420.000 Arbeitslose, miese Wirtschaftsleistung, hohe Lohnnebenkosten – der Arbeitsmarkt ist ziemlich kaputt. Allerdings muss irgendwer davon profitieren und das sind die Unternehmen selbst.
Uhje, ein Journalist bloggt über den Arbeitsmarkt. Selber schuld, werden sich viele von euch denken. Schließlich wollen unzählige Menschen „irgendwas mit Medien“ machen, studieren Publizistik und raunzen dann überall herum, weil sie im totalen Prekariat leben müssen und ausgebeutet werden. Das stimmt bis zu einem gewissen Punkt. Der Markt ist wohl mehr oder weniger übersättigt und man hat von Verlagshäuserseite her es bislang nicht geschafft, mit online ausreichend umzugehen. Vermutlich stimmt die Analyse des Selberschuldseins streckenweise auch wirklich. Aber ich will mich darüber nicht aufregen. Denn der Punkt ist ja, dass diese Denke sich auch auf andere Branchen ausweitet.
Wenn ich nun meinen Rant gegen Unternehmen loslasse, dann meine ich nicht kleine Start-Ups oder sonstige kleine Firmen, die offen und ehrlich kommunizieren, sondern vor allem große und finanzstarke Vertreter der Unternehmensbranche.
So erzählte mir neulich eine Bekannte aus der Finanzbranche, dass die Stelle, auf der sie angefangen hatte, derzeit wieder ausgeschrieben ist. Mit deutlichen Finanzeinbußen gegenüber vor ein paar Jahren. Oder die Ausschreibung für eine Stelle in einer Rechtsanwaltskanzlei. 20 Stunden pro Woche, 720 Euro Brutto, abgeschlossenes Jus-Studium als Voraussetzung. Oder die unzähligen Jobanzeigen, die Einstiegsgehälter deutlich unter 2.000 Euro brutto vorsehen, aber eine abgeschlossene, universitäre Ausbildung und dazu noch mehrjährige Berufserfahrung. Im Idealfall bist du also ungefähr 20 Jahre alt, hast zwei Doktortitel und 21 Jahre Berufserfahrung und bist bereit, für 1.500 Euro brutto zu arbeiten. Branche wurscht.
Durch das zunehmende Überangebot an wirklich qualifizierten Arbeitnehmer*innen sind die Unternehmen in einer unglaublichen Machtposition. Nicht erst einmal habe ich gehört, dass die Anzahl der Bewerbungen enorm zu nimmt. Kamen früher vereinfacht gesagt zehn Bewerbungen, sind es heute 100. Und alle gleich qualifiziert. Da möchte man meinen, es wäre ein neues Phänomen, dass alle Journalist*innen werden wollen. Das stimmt aber nicht. Meine Eltern, beide im Schulbereich tätig, erzählen mir seit Jahren folgendes: „Immer schon haben sie drei Jahre gesagt: Werdet Lehrer! Und sechs Jahre später gibt’s dann wieder einen Haufen arbeitsloser Lehrer.“ Seit sich die Sache mit der Vollbeschäftigung erledigt hat, betrifft das also wiederum viele Branchen.
Dabei geht’s ja gar nicht drum, ob dieses oder jenes Berufsfeld überlaufen ist. Es geht um die Verdienstmöglichkeiten. Die sinken einfach, auch aufgrund der hohen Lohnnebenkosten. Denn wenn ich drei Leute habe, aus denen ich auswähle, dann muss ich schon durchaus was bieten. Habe ich dreißig, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass es irgendwer noch billiger macht. Aber ich tu mir einfach schwer damit, wenn sich die Unternehmen dann immer an der Wirtschaftslage abputzen oder auf die Regierung verweisen. Das greift einfach zu kurz, auch wenn es der angenehme Weg ist.
Denn natürlich sind es die Unternehmen, die von atypischen Beschäftigungsverhältnissen profitieren. Zwischen 2004 und 2012 stieg die Anzahl derer, die so arbeiten von rund 850.000 Menschen auf 1,13 Millionen an. Teilzeit, Geringfügigkeit, Leih- und Zeitarbeit und freie Arbeitsverträge bringen enorme Vorteile. Eine 30-Stunden-Kraft kann ich je nach Auftragslage flexibel einsetzen. Also ab und an 40 Stunden, dann wieder 20 – ohne die „Leerläufe“ eine Vollzeitkraft zu bezahlen. Die anderen Beschäftigungsverhältnisse sparen wiederum schlichtweg einiges an Lohnnebenkosten, das schadet doppelt. Nicht nur gibt es weniger Geld, sondern auch noch zuweilen die teure Selbstversicherung. Die Arbeit selbst wird freilich dennoch erledigt.
Zusammengefasst heißt das also, dass bei einer schlechten Wirtschaftslage die Unternehmen in hohem Maße finanziell von dem Druck auf die Arbeitnehmer*innen profitieren. Und das betrifft bei weitem nicht nur Idealist*innen, die „irgendwas mit Medien“ machen wollen.