Eigentlich sollte reaktionärem Gedankengut kaum Aufmerksamkeit geschenkt werden. Der Text des Nationalratsabgeordneten Marcus Franz hat mich mit seinem gestrigen Beitrag "Kinder, Küche, Karriere" aber so wütend gemacht, dass ich trotzdem antworte.
Alle paar Tage wird ein Text wie jener von Marcus Franz auf Papier gedruckt oder online veröffentlicht. Die Argumentationsstränge sind fast immer gleich, die Grundaussage frauen-, wenn nicht menschenfeindlich und relativ einfach auseinander zu nehmen. Es sind Hilfeschreie einer leider nicht allzu kleinen Gruppe von Menschen, die geistig nicht in der Moderne angekommen sind und sich ein Weltbild der 1950er-Jahre zurück wünschen, das längst überwunden scheint. Meine Befürchtung ist nur, dass es sich dabei nicht um das Minderheitenprogramm einer Partei handelt, die mit Stand heute einen Wiedereinzug in den Nationalrat nicht schaffen würde – sondern das leider wohl noch viel zu viele Menschen dieser Denke etwas abgewinnen können. Das ganze läuft unter dem Deckmantel der „Meinungsfreiheit“. Meinungen sollten aber bitte schön mit Tatsachen unterfüttert werden. Und meinem Weltbild läuft diese Denke zur Gänze zuwider. Ich habe deshalb schon gestern eine Antwort verfasst und meine Lebensgefährtin meinte nach dem Lesen des Erstentwurfs: „Wo sind die Emotionen und der Grant?“ Die kommen gleich. Sicherlich muss ich mir die Frage stellen, ob mir mein Standpunkt überhaupt zusteht. Nun ist er aber nun einmal so. Darum:
1. Der Feminismus hat den Frauen eine neue Freiheit gebracht: Sie müssen heute nicht mehr nur die Kinder gebären und betreuen, sondern sie können und sollen neben diesen genuin frauenspezifischen Aufgaben auch noch arbeiten gehen oder sich überhaupt nur dem Beruf widmen.
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Es ist eine enorm irrige Annahme, erst frauenrechtlichte Bewegungen in den letzten Jahrzehnten hätten diese Umstände bedingt. Nur weil es immer Schichten gegeben hat oder Arbeit schlichtweg nicht bezahlt wurde, heißt das nicht, dass Frauen nie gearbeitet hätten. Das einzige, was Frauen „genuin“ immer getan haben, ist Kinder gebären. Der Rest wurde von einer patriarchalischen Gesellschaft schlichtweg Jahrtausende lang oktroyiert. Nur weil eine Gesellschaft care work weiblich konnotiert und das über Generationen so tradiert, ist es noch lange keine „frauenspezifische Aufgabe“
http://en.wikipedia.org/wiki/Care_work
2. Viele Frauen sehen das als Fortschritt, denn in der veröffentlichten Meinung gilt, dass die Berufstätigkeit die Frauen unabhängig macht, ihnen die sogenannte Selbstverwirklichung ermöglicht und ihre Gleichberechtigung fördert.
In einer marktkapitalistischen Wirtschaftsordnung ist Geld nun einmal der Weg zur Unabhängigkeit. Das ist ein Faktum. Selbst in einer agrarischen Subsistenzwirtschaft wäre das der Fall: Wer sich nicht selbst versorgt ist von jemand anderem abhängig. Darum muss Unabhängigkeit finanzielle Unabhängigkeit bedeuten und das geht nur über Berufstätigkeit. Mit der Gleichsetzung von Berufstätigkeit und Selbstverwirklichung entlarvt Franz zudem, wie Selbstverwirklichung zu erreichen ist: Ausschließlich über Geld. Das sagt sehr viel über den Autor aus.
