Von 19. bis 21. Mai sind ÖH-Wahlen. Am 31. Mai die Landtagswahlen im Burgenland und in der Steiermark, im Herbst wählen Oberösterreich und Wien. Zu viel der Wahlen?
Mich ärgert sie ja auch, die Wahlwerbung. Im Radio, an diesen unsäglichen Dreiecksständern, per Postwurfsendung, ja, sogar im Spammailfolder. Eventuell fehlt mir ja die Empathie, eventuell bin ich kein „Swing-Wähler“, weswegen ich zumeist schon Wochen vor der Wahl weiß, wen ich warum wählen werde. Dazu bin ich ein zu gelernter Österreicher, dazu sind die Parteien einerseits mit zu vielen Interessensvertretungen innerhalb ausgestattet. Da gibt es unzählige Bünde (ÖVP), Sozialdemokrat*innen im Wortsinn und Nadelstreifsozialist*innen (SPÖ), enttäuschte Ex-Parteimitglieder anderer Parteien und Burschis (FPÖ), Fundis und Realos (Grüne) oder Wertkonservative und/oder Neoliberale (NEOS/TS). Andererseits gibt es nach außen zu viele Zwänge, Stichwort Koalitionen. Im Endeffekt wähle ich einen Kompromiss aus der der politischen Ecke A, der sich aus den Richtungen B, C und D zusammen setzt, um am Ende Z zu bekommen.
Also wähle ich das aus meiner Sicht geringste Übel. Der Mensch, der zu hundert Prozent hinter ihrer oder seiner Partei steht, hat wohl eine Ein-Mensch-Partei. Daher ist mein Zugang wohl allgemein gültig. Auf der Metaebene betrachtet macht das wohl auch Sinn, wie wir die Legislative und damit letztlich die Regierung wählen. Schließlich handelt es sich dabei um ein Abbild der Gesellschaft. Würde nur mein Idealbild umgesetzt, wäre das grandios. Nur bildet das eben (aus meiner Sicht leider) nicht die Realität ab. Da kann unser gesamtes Alpenland wegen Conchita, Ampelpersönchen und Lifeball als weltoffen und tolerant abfeiern. Nur stimmen tut es eben nicht. Im Endeffekt kann jede Partei also nur enttäuschen. Innere Begebenheiten und äußere Zwänge bedingen das.
Vermutlich ist dieser Versuch der Parteien, sich als fliegende, eierlegende Wollmilchsau zu präsentieren und dann aufgrund der Realität doch nur Kompromisse schließen zu können, eine der großen Schwächen unserer Zeit. Es wird von Postdemokratiegesprochen, letztlich vom Scheitern der repräsentativen Demokratie. Zu weit entfernt von den Menschen, zu abgehoben soll die politische Klasse sein. Ich bin auch geneigt, diesem Befund zu zu stimmen. Wie sollen es „die Menschen von der Straße“ auch verstehen, wenn Wahlwerbung über 30 Millionen Euro kostet, sich die Parteien knapp 190 Millionen Euroan Förderungen zubilligen, Deutschland mit zehn Mal mehr Menschen mit nur 150 Millionen Euro auskommen, der Mittelstand bis in die reichsten paar Prozent der Gesellschaft hinein reicht? Und am Ende regieren Parteien, die, gemessen an allen Wahlberechtigten nur 37,3 Prozent der Stimmen bekamen. Oder gemessen an der Gesamteinwohnerzahl deutlich unter 30 Prozent.
Zudem bekommt man das Gefühl, alle paar Wochen zum Urnengang aufgerufen zu werden, sei es National- oder Gemeinderat oder die verschiedenen Interessensvertretungen wie die ÖH. Wer nun aber zumacht und aus den durchaus verständlichen, aufgezählten Gründen aus Wählen pfeift, begeht dennoch einen schweren Denkfehler. Denn wer gar nichts tut, gibt sich seinem Schicksal hin. Wir sollten auch nicht vergessen, dass auch die schlechteste Demokratie eine bessere Staatsform ist als die beste Diktatur und dass in vielen Ländern dieser Erde Menschenrechte mit Füßen getreten werden und Menschen dafür sterben, dass Parteien wie die FPÖ auch gewählt werden können. Es ist ein riesiges Privileg, für das viel Blut vergossen wurde. Und es steht jedem Menschen offen, unter gewissen Voraussetzungen und mit Schranken versehen, selber Teilhabe zu nehmen – auch wenn viel schief läuft.
Letztlich ist der Wahlgang kein Zahnarztbesuch, auch wenn sich das Ergebnis zuweilen danach anfühlt. Aber auch, wenn es eine vergleichsweise kleine Wahl wie die ÖH-Wahl ist, darf man nie vergessen: Den Stimmzettel ohne Zwang in die Urne werfen zu dürfen ist nichts Selbstverständliches.