Hallo liebe FuF-Community, die ihr Zuhause seid! Ich quäl Euch dann mal mit meinen Reiseberichten :)
Am dritten Tag der Reise sind wir endlich auch geistig als Tourist*innen angekommen. 19 Stunden Anreise, Stress in den letzten Arbeitstagen und die Umstellung punkto Zeit, Wetter, Ernährung und Entspannung machen zu schaffen. Aber es ist trotz allem schon ein verdammt geiler Urlaub.
Das Leben wollte es eben so, dass sich nicht mehr als Kurzurlaube ausgegangen sind. Seit dem letzten Urlaub passierte aber viel. Ein Umzug, zwei Studienabschlüsse, Georgs Arbeitslosigkeit, der Einzug zweier Katzen. Und man kann sagen was man will: Eine gemeinsame Woche daheim oder drei Tage in der Therme können niemals eine längere Entspannungsphase ohne Rechnungen zahlen, Seele baumeln lassen, nicht an den Haushalt denken und Co. aufwiegen. Man denkt ja immer, das eigene Paradies reicht aus. Wer uns kennt, weiß, dass wir paradiesisch wohnen. Aber das reicht eben nicht zur Gänze. Haus und Garten müssen gepflegt werden und wer beides hat, weiß, dass es immer etwas zu tun gibt. Und da habe ich noch gar nicht vom normalen Arbeitsstress, Überstunden und so weiter angefangen. Kurz gesagt: Wir sind urlaubsüberreif. An manchen Samstagen fühlt man sich dann gar wie eine bereits verfaulte Frucht, die aber noch immer am Baum hängt.
Die letzte Woche vor der Abreise hatte es auch in sich. Aus mehr als verständlichen, persönlichen Gründen sagten uns die zwei Monatsquartiere für unsere Hündinnen Emma und Lieselotte eine Woche vor Abreise ab. Ein befreundetes Pärchen und die gaaaaanz liebe Freundin, die auf unser Haus und die Kätzchen aufpasst, sprangen ein. Danke euch, das werden wir nie vergessen! Vor allem unsere Haus-/Katzen- und nunmehrige auch-Hunde-Sitterin kam zum Handkuss. Sie „musste“ nun auch uns am Flughafen bringen, Lotti am Freitag zu Mittag zu ihrem Quartier. Wir können uns jetzt bei solchen Freund*innen aber sicherlich getrost genug Feinde machen, um das bekannte Sprichwort einmal umzudrehen. Wir könnten noch zwei Milliarden Mal „Danke“ sagen, es wäre noch immer nicht genug. Abgesehen von dem Umstand, dass unsere Arbeitsstellen ein Monat auf uns verzichten…
Wir hatten deshalb auch beide Angst oder Respekt vor diesem Freitag, dem 24. Juli 2015. Vor allem, weil wir aus einer für mitteleuropäische Verhältnisse überlangen, überanstrengenden Arbeitsphase kommen. Und vom einen auf den anderen Tag sollst du dann in den Urlaubsmodus gehen und verdammt noch einmal genießen. Aber den ganzen Scheiß musst du erst einmal aus dem Kopf kriegen. Es würde ja schon reichen, ein normales Arbeitspensum zu erledigen und dann von heute auf morgen nur noch einander und die Entspannung zu haben. Aber wir rotieren auf 120 Prozent, bis nicht einmal zwölf Stunden vor dem Check-in. Und es begann auch entsprechend „super“. Die ESTA-Bewilligungen kamen so spät, dass sich der Webcheck-in verzögerte und wir bis Donnerstag, 21 Uhr, hin zog. Georg war noch die zehn Stunden geflogen, Edith zuletzt vor vier Jahren so lange. Vollkommen unklar, wie wir Raucher*innen darauf reagieren würden, wenn noch mehr Stress kommen würde.
Und der gesellte sich verlässlich zu uns. Wir hatten das finale Herrichten des Häuschens bis in die Nacht vor dem Abflug verschoben. Aber an einen erholsamen Schlaf im Flieger nach Washington war dann nicht mehr zu denken. Am Flughafen selbst hatten wir rund drei Stunden Zeit, um den Anschluss zu erreichen. Daran wurde bei der Einreisekontrolle mächtig gezweifelt. Am etwas versifft wirkenden Airport Washington-Dulles waren für die nicht-US-Bürger*innen zunächst nur fünf von zwölf oder dreizehn Schaltern offen, die Schlange vor uns wirkte endlos, die Beamt*innen am Freitagmittag wenig motiviert. Als wir endlich dran kamen, durften wir wenigstens zu zweit die Fragen beantworten. Und die waren komisch. Wo wir arbeiten, wo wir hinfahen, wie lang wir zusammen sind – komplett übermüdet stammelten wir die Antworten. Wie damit herausgefunden werden soll, wer mit schlechten Absichten einreist, wusste nachher niemand. Eine eben so lange Schlange wartete vor den nächsten zwei Kontrollpunkten.