3. Freilich kann man diese Errungenschaft ebenso gut als Einengung der natürlichen weiblichen Lebenswelten und als Irrweg interpretieren. Die Realität straft alle feministischen Visionen der frühen Jahre nämlich Lügen: Berufstätige Frauen mit Kindern unterliegen der vielzitierten Doppelbelastung in Haushalt und Beruf, sie müssen Kinder und Job unter einen Hut bringen und stehen daher unter permanentem Druck. Auch wenn viele Männer gerne und fleißig ihre Frauen in der Kinderbetreuung und beim Waschen-Bügeln-Putzen unterstützen, auch wenn Haushaltshilfen und Tagesmütter viele der ehemals klassischen Hausfrauen-Aufgaben übernehmen und diverse Institutionen für die Kinderversorgung zur Verfügung stehen, so bleibt berufstätigen Müttern dennoch neben der Lohnarbeit ein kaum zu bewältigendes Pensum an familiären Anforderungen.
Dieser Absatz ist einfach nur falsch. Einengend sind hauptsächlich die ökonomischen Umstände. Es gibt typische Männerberufe und typische Frauenberufe. Die sind aber nicht gut oder schlecht bezahlt, weil die Berufe so unterschiedlich sind, sondern weil da Männer arbeiten, dort nur Frauen. Man vergleiche nur die Verdienstmöglichkeiten von HTL-Abgänger*innen und Absolvent*innen von BAKIPs – beides berufsbildende höhere Schulen, die Gehälter sind sehr unterschiedlich. Frauen müssen des Weiteren in Franz' Weltbild Haushalt und Job unter einen Hut bringen, weil das eben seine Denke vorgibt. Nur gibt es keinen Beweis, dass Männer irgendwie unfähig sind, Kinder zu betreuen, Wäsche zu bügeln oder Essen zu kochen – Tätigkeiten, die Franz Frauen zu-, wenn nicht gar vorschreibt. Time use studies zeigen allerdings, dass Frauen quasi überall auf der Welt mehr unbezahlt arbeiten. Dazu kommt die Kombination aus (zumeist schlecht) bezahlter Lohnarbeit und unbezahltem care work, während Männer mehr (und besser bezahlter) Lohnarbeit nachgehen und weniger im Haushalt tun. Das „kaum zu bewältigende Pensum an familiären Anforderungen“, wie es der Politiker nennt, ist demnach Fakt. Dass dem so ist, liegt aber nicht an den Frauen, sondern an den Männern. Diese bezeichnen jene Tätigkeiten als „unmännlich“, machen sie deshalb nicht und bemängeln dann, dass die moderne Frau überfordert ist. Gratulation....
4. Unsere vielbeklagte und die Demografie destabilisierende Kinderlosigkeit ist eine wesentliche Folge dieser Fakten. Denn welche Frau will sich schon freiwillig in die zitierten familienbedingten Nöte begeben? Karriere zählt doch zumindest in jungen Jahren mehr als Familie, so will es der Zeitgeist.
Erstens einmal sind es keine „familienbedingten Nöte“, sondern der Zwang des vorherrschenden Patriarchats, beziehungsweise einer, viel zu vieler, faulen Säcke, die die Frauen dazu zwingen. Und es ist zweitens eigentlich ein Treppenwitz, dass ein Vertreter des Neoliberalismus sich darüber aufregt, dass die Industrie, deren Interessen er vertritt, keine geeigneten Arbeitsmodelle bereitstellt, um Familie und Karriere zu ermöglichen – für Männer und für Frauen. Und was hat die Demografie damit zu tun? Recht wenig. Denn die Weltbevölkerung wächst ohnehin. Wer halt in der Festung Europa sitzt und in nationalstaatlichen Kategorien denkt, befürchtet diese Entwicklung wohl wegen des Pensionssystems, das es zu erhalten gibt.
5. Die Tretmühle des Berufslebens wird daher von den meisten jungen Frauen als erstrebenswerte Destination gewählt, zumindest bis das Ticken der biologischen Uhr unüberhörbar wird. Ab dann wird’s eng, denn nun müssen unwiderrufliche Entscheidungen getroffen werden: Kinder? Beruf? Beides? Und wie auch immer die Frau sich entscheidet - sie wird etwas aufgeben müssen. Entweder ein Stück ihrer neuen „Freiheit“ oder einen ureigenen Wesensinhalt ihrer Weiblichkeit, nämlich die Mutterschaft.
