Bekanntlich hat der FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache im Zuge der Tragödie in der Grazer Innenstadt für einen Eklat gesorgt. Das ist widerlich und selbst ein Fußballer, die sich sonst in Österreich ja eher raus halten, meinte: „Schämen Sie sich!“ Eigentlich sollten wir uns alle schämen.
Ich habe keine Theorie zur FPÖ und deren Wähler*innen. Es tut mir leid, aber ich habe null Verständnis dafür, dass man sein Kreuzerl dort macht. Gut, die „Großparteien“ ÖVP und SPÖ enttäuschen auf voller Linie. Da ist es für Konservative und Hackler*innen wirklich nicht weit bis zur Strache-FPÖ. Aber was man da alles mitnimmt mit seiner Proteststimme! Das dokumentieren Watchblogs wie Heimat ohne Hass oder Stoppt die Rechten - und freilich auch die Medien sowie Satireseiten wie Blutgruppe HC Negativ. Bei Tragödien wie in Graz brechen dann alle Dämme. Unreflektierter, rassistischer Hass bricht vor allem online hervor. Den guten Tipp "Erst nachdenken, dann posten" beherzigen nur die wenigsten. Irgendwo ist natürlich verständlich, dass die Menschen ein Ventil brauchen. Es fehlt schlichtweg das Verständnis für so eine Tat. Aber das Posting Straches mit dem Verweis auf die – in dem Zusammenhang vollkommen – irrelevante Herkunft kommt nicht von ungefähr. Denn die FPÖ bedient sich einfachen Mechanismen und betreibt diese seit Jahren. Das später editierte Posting zu Graz war nun vielleicht das Fünkchen zu viel des Schlechten.
Eine internationale Einordnung
Die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung umschreibt das Erfolgsrezept für Rechtsaußenparteien in Europa mit Nativismus, Autoratismus und Populismus: "Nativismus– eine Mischung aus Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit – behauptet, dass ein Staat ausschließlich von Mitgliedern der einheimischen Volksgruppe ("der Nation") bewohnt werden solle und nichteinheimische "Elemente" (Personen und Ideen) für den homogenen Nationalstaat eine fundamentale Bedrohung darstellen. Autoritarismus ist der Glaube an eine streng geordnete Gesellschaft, in der Verstöße gegen die Autorität hart zu bestrafen seien. Populismus schließlich ist eine dünne Ideologie (thin-centered ideology), der zufolge die Gesellschaft letztlich in zwei homogene, antagonistische Gruppen geteilt sei, nämlich "das lautere Volk" und "die korrupte Elite"; Politik solle demnach Ausdruck des allgemeinen Volkswillens (volonté générale) sein."
Beispiele gefällig? Passt das? Plakate wie „Mehr Mut für unser Wiener Blut“ aus dem letzten Wienwahlkampf. Dazu die ständige Ablehnung gegenüber „Ayslanten“. Das ist Nativismus. Den Autoratismus konnte man jüngst in Zusammenhang mit den aufmüpfigen und letztlich ausgeschlossenen FP-Salzburg-Funktionär*innen beobachten. Und der Populismus ist ohnehin unbestritten. Auch wenn die Ideologie mit Pseudowerten wie „Heimat“ aufgepimpt werden soll. Damit operieren Rechtsaußenparteien vom französischen Front National bis zur griechischen Goldenen Morgenröte.
Änderungen unter blauer Führung?
Der Treppenwitz dabei ist, dass die blauen Anwürfe nur bedingt richtig sind. Im Budget für 2014 waren an Gesamtkosten für die Grundversorgung von Asylwerber*innen laut Alev Korun von den Grünen, die ich auch auf Twittergefragt habe, gerade einmal 140 Millionen Euro veranschlagt. Das sind 16, vielleicht 17 Euro pro Österreicher*in. Nichts quasi, gemessen an sonstigen Aus- und Einnahmen. Vom volkswirtschaftlichen Nutzen von Migration einmal abgesehen. Und ganz abgesehen von der halben Milliarde Euro, die in Österreich jährlich gespendet wird. Und Autoratismus? Das mit dem Führer hat man schon ausprobiert und ist in Österreich weitgehend sinnbefreit. Erstens, weil die FPÖ von einer absoluten Mehrheit weit entfernt ist und zweitens, weil Kompromisse in einer Koalition geschlossen werden müssen. Eine Richtlinienkompetenz, also mehr Gewicht für einen möglichen Regierungschef Strache, gibt es im Gegensatz zu Deutschland nicht. Letztlich bliebe dann noch die dünne Ideologie „Heimat“ über. Aber was ist das schon? Die „christlichen“ Werte? In einer laizistischenGesellschaft gibt es das Recht und sonst nichts. Zudem sind sich streng orthodoxe Glaubensmenschen in ihrer Patriarchalität und Frauenfeindlichkeit ohnehin sehr ähnlich. Und dass die FPÖ den Versuchungen der schwarz-roten Freunderlwirtschaft widerstehen könnte, ist auch eine mehr als fragliche Sache. Auch das ist ausreichend dokumentiert, sie Hypo und Co.
Zudem arbeiten SPÖ und ÖVP ohnehin am wenig aussichtsreichen Plan, die FPÖ rechts zu überholen. Durch Koalitionsumarmungen wie im Burgenland, durch den ganzen Law-and-Order-Mist, durch Zeltstädte, durch Aussagenzur Familienbeihilfe wie „Österreich überweist für zwei Kinder unter zehn Jahren 300 Euro. Die rumänische Familienbeihilfe macht nur 30 Euro aus“, was ja wurscht ist, weil die Menschen hier Steuern zahlen. Ich habe das schon einmal angesprochen: In Wahrheit regiert die FPÖ durch den Trugschluss, ihr Erstarken durch Umsetzung der FP-Politik, schon längst kräftig mit.
Empörung über Straches Posting naiv
Insofern ist die Empörung über Straches Entgleisung ohnehin für die Katz und zu kurz gedacht. Eigentlich gar heuchlerisch. Die Ärzte haben es im Lied "Deine Schuld" trefflich formuliert: "Die die dich verarschen, die hast du selbst gewählt." Und die setzen eben schon blaue Politik um und bringen Strache durch sonstige (Un-)Taten voran. Das Lopatka'sche Andocken am rechten Rand und die Öffnung zur FPÖ in der burgenländischen SPÖ sind - allen Gegenstimmen und Beschwichtigungen von Politikern wie Hans-Jörg Schelling oder Andreas Babler zum Trotz - sinnlos. Die Empörung ist fruchtlos, weil wir das seit Jahren erleben, wie im preußischen Stechschritt Einzelfall auf Einzelfall folgt. Diese Empörung können wir uns behalten. Denn umgekehrt zerzausen Boulevard und sogenannte Qualitätsmedien dann die, die sich dem in den Weg stellen.
Am Ende will es niemand gewesen sein, niemand gekommen gesehen haben. Dabei liegt die Lösung auf der Hand. Es nämlich selber machen, aufklären, keine dieser Parteien wählen. Andere Angebote suchen. Da bleiben gegenwärtig nur Grün und Neos übrig. Das soll jede*r für sich selbst entscheiden. Oder darauf hoffen, dass es die SPÖ zerreißt und eine Linkspartei dabei rausschaut. Oder von mir aus eine christliche-soziale Partei, die sich diesen Namen wirklich verdient hat.
Aber JETZT über Strache empört sein? Sorry, das ist naiv.