Es ist zu früh, Zentralmatura, Neue Mittelschule und Co. zu verreißen

Wer heute Neuerungen von gestern kritisiert, steht morgen als Dodl da. Leider geschieht das gerade im Bildungsbereich viel zu oft. Dabei brauchen Zentralmatura, Neue Mittelschule oder Sprachförderung eines – Zeit.

Wenn ihr so wie ich die Nachspeise nur angucken müsst, damit sie morgen am Wamperl klebt, kennt ihr euch so wie ich mit Diäten aus. Wenn ich mit meinem Körperumfang wieder einmal unzufrieden bin, dann stelle ich die Ernährung um, mache Sport. Ergebnisse sind da erst ein paar Wochen nach Beginn sichtbar. Niemand würde bei einer Diät auf die Idee kommen, am zweiten Tag festzustellen, dass die Waage noch immer kaum weniger als vorgestern anzeigt und dann abzubrechen, weil's nix hilft. In Bezug auf die Bildung machen das aber viele Politiker*innen genau so.

Egal ob Zentralmatura, Neue Mittelschule oder Sprachförderung, es wird immer sofort und sehr hart kritisiert, zumeist von der Opposition. So wie etwa jetzt bei der Wiener Sprachförderung. Die sogenannte Gratis-Nachhilfe startete vergangenen Herbst. Die ÖVP als Wiener Oppositionspartei mokiert nun, dass kaum Ergebnisse zu sehen sind und das „Vorbereitungsklassen“ und mehr Schulautonomie besser wären. ÖVP-Gemeinderätin Isabella Leeb drückte das so aus: „Man muss jetzt einfach ehrlich zu sich selber sein. Das ist schon ein Riesenproblem und das muss man lösen. Ich beziehe mich auf die Gratisnachhilfe-Sprachförderlehrerinnen. Es wird bereits jetzt einiges getan, aber offensichtlich eben nicht das Richtige.“ Abgesehen mal von dem Punkt, dass Vorbereitungsklassen dämlich sind, da Kinder am besten dann Sprachen lernen, wenn sie möglichst viel von der Sprache umgeben sind und diese defizitäre Herangehensweise ans Sprachenlernen ziemlich grausig ist.

Ähnliches ist eben über NMS und Zentralmaturazu lesen. Dabei wird letztere in AHS erst dieses Jahr das erste Mal durchgeführt, die NMS wird seit dem Schuljahr 2012/13 als Regelschulegeführt. Sprich: Das gibt es in Wahrheit noch gar nicht. Der erste NMS-Jahrgang, der nur und ausschließlich diese Schulform besuchte, wird erst nächstes Jahr fertig werden. Ob und wie diese Neuerungen funktionieren, wird man erst in vielen Jahren feststellen können. Dass der Fortbestand der AHS-Unterstufe sowie die Ermangelung einer mittleren Reife zudem ein Symbol für die Salomonische Lösung der Bildungsproblematik sind, sollte auch erwähnt werden.

Ich will die Maßnahmen nun inhaltlich nicht weiter bewerten. Es ist aber schlichtweg sinnlos, diese Updates des uralten Bildungssystems JETZT zu beurteilen. Das ist dumm hoch zehn, weil nach so kurzer Zeit gar keine echte Bewertung stattfinden kann. So wie bei einer Diät braucht es eben auch in der Bildungspolitik viel Zeit, damit Probleme ausgemerzt werden können und das Werk'l rund läuft, auch wenn es nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Gemessen an der Reformwilligkeit in diesem Land, sind ja selbst derartige Maßnahmen quasi meilensteinartige Jahrhundertereignisse.

Wie würdet ihr die Schule gerne organisieren?

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Herbert Erregger

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