Und selbst wenn sich eine Frau später dazu entscheidet, Kinder zu kriegen, muss sie sich wie erwähnt deshalb entscheiden, weil weder Legislative noch Privatwirtschaft Frauen überhaupt so viel Macht verleihen wollen. Wie auch? Im Nationalrat sitzen überwiegend Männer, um eine Frauenquote wird sich gewunden, ebenso in der Privatwirtschaft. Da fürchtet eine ganz bestimmte Interessensgruppe einfach um ihre Position. Und der „Wesensinhalt ihrer Weiblichkeit“ ist auch nicht die Mutterschaft. Der einzige Unterschied zum Mann – wenn man in der Geschlechterdichotomie denken will, wie es Franz tut – dass Frauen Kinder auf die Welt bringen können. Das war's.
6. Weder die Politik noch die Frauenrechtlerinnen haben es bisher geschafft, für die Frauen jene Utopien zu verwirklichen, welche ihnen von den Verfechtern der Emanzipation seit Jahrzehnten versprochen werden. Und das liegt definitiv nicht an der Reformresistenz der Männerwelt und auch nicht an der Unfähigkeit der Politik, sondern ganz einfach in der Natur: Frauen sind Frauen und keine Männer.
Falsch. Es liegt einzig und alleine an der Politik, die es eine reformresistente Männerwelt IST. Abgesehen vom Umstand, dass das Parlament die tatsächlichen Verhältnisse zwischen Männern und Frauen nicht abbildet, obliegt es der Legislative die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung im Gesetz festzuschreiben, die Exekutive soll das Durchsetzen, die Judikative im Streit entscheiden. Es liegt einzig und allein an der Unfähigkeit der männerdominierten Politik.
7. Die Gleichmacherei und die geplante Eroberung der männlichen Bastionen waren daher von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Zwangsläufig führt dies zur Generalfrustration der Frauenwelt. Zwei Surrogate dieser meist nicht eingestandenen, zweifellos aber profunden Enttäuschung sind die Klagen über das geringere Einkommen der Frauen und die gläserne Decke, die allerorten die Frauen in der Karriere behindert.
Spätestens hier ist das Weltbild des Marcus Franz ultimativ entlarvt: Er fürchtet um den Verlust der Männlichkeit, die „Eroberung der männlichen Bastionen“. Es ist die Angst der herrschenden, in Österreich weißen, männlichen Klasse, dass nicht mehr nur sie bestimmen könnten, wie der Hase läuft. Geringere Einkommen und gläserne Decken sollte die Politik entfernen, weil sie das Volk vertritt und nicht nur nicht einmal 50 Prozent der Bevölkerung, zu deren Vorteil sie arbeitet.
8. Es geht nicht darum, in reaktionärer Weise die Frau an den Herd zurück zu schicken oder eine „heile Welt“ herauf zu beschwören, wo die Frau nur als Mutter ihr Glück findet. Es geht aber sehr wohl darum, die Sichtweisen der Gesellschaft wieder auf jenen Grundwert zu fokussieren, der funktionierende Gesellschaften überhaupt erst ermöglicht: Die Familie. Frauen müssen daher nicht um jeden Preis Karriere machen, denn die zumindest gleichwertige Alternative dazu ist die klare Entscheidung für Kinder und Familie.
Natürlich geht es Franz darum. Die „heile Welt“, die er erklärt, ist die christliche Kernfamilie, ein Schlag ins Gesicht für alle Demokrat*innen, das ein Mensch mit einer zutiefst religiös gefärbten und alle Gleichheitsgrundsätze in den Dreck ziehenden Weltansicht im Parlament sitzt. Wenn Franz „Grundwert“ sagt, dann geht es schlichtweg um ökonomische Macht für das männliche Geschlecht. Niemand muss um jeden Preis Karriere machen, auch Männer nicht. Menschen wie Franz diktieren das aber seit Jahrzehnten in den maßgeblichen Positionen. Natürlich ist eine Entscheidung daheim zu bleiben eine gleichwertige Alternative zur Karriere. Dass sich die beiden aber ausschließen, ist einzig und allein schuld einer verfehlten, machistischen, reaktionären und neoliberalen Politik.