Die Stimmung war dann im Keller. Man kommt sich letztlich saudämlich und ein bisschen vor sich selbst angewidert vor, wenn man dann 15 Minuten vor dem Boarding des Anschlussfluges endlich drei Tschick hinter einander durchzieht, der Nikotinspiegel wieder steigt und sich das Gemüt wieder ein bisschen beruhigt. Aber so war das nun einmal. Nach einem weiteren zweieinhalbstündigen „bumpy ride“ ((c) Pilot) nach New Orleans, folgte die nächste Detschn für den Kreislauf. Nach fast einem ganzen Tag in der Obhut der Klimaanlage hatte es im Big Easy rund 35 Grad Celsius und gefühlte 160 Prozent Luftfeuchtigkeit. Mit dem Taxi ging es weiter zum Hotel in der Nähe des French Quarter. Geistig und körperlich nach wie vor in Europa erwartete Georg dann ein komplett anderes Bild auf den Straßen, als man es als Urlauber*in eigentlich haben will.
Wir entschieden uns für Fastfood am Hotelzimmer. Und dann schlägt dir die Realität noch die volle Härte auf dein übermüdetes, überarbeitetes Gemüt: Wohnungslose und psychisch wohl nicht ganz fitte schlängeln sich durch Massen an Tourist*innen vorbei, der Müll und die Ausdünstungen der Freitagabendpartynacht steigen am Fuße der Dependancen luxuriöser Hotelketten und internationaler Banken entgegen. Herzlich Willkommen im neoliberalen Amiland, wo die Aufforderung, die Plastik/Erdöl-Flaschen zu beseitigen im harten Kontrast zum hier verschwindend kleinen Porsche-SUV steht. Das Wasser ist ausnahmsweise nicht trinkbar, die ersatzweise erstandenen größten Gebinde des erfrischenden Nass’ werden von Nestlé hergestellt. Noch augenscheinlicher wurden diese Gegensätze am nächsten Tag bei der Stadtrundfahrt. Auf den historischen Stadtkern folgen die Wolkenkratzer der Banken, Versicherungen et. al., dann kommen Reihen um Reihen abgefuckter Holzhäuser, die während des Hurrikans Katrina abgesoffen sind. Apropos: Laut unseres Guides, der uns auch die Stelle zeigte, wo der zweite Damm brach, ein Unglück, das eine smarte Stadtregierung eindämmen (badummts) hätte können und deren zukünftige Verhinderung eher im Konjunktiv steht.
Nichtsdestoweniger ist es hier faszinierend. Es ist laut, es wuselt, es erschlägt dich und umgarnt dich doch mit dem Charme des Landes, dass du – wie bei Georg – nur aus Fernsehsendungen kennst; wahlweise als Land der unbegrenzten Möglichkeiten in den Prominews, Musikvideos oder Comedyserien oder als heruntergekommenes Drecksland, in dem die Polizei in den widerlichsten Hinterhöfen Leiche um Leiche findet. Georg, der das erste Mal überhaupt auf einem anderen Kontinent ist und das erste Mal in den Staaten, geht mit Riesenaugen durch die Staat, wie ein Kind vorm Weihnachtsbaum. Irgendwie beschleicht einen nämlich gerade in dieser vor zehn Jahren schwer gepeinigten Stadt das Gefühl, dass das Leben schön ist. Die Yuppies, die Tourist*innen, die sozial Schwachen, sie leben Tür an Tür, der Charme liegt hier irgendwo zwischen italienischem Badeort, Ostblockstadtkern und Yippi-ay-Yeah-Schweinebacke und ist definitiv frittiert. Das ist geil!
Für heute, Sonntag, haben wir nun Touriaction gewählt, um uns weiter auf den Urlaub einzugrooven: Ein Auflug in den Sumpf mit Alligatoren, ein brandneues 2. Weltkriegsmuseum, das Vooodoomuseum. Wir lesen uns später!