Auch auf Kosten alter Menschen

Wenn Sie Eltern, Großeltern oder sonst ältere Verwandte mit Grundeigentum in Vorarlberg haben, seien Sie auf der Hut! Hier knöpfen ÖVP-Politiker demenzkranken Personen Liegenschaften ab, ohne dass dies politische Konsequenzen hat.

Im Oktober 2017 kam jener Fall aus der Marktgemeinde Hard ans Licht, den die Öffentlichkeit bis heute diskutiert: Ein ÖVP-Gemeindepolitiker luchst einem 96-jährigen demenzkranken Mann einen Grundstücksteil nahe dem Ortszentrum um weit weniger als 1/10 des tatsächlichen Wertes ab. Den „Kauf“vertrag errichtet sein Kollege aus der Gemeindestube, der auch ÖVP-Landtagsabgeordneter und im Zivilberuf Rechtsanwalt ist. Dass der Verkäufer dement sei, hätten die beiden nicht bemerkt, erklärten sie, obwohl der Käufer seit Jahren Pächter des Verkäufers war und ihn gut kannte. Stattdessen versuchten sie sich am Notar abzuputzen, der dem alten Mann den Vertrag ja vorgelesen habe. Eine Behauptung, die sich später als falsch herausstellt.

Das Grundstück war von der Gemeinde Hard 2013 von billiger Landwirtschaftsfläche in wertvolles Baumischgebiet umgewidmet worden (ein Teil ist Baumischgebiet, ein Teil Erwartungsland Baumischgebiet), was die beiden ÖVP-Gemeindepolitiker genau wussten. Ein günstiges Geschäft zeichnete sich also ab. Nach außen sprach der Rechtsanwalt und ÖVP-LAbg. aber weiterhin von einer „überwiegend landwirtschaftlich gewidmetenLiegenschaft (das hätte einen wesentlich niedrigeren Preis erklärt). 2015 kam es zum Vertragsabschluss mit dem betagten Herrn: umgelegt rund € 30/m2 in Bestlage.

Volle Rückendeckung von der ÖVP-Spitze

Als nicht nur die Kinder des 96-jährigen Mannes protestierten, sondern die gesamte Opposition im Land Vorarlberg die Ansicht vertrat, so gehe man mit alten Menschen nicht um, erklärte ÖVP-Landeschef Markus Wallner der Öffentlichkeit, er habe sich „tagelang in die Materie vertieft“ und die Sache geprüft. Die Vorwürfe gegen den ÖVP-Landtagsabgeordneten und -Sozialsprecher Mag. Matthias Kucera seien „völlig haltlos“, so Markus Wallner.

Sehr exakt kann die „tagelange“ Prüfung durch den Landeshauptmann allerdings nicht gewesen sein. Denn wenig später stellte sich heraus, dass die Behauptung von LAbg. Mag. Kucera, er hätte die Abwicklung des Grundstücksgeschäfts „sofort gestoppt“, als er von der Geschäftsunfähigkeit des betagten Mannes erfahren habe, nicht der Wahrheit entspricht. Tatsächlich hatte er sehr wohl versucht, über den zwischenzeitlich bestellten Sachwalter Immobilienertragssteuer vom 96-jährigen Verkäufer einzuholen und die grundbücherliche Eintragung zu erreichen. Auch die Behauptung von LAbg. Mag. Kucera, er habe nur den Vertrag errichtet, aber seinen ÖVP-Gemeindepolitikerkollegen aber nie anwaltlich vertreten, erwies sich als falsch.

Dass LAbg. Mag. Kucera nicht zum ersten Mal in Zusammenhang mit einem schwindligen Grundstücksgeschäft zum medialen Aufschlag gelangt war, stört Parteichef Markus Wallner ebensowenig.

Sachverständige haben zwischenzeitlich mehrfach die Geschäftsunfähigkeit des 96-jährigen festgestellt. Erst kürzlich hat das Gericht den Vertrag (wieder) aufgehoben.

Keine Reue, keine Konsequenzen

Kurz zusammengefasst: Zwei ÖVP-Politiker haben das fortgeschrittene Alter eines Mitbürgers ausgenützt, um einen günstigen Grundstücksdeal abzuwickeln. Keine Reue. Keine Konsequenzen. Der „Käufer“ prozessiert voraussichtlich weiter, weil er das Schnäppchen unbedingt haben will. ÖVP-Chef Markus Wallner und ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück stehen nach wie vor voll hinter ihrem LAbg. Mag. Kucera. In der ÖVP macht man das nämlich so.

Die Partei zählt für diese Leute mehr als der anständige Umgang mit betagten Mitbürgern.

Post scriptum:

Die Staatsanwaltschaft Feldkirch hatte diese Causa ebenfalls auf dem Tisch. Im Volksmund wird die StA Feldkirch gerne „Einstellungsbehörde“ genannt, weil (u.a.) politisch heikle Verfahren gerne eingestellt werden. Auch im gegenständlichen Fall dauerte es monatelang, bis die StA mit ihrer Arbeit fertig war und alles: einstellte. Die zweite meiner parlamentarischen Anfragen dazu könnte zumindest den Abschluss der zähen StA-Arbeit etwas beschleunigt haben.

Das Disziplinarverfahren gegen Rechtsanwalt Mag. Kucera bei der Rechtsanwaltskammer läuft noch. Die RAK hat dieses Verfahren – ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein – für die Dauer der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen unterbrochen.

Ein Schelm, wer vermutet, die ganze Verzögerungstaktik auf allen Seiten hätte etwas mit dem Wahltermin 22.09.2019 zu tun.

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Iris123

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Markus Andel

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