Die Zeiten sind unbeständig geworden. Nicht so Angela Merkel. Sie wird wieder kandidieren und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie zum vierten Mal Kanzlerin wird. Sie hat Europa in den letzten zwölf Jahren mitgeprägt, geht einen wirtschaftsfreundlichen Kurs, der Deutschland in Zeiten politischer und wirtschaftlicher Instabilität Sicherheit gab. Merkel steht für eine moderne, wenngleich etwas versteifte Zentrumspartei. Relativ frei von Ideologie, pragmatisch in der Sache, Mut zur Polarisierung. Zu ihren Vorgehensweisen kann man geteilter Meinung sein. Dass Deutschland aber gut dasteht und Merkel nach dem Brexitvotum und Trumps Wahlsieg quasi Obama als Führerin der freien Welt ablöst, kann man kaum in Abrede stellen.
Selbst wenn es eben Schwächen in Merkels Wirken gibt, ist eine neue Kanzlerinnenschaft ziemlich alternativlos – dieses Wort benutzt auch sie gerne, wenn sie polarisierende Wege beschreiten muss, wie im Falle der Flüchtlings- oder Griechenlandkrise. Die Unionsparteien haben niemanden, der so hohe Zustimmungswerte hat. Merkel weiß das und die Gefahr, ihr Vermächtnis vorschnell aus der Hand zu geben, ist groß.
Freilich kann sich auch rot-rot-grün ausgehen, ob mit oder ohne Merkel. Rechnerisch war das schon 2013 möglich. Doch das wäre nach der Wahl 2017 erst Recht Wasser auf die Mühlen der AfD. Das Land würde sich so stark wie die USA polarisieren, mit einem Erstarken der Ränder auf beiden Seiten des politischen Spektrums und einer geschwächten politischen Mitte, die ja auch die gesellschaftliche Mitte repräsentieren soll. Egal auf welcher Seite man stehen mag: Eine aufgeheizte Stimmung, in der die Mitte der Gesellschaft zwischen den Polen zerrieben wird, führt im besten Fall zu einer quasi Unregierbarkeit. Im schlimmsten Fall verlagern sich die Konflikte auf die Straße.
Angela Merkel aber ist eben diese Mitte. Ihre Ideologiefreiheit, ihr politischer Pragmatismus über Parteilinien hinausgehend erschafft ihr, auf der europäischen wie der weltpolitischen Ebene Respekt. Wenn Merkel etwas sagt, hört sogar Erdogan zu, sagt ein anderer europäischer Politiker etwas (mit Ausnahme von Theresa May), wird der Sultan vermutlich nur lachen. Merkel hat eine Gesprächsbasis sowohl mit Putin und mit Trump, sie wird geachtet. Die Mehrheit der (kurzsichtigen) europäischen Politiker hat das nicht. Das kann in den kommenden Jahren für den Weltfrieden ungemein wichtig sein. Denn es war Merkels Kurs, der es bislang verhindert hat, was in den USA schon Realität ist: Dass der Populismus siegt. Nun ist Trump, wie ich neulich schrieb, wahrscheinlich das Schaf im Wolfspelz. Das gilt in Europa eher weniger.
Ich will Angela Merkel nicht zu einer Säulenheiligen des Westens erklären, das ist sie auch definitiv nicht. Ich muss auch nicht alles, was sie machte, macht und machen wird, gut finden. Dass es Deutschland aber wirtschaftlich so gut geht, wie es heute der Fall ist, liegt auch an einer stabilen Regierung und einer Politik, wo der links- und rechtsextreme Populismus noch nicht die Oberhand gewonnen hat.
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