Die schöne Arbeitswelt teilt sich bei mir in 50 Prozent Angestelltenverhältnis am klassischen Arbeitsplatz und in 50 Prozent „Teleworking“. Ich erwirtschafte die Hälfte meines Einkommens von daheim oder sonst wo. Das zerreißt mich.
Teleworking is voll leiwand
24 Stunden, sieben Tage die Woche – hauptsache, ich erledige meine Arbeit. Manchmal mit mehr Deadline, manchmal mit weniger. Ich kann bei Schlaflosigkeit um vier Uhr in der Früh aufstehen und etwas arbeiten, ich kann um zwei Uhr Nachmittag ein Nickerchen machen. Ihr versteht schon. Wobei wohl nicht zu Gänze. In der Unterhose am Sofa knozen und Texte schreiben ist einfach nur leiwand. Sicher, ein paar Außentermine gibt es, zu denen ich mich ordentlich anziehen muss, aber die meiste Arbeit erledige ich – wie die aus dem TV bekannten Bildungskurse – wo und wann ich will. Es ist einfach angenehm, wenn eine Woche einmal viel zu tun ist, die Arbeit frei einzuteilen ohne auf Über- oder Unterstunden oder gar Bürozeiten Rücksicht nehmen zu müssen. Es ist die Art Freiheit, von der wohl alle träumen, die sich jeden Tag von neun bis fünf Uhr ins Büro schleppen. Und dann erst die physische Abwesenheit von Arbeitskollegen! Die Kommunikation läuft über das Web oder das Telefon, die kann man abschalten. Niemand, der meine Sachen aus dem Kühlschrank futtert, keine dämlichen „Und wie war dein Wochenende?“-Fragen am Montag, kein für mich so nerviges „Socializing“. Komme ich nicht weiter, mache ich eben was im Haushalt, setze mir die Katze auf den Schoss oder geh mit dem Hund Stöckchen werfen. Es ist die vollkommen individualisierte Arbeitswelt.
Teleworking is voll oasch
Dennoch bin ich froh, die Hälfte meiner Arbeitszeit in einem klassischen Angestelltenverhältnis zu verbringen. Ja, das nervt oftmals. Aber es ist vorhersehbar, die Zeiten sind klar definiert. Es gibt Tage, da möchte ich einfach aufstehen, meine Morgenrituale machen und mich in den Zug Richtung Arbeit setzen und ein paar Stunden später wieder zurück kommen. Hirn abschalten, Arbeit aus. Denn es ist wirklich nicht immer lustig, schon gleich nach dem Aufstehen den Albdruck zu verspüren, sofort etwas Produktives zu tun. Abschalten? Vergiss es. Wenn der Arbeitsplatz quasi aus dem Bett fallend erreichbar ist, denkt das Hirn immer an die Hacke. Eine SMS um 23:45? Moment, ich mach das schnell! Den Anruf am Samstagnachmittag entgegennehmen, klar geht das.
Das ist halt wiederum die Schattenseite. Privat- und Arbeitsleben werden komplett vermischt, sind quasi untrennbar miteinander verbunden. Das kann irgendwie schon eine enorme Belastung sein, wenn man keinen erspürbaren Raum mehr zwischen sich und die Arbeit bringt. Dass das Umfeld zudem auch noch mitkommen muss, ist ein weiterer Kritikpunkt.
Eine Arbeitsstelle ist ein Luxus
Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass er wahrscheinlich eher ursprünglich so war, dass diese Trennung zwischen Arbeit- und Wohnort nicht wirklich existierte. Irgendwie ist es ja schon ein Luxus, einen für die eigene Psyche komplett geschützten Raum zu haben (oder heutzutage überhaupt eine Arbeit...). Aber halt! So einfach ist das nicht. Eingangs schrieb ich „Ich erwirtschafte die Hälfte meines Einkommens“ und nicht „Ich arbeite ausschließlich so und/oder so“. Denn die Arbeit, also körperlich/geistige Anstrengung, endet nicht um 17 Uhr am Nachmittag. Nur weil diese Arbeit, die wir vor und nach der bezahlten Arbeit machen, unentgeltlich ist, heißt das nicht, dass es keine Arbeit ist.
Haushalt, Kochen, Kinder – das ist alles ebenfalls Arbeit, die in meinen Augen auch so genannt werden soll. Nur weil etwas nicht gezahlt wird, heißt es nicht, dass es nicht anstrengt und für das täglich Leben notwendig ist. Darum ist die Diskussion rund um Teleworking eigentlich relativ dümmlich. Es ist halt die kommerzialisierte Gesellschaft, die einem einreden möchte, es gebe schlicht nur Arbeit und Freizeit. Abgesehen von dem Punkt, dass uns auch die klassische Lohnarbeit meistens über das Pfeifen der Stechuhr hinaus gehend beschäftigt.