Die Bundespräsidentenwahl vor einer Woche war eindeutig: Die Mehrheit der Bevölkerung ist mit dem derzeitigen politischen System extrem unzufrieden und wünscht sich eine Veränderung. Die Unzufriedenheit wird aus aktuellem Anlass auf die Flüchtlingspolitik zentriert, mit der offensichtlich ein großer Teil der Bevölkerung nicht übereinstimmt.
Der Wählerprotest geht jedoch noch viel tiefer: Totaler Reformstau, Stillstand, schwaches Wirtschaftswachstum, steigende Arbeitslosigkeit. Und während europaweit grundlegende Regeln wie Schutz der Grenzen oder das Verbot der Staatsfinanzierung aus der Notenpresse missachtet werden, wird der Bürger durch komplette Überregulierung und Überwachung seiner Freiheiten beraubt, und die Wirtschaft wird durch sinnlose und ausuferende Bürokratie lahmgelegt. Daher gewinnen in ganz Europa populistische Parteien die Wahlen, obwohl sie die anstehenden Probleme selten lösen und oftmals verschlimmern. Aber es gibt bei den meisten Wahlen nicht wirklich eine Alternative, entweder man wählt Stillstand und Bürokratie, oder kurzfristigen Populismus mit rechts- oder linksextremen Tendenzen.
Was uns fehlt, sind Politiker die unserem Land bzw. Europa wieder Zukunftsvisionen geben. Zukunftsvisionen, wie Europa gemeinsam die Flüchtlingskrise löst, die Wirtschaft in Gang bringt, die Arbeitslosigkeit reduziert und vor allem, wie sich Europa in der globalen „New Economy“ positioniert. Wenn das bekannteste deutsche Internet-Unternehmen primär erfolgreich Geschäftsmodelle kopiert, die deutsche Kanzlerin das Internet als „eine schwierige Sache“ bezeichnet und Gewerkschaften nach wie vor von der 35 Stunden Woche träumen, anstatt sich Gedanken zu machen, wie Menschen so ausgebildet werden, dass sie auch noch in 10 Jahren überhaupt einen Job haben, dann sagt das alles.
Die Aufgabe eines Bundespräsidenten ist es, ein Land zu repräsentieren, und dem Land und der Regierung eine Vision für die Zukunft zu geben. Unser derzeitiger Bundespräsident hat unser Land sicherlich solide repräsentiert, und er ist für Stabilität eingetreten – aufgebaut auf politischen Kompromissen. Das Problem dabei: Wir haben derzeit sowohl einige große Krisen (z.B. Flüchtlinge, neuer kalter Krieg), als auch gewaltige Veränderungen durch die Globalisierung und die New Economy. So angenehm ein stabiles, auf Kompromissen und Koalitionen basierendes politisches System ist, so ungeeignet ist es, auf große Krisen und große Veränderungen in der notwendigen Schnelligkeit zu reagieren. Ich hoffe, dass der neue Bundespräsident, wer es auch sein wird, die Notwendigkeit erkennt, unserem Land wieder eine richtige Zukunftsvision zu geben, die auf Wachstum, Fortschritt und europäischem Zusammenhalt basiert, und die Österreich auf die Herausforderungen der New Economy vorbereitet. Ob das der Fall sein wird, bleibt abzuwarten.