81,6 Prozent Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl ist der Spitzenwert im Jahr 2015. Die Parteien haben gut mobilisieren können, einen so hohen Wert gab es bei Nationalratswahlen zuletzt 2002. Aber: Worüber wurde eigentlich abgestimmt?
Machen wir uns es leicht. Eine Partei hat in Oberösterreich mit einem starken, sogenannten „Ausländerwahlkampf“ Prozente geholt, sie tut es in Wien noch immer. Noch dazu schwingt sich der Bundesparteiobmann in Wien in den Kampf um ein Amt, das er in Wahrheit in aller Maximalität bis 2018 inne haben will, weil es dann wirklich um die Wurst geht. Eine andere Partei wirbt in Wien für den Bau von Gemeindebauten, deren Bau sie vor Jahren selbst nicht weiterverfolgt hat. Eine weitere wahlwerbende Gruppierung plakatiert ideologisch stark „Behaltet euch euren Genscheiß“ - eine Sache, die die zwei großen Volksparteien, die in den letzten Jahren auf Bundesebene zuständig waren, auch abgelehnt haben. Einer Kleinpartei reicht es, die Spitzenkandidatin auf ein Plakat zu hängen und „Echte Veränderung für Wien“ zu verlangen; diese Partei hat es nicht in den oberösterreichischen Landtag geschafft.
Neben quasi modern-dadaistischen Nonsensplakaten ist aber eines Bemerkenswert. Nämlich, dass die Länder mit ihren Landtagen sowie so kaum etwas zu sagen haben. Alles wichtige, was sich populistisch in irgendeiner Form ausschlachten und auch richtig umsetzen ließe, gehört dem Bund in Gesetzgebung und Vollziehung; das heißt, dass der Nationalrat die Gesetze erlässt und Bundesbehörden, die den jeweiligen Minister*innen unterstehen, diese exekutieren. So finden sich da etwa die Grenzsicherung, der Themenbereich Asyl, das Sozialversicherungswesen, die Bundesstraßen, die Organisation der Bundespolizei und aller weiteren Wachkörper außer den Gemeindewachkörpern, die Gewährung der Kinderbeihilfen und so weiter.
Es wäre absolut nicht übertrieben, wenn man die Landtagswahl in der gegenwärtigen Föderalismusform als Stimmungsbarometer für den Bund ansieht und die Landeshauptleute als Maskottchen für die Regionalvermarktung. Ganz spaßig wird das Ganze, denkt man an den Finanzausgleich. Die Gemeinden und Länder heben nämlich so gut wie keine Steuern ein, der Bund bezahlt die Zeche. Das Finanzverhalten der Länder hat demnach kaum Auswirkungen, Budgets werden auf Länderebene quasi obsolet. Aber wie sexy wäre ein Landtagswahlkampf auch mit ausdrücklichen Kernkompetenzen der Länder? „Wir haben die besten Ideen fürs Bauwesen“, „Unsere Feuerpolizei für unsere Leut'“ oder „Geilerer Fremdenverkehr für Oberösterreich“ wären wohl nicht so die Bringer. Welche Macht haben die Landeshauptleute, außer jene in der eigenen Partei?
Darum kann es nur zwei Möglichkeiten geben: Entweder die Zwischenebene zwischen Gemeinden und Bund umorganisieren; beispielsweise auf die 80 (oder in weiterer Folge weniger) Bezirke. Damit würde Politik nah an den Bürger*innen passieren und den Regionen tatsächlich gerecht werden. Oder die Länder mit echten Kompetenzen in entscheidenden Fragen ausstatten, etwa bei den Finanzen. In der gegenwärtigen Form ist jede Landtagswahl ein Streit um des Kaisers Bart, eine Postenschachermaschinerie für die Parteien und ein Stimmungsbarometer für den Bund – kurz gesagt: Eine große Verarsche und vermutlich mehr Demokratikiller als eine Partei mit Extremstandpunkten.