Diese Headline soll dich zwingen, auf diesen Link zu klicken

Ist der Klick-Journalismus gefährlich? Anneliese Rohrer denkt das und man ist geneigt, ihr zu zustimmen. Wenn Inhalte nach ihrer Klickbarkeit ausgewählt werden, ist das sicherlich gefährlich. Nur geschieht das wirklich so?

Vor kurzem sind wir alle kräftig verarscht worden. Da war eine Solidaritätskundgebung mit Millionen Menschen in Paris und es waren auch viele wichtige Regierungschef*innen mit dabei. Die Fotos in den Medien sollten uns zunächst glauben lassen, dass diese mit allen „normalen“ Menschen mit marschierten. Wenig später kam heraus, dass sie irgendwo abseits waren, abgeschirmt von den anderen. Sicherlich, ein bisschen verständlich ist das. Mit relativ einfachen Mitteln hätte ein weiterer Anschlag gemacht werden können. Wäre das auch so erklärt worden, hätte man es wohl verstanden. So wurden wir glauben gemacht, sie wären mitten im Geschehen. Ohne Erklärung pure Verarsche.

Gegebenheiten wie diese lassen die Menschen die Medien hinterfragen. Vor allem, weil sich Medien gerne als „Gatekeeper“ auffassen - sie definieren, was wir lesen. Nur stimmt das immer weniger. Durch die sozialen Netzwerke werden die Accounts, denen wir folgen, zum Gatekeeper. Selbst der Artikel mit der fadesten Headline wird irgendwann angeklickt, wenn nur viele Menschen ihn teilen. Selbst „Verfassungsänderung soll Demokratie durch Beschränkung der Länderkompetenzen stärken“, um Rohrers Beispiel zu folgen. Die jüngste Bildungsdebatte in Deutschland entstand dann auch gänzlich ohne Journalismus. Eine junge Frau twitterte etwas, es wurde online verbreitet, erst dann folgten die Artikel. Ein gutes Beispiel dafür.

Und letztlich ist das Clickbaiting so alt, wie der Journalismus selbst. Gehen Sie doch in die Trafik und betrachten Sie die Boulevardmedien. Im übertragenen Sinne sind die Titelseiten von Krone, Bild und Sun nichts anderes als eine heftig.co-Headline. Und natürlich müssen auch jene Medien, die sich „Qualität“ ans Revers heften, an die Headline denken. Die von Rohrer – und vielen anderen angeführte – Einordnunsfunktion führt sich aber ad absurdum, wenn an der heutigen Verteilungslogik von Inhalten vorbei publiziert wird. Und es ist ja andererseits auch verständlich, dass dann der klassische Journalismus grantig ist, wenn dieser seine Machtposition, die er durch den (vermeintlichen?) Zugang zu Informationen hat, verliert. Wer aber diese Informationen mit einer veralteten Logik an die Menschen bringen will, muss umdenken. Wenn sie dann auch noch so haarsträubend falsch sind, wie im Beispiel eingangs, wird’s ganz schwierig.

Es geht nicht darum, die Inhalte zu kübeln, weil sie "unsexy" sind und nur noch Headlines, die Erregung hervor rufen, zu produzieren sowie eigene Qualitätsansprüche für die Klickzahl zu vernachlässigen. Aber es geht sehr wohl darum, zu analysieren, warum Nullstories geklickt werden, wenn sie nur den richtigen Titel haben. Ist das der Fehler, derer, die auf die Headlines klicken oder jener, die es einfach nicht schafffen, ihre Inhalte modern zu formulieren. Wer die altehrwürdige Abfahrt auf der Streif mit Skiern aus 1983 runter fährt, wird wohl auch nicht weit kommen.

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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torvijs

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