Wer versteht hier gegenderte Sprache nicht?

Seit 2012 wird in Schulbüchern gegendert. Zunächst durch ein und oder einen /, in der Oberstufe schließlich durch „Sparschreibung“, also etwa das Binnen-I. Der Bundesverband der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen meint, dass das der Verständlichkeit und Lesbarkeit schadet.

"Was hier unter Verständlichkeit verstanden wird, verstehe ich ehrlich gesagt nicht“, wird der Vorsitzzende des Bundeselternverband Theodor Saverschel im Standardzitiert. Es wundert wenig, dass beim Thema „Gendern“ ein Mann auftritt, der laut Profil als ÖVP-nahe gilt. Wie bei vielen Bildungsfragen scheint die Volkspartei noch nicht in ihrer Gesamtheit im 21. Jahrhundert angekommen zu sein. Um es höflich zu formulieren. Denn wer beim Thema geschlechtergerechter Sprache Verständlichkeit der Schriftsprache ins Treffen führt, erweist sich als ziemlich ahnungslos und es wirft Fragen über die Motive solcher Äußerungen auf.

Die deutsche Sprache ist nämlich schon von Anfang an ziemlich unlogisch. 26 Buchstaben, die auf einen Laut hinweisen, stehen rund 40 Laute in der gesprochenen Sprache gegenüber. Schon wenn die Kinder in der ersten Klasse Lesen und Schreiben lernen, werden sie damit konfrontiert und müssen lernen, dass das geschriebene „a“ immer „a“ ausgesprochen wird, der Buchstaben „m“, den so gut wie jeder „em“ liest, aber eben „em“ genannt wird, aber ohne „e“ verwendet wird. Wir sagen ja „Mama“ und nicht „Emaema“. Abgesehen von den eigentlich absurden Kombinationen wie „sch“ und „ch“, die sie jetzt auch ganz anders lesen als die geschriebenen Buchstaben klingen.

Dazu kommen noch große Unterschiede zwischen der geschriebenen Standardsprache und dem gesprochenen Wort. Selbst in Wien, das im Gegensatz zu etwa Tirol oder Vorarlberg eine der Schriftsprache sehr nahe Aussprache und Grammatik besitzt, gibt es grobe Unterschiede. Aus „Gehen wir auf die Mariahilferstraße?“ wird sehr schnell „Geh'ma auf die Mariahilferstraße?“ Die Volksschulkinder lernen also eigentlich vom ersten Schultag an, eine komplexe und nicht immer logische Schriftsprache in gesprochene Worte zu fassen. Wäre es für die Verständlichkeit nicht am besten, gleich 14 neue Buchstaben einzuführen und nur noch nach der Schrift zu sprechen?

Außerdem vertritt der Bundeselternverband nicht einmal die Interessen der Volksschulkindereltern, sondern jene ab der Mittelschule. Und sicherlich ist eine gezielte Leseförderung heutzutage ungemein wichtig, wenn rund jede*r fünfte Jugendliche Probleme beim Lesen hat. Evidente Probleme beim sinnerfassenden Lesen hängen aber nicht von geschlechtergerechter Sprache ab. Liegt nämlich tatsächlich eine diagostozierbare Lese-Rechtschreib-Schwäche vor, tritt die bereits in der Volksschule auf und muss schon vor dem Eintritt in die Sekundarstufe erkannt und therapiert werden. Etwa fünf bis 17 Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen. Für diese und alle anderen mit Leseproblemen braucht es aber nicht eine einheitlich männliche Formulierung, sondern erwiesenermaßen vor allem mehr Personalfür die Förderung. Das Abschaffen geschlechtergerechter Sprach in Schulbüchern wegen Leseproblemen zu fordern käme dem Verabreichern von Ohrentropfen gegen einen Husten gleich.

Denn die Sprache soll ja möglichst die Wirklichkeit wieder geben. Und da kann man ja nicht mehr als 50 Prozent der Menschen ausschließen! Das ist faktisch falsch. Man kann ja zu einer Obstschüssel, in der 13 Birnen und 14 Äpfel sind auch nicht sagen: Da sind 27 Birnen drinnen und die Äfpel damit mit meinen, nur weil man nicht „Birnen und Äpfel“ sagen will. Dazu kommt noch die blöde Wissenschaft, die sich dieser Themen freilich annimmt. Die besagt nämlich genau das Gegenteil von dem, was Saverschel zu denken mag. Geschlechtergerechte Sprache beeinflusst die Verständlichkeitder Texte nicht negativ. Und umgekehrt diskriminiertSprache. Das ist keine Meinung, diese Sätze sind kurze Zusammenfassungen der hier verlinkten Blogbeiträge des renommierten deutschen Sprachwissenschaftlers Anatol Stefanowitsch der diese Aussagen mit wissenschaftlichen Studien untermauert.

Wenn also Kinder schon sehr früh lernen, objektiv unlogische Dinge wie „sch“ richtig auszusprechen, Lese-Rechtschreib-Schwächen bereits vor der Mittelschule erkenn- und therapierbar wären, es wissenschaftlich fundiert keine Probleme bei der Verständlichkeit der Texte gibt und die reine Verwendung der männlichen Form nachweislich diskriminierend ist – worauf zielt dann die Forderung nach der Abschaffung geschlechtergerechter Sprache ab?

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su groko

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