärtig „nur“ 2.381,9 Euro an Lohnsteuern an, aber mehr als viereinhalb Tausend Euro an Sozialversicherungsbeiträgen auf Dienstnehmer*innenseite an. Auch wenn jährlich gesamtgesehen rund 25 Milliarden Euro an Lohnsteuer und 21 Milliarden Euro an Sozialversicherungsbeiträgen eingenommen werden.

Egal wie die Gegenfinanzierung aussieht – der ÖGBbeziffert für sein Modell die Kosten auf rund sechs Milliarden Euro – wird Geld nur hin und her geschoben. Eine Milliarde würde gemäß der Gewerkschaft aus Konsum- und Konjunkturbelebung kommen, sprich: Wir bezahlen uns die Reform zu einem Sechstel selbst. Eine weitere Milliarde sollen wirksame Maßnahmen gegen Steuerbetrug bringen – eigenltich ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Nur zwei Drittel verfielen auf neue Steuern auf Vermögen und auf Reformen, wie etwa Effizienzsteigerung, Beseitigung von Ausnahmen im Steuersystem oder die Vermeidung von Doppelförderungen.

Aber egal, wie man es dreht und wendet oder welcher Kompromiss am Ende des Tages überbleibt: Die Lohnsteuersenkung alleine ist nur Opium für's Volk. Ein kleines Goodie für die Wähler*innen, ein PR-Erfolg. Für die Regierungsparteien wäre dieser „Erfolg“ ein Legitimationsgrund für das Weiterwurschteln, der die Öffentlichkeit befriedigen soll und Probleme überdecken. Nehmen tun wir das Geld natürlich gerne – blenden lassen sollte man sich davon allerdings nicht.

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Jürgen Heimlich

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