Aktuell ist Übergangssozialministerin Zarfl unter Beschuss, weil ein „Gutachten“ im Auftrag des BMASGK Zahlen über Mehrkosten und Einsparungen aus der Kassen“reform“ errechnet hat.

Das „Gutachten“ stammt von contrast Ernst & Young und wurde noch von BM Hartinger-Klein (FPÖ) in Auftrag gegeben. Die von ÖVP und FPÖ behaupteten Einsparungen in der Sozialversicherung auf Grund der Veränderung der SV-Strukturen werden jetzt mit diesem „Gutachten“ argumentiert.

Durch die Hände Prof. Hoffmann (contrast Ernst & Young) ist schon der wesentliche Teil der LSE-Studie gegangen (die eben nicht die LSE erarbeitet hat) Prof. Hoffmann war auch der Experte, den die FPÖ in den Sozialausschuss nominiert hat, um das SV-OG zu diskutieren.

Hoffmanns Firma hat also jetzt jenes „Gutachten“ geschrieben, in dem auch mehrere hundert Millionen Einsparungen durch Personalkürzungen in der Verwaltung der Sozialversicherung sowie Einsparungen in der IT bestätigt werden sollen.

Dieses Gutachten ist über weite Strecken nicht schlüssig, die Zahlen sind nicht nachvollziehbar. Um zu illustrieren, was daran nicht stimmt, hier erst einmal als Grundlage die Personalzahlen aus der Sozialversicherung:

Hauptverband der Sozialversicherungsträger

Die Tabelle stammt aus: https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/load?contentid=10008.630187 (Handbuch der Sozialversicherung 2018, Seite 197).

Das „Gutachten“ im Auftrag des BMASGK orientiert sich also bei der Berechnung der Personaleinsparung an den Mitarbeitern in der Verwaltung (Spalte 2) und errechnet eine Reduktion um 1.000 bis 1.500 Personen. Das soll 95 bis 112 Mio EUR Einsparung in 5 Jahren realisieren. In der Verwaltung aller drei Sparten der Sozialversicherung arbeiten knapp 15.000 Mitarbeiter. Aber die Pensionsversicherungsanstalt und die AUVA sind ja gar nicht Teil der „Reform“. In diesen beiden Bereichen wird fast nichts verändert, dort findet also keine Reform statt, die Einsparungen lukrieren könnte. Vielmehr werden als wesentlicher Teil der "Reform" die Gebietskrankenkassen zur ÖGK zusammengelegt. SVS und BVAEB sind nicht nur viel kleiner, sie müssen auch weiterhin separate Beitrags- und Leistungsrechte administrieren, sodass dort kaum Einsparungspotenzial vorliegt.

D.h. Einsparungspotenzial durch die "Reform" besteht nur in der Verwaltung der Krankenversicherung. Relevante Größe sind daher nicht die 14.709 Mitarbeiter in der Verwaltung insgesamt, sondern nur die 8.191 Personen in Spalte 2, Zeile 2 - nämlich die Mitarbeiter der Verwaltung in den Krankenversicherungsträgern.

Und bei einer Mitarbeiterfluktuation von 3,8% (Zahl von contrast EY) kann daher nicht das Millionenvolumen eingespart werden, das in diesem „Gutachten“ ausgewiesen wird. D.h. das „Gutachten“ errechnet Personaleinsparungen in Bereichen, die von der „Reform“ gar nicht betroffen sind. Dass die Einsparung von 1.000 bis 1.500 Personen rein aus den 8.191 Verwaltungsmitarbeitern der Krankenversicherung generiert wird, kann man ausschließen.

Zum einen gibt es im Rahmen der „Reform“ einen ausdrücklichen Jobgarantie, also einen zeitlich unbegrenzten Kündigungsschutz für diese Mitarbeiter.

Darüber hinaus scheitert ein Teil der errechneten Einsparung mit Sicherheit am Versetzungsschutz im Arbeitsrecht generell und nach der Dienstordnung der SV besonders. Man muss sich das einfach nur praktisch vorstellen: Einen Mitarbeiter aus der Leistungsabteilung der ÖGK Salzburg kann der Chef nicht einfach so mir-nichts-dir-nichts in die ÖGK Landesstelle nach St. Pölten versetzen, nur weil dort in kurzer Zeit drei Personen in Pension gegangen sind. D.h. es wird rein praktisch nicht möglich sein, alle Positionen ohne Nachbesetzung entfallen zu lassen.

Auch die Einsparungen in der IT sind eine Scheinrechnung.

Eine gemeinsame IT-Infrastruktur besteht bereits für mehrere Arbeitsfelder in Form von verschiedenen gemeinsamen Gesellschaften: der ITSV, der ELGA GmbH und der Kartengesellschaft SVC. Hier ist durch eine Fusion von Trägern nichts mehr zu holen.

Das „Gutachten“ postuliert deshalb "die Schaffung eines zentralen IT-Generaldienstleisters“ (Seite 19). Ein solcher "IT-Generaldienstleister" ist aber im relevanten Gesetz, dem SV-OG, überhaupt nicht vorgesehen. Was ist das für ein Gutachten, das der Analyse von Einsparungen einer Reform einen Generaldienstleister zugrunde legt, der gar nie geplant war und auch nicht ist?

Vielmehr werden die 5 Träger weiterhin separate IT-Infrastruktur unterhalten. Genau darin liegt auch ein wesentliches Problem der SV-„Reform“. Die drei Fusionsprojekte ÖGK, SVS und BVAEB werden jeweils von unterschiedlichen Consultingunternehmen begleitet. Es gibt keine übergeordnete Projektbegleitung für alle drei Fusionen. Getrennte Strukturen sind also weiterhin garantiert.

Die Einsparung, die dieses „Gutachten“ ausweist, werden also nicht eintreten, sie sind ein Schmäh. Das "Gutachten" ist über weite Teile weder nachvollziehbar noch schlüssig. Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit sind Grundanforderungen für jedes Gutachten, weshalb das vorliegende Elaborat die Bezeichnung „Gutachten“ aus meiner Sicht nicht verdient.

Ich werde daher auch parlamentarisch anfragen, wie viel Geld hier für eine Leistung ohne Mehrwert in die Kassen von contrast EY geflossen ist.

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