Die Landwirtschaftsministerin, selbst gerade Mutter geworden, wünscht sich eine Karenzregelung für Politikerinnen und Politiker. Natürlich soll es auch einer Ministerin möglich sein, im Amt ein Kind zu bekommen. Doch wer ernstlich das Thema Politikerkarenz besprechen will, muss einige Fragen klären, um die sich Elisabeth Köstinger drückt.
Für unselbständig Erwerbstätige bedeutet „Karenz“ einen Rechtsanspruch auf das Ruhen der Arbeitspflicht bis zum 2. Geburtstag des Kindes. Allerdings ruhen in dieser Elternkarenz auch die Ansprüche auf das Entgelt.
Es kommt für Politiker auch nicht zum Ruhen der Bezüge, wenn sie ihrer Arbeit eine Zeit lang nicht nachgehen. Sie sind auf Zeit bestellt und auf Zeit bezahlt. Ob die Wählerschaft einen neuen Arbeitsauftrag für die nächsten Jahre gibt, entscheidet sich am Wahltag. Ein bisschen lässt sich die Bewerbung um ein politisches Amt daher mit der Teilnahme eines Unternehmers an der Ausschreibung eines großen Auftrags vergleichen. Entweder man bekommt den Auftrag und das Honorar – oder eben nicht. Über diesen Punkt schweigt sich Ministerin Köstinger aus.
Aber sind Politiker überhaupt mit Arbeitnehmern vergleichbar?
Politiker haben keine Arbeitspflicht. Ob sie viel arbeiten oder wenig, ist jedem einzelnen von ihnen selbst überlassen. Während für die karenzierten Unselbständigen häufig Karenzvertretungen eingestellt werden, gibt es für politische Mandate diese Ersatzlogik nicht. Das politische Amt ist ein persönliches, das man nicht beliebig übertragen kann. Nur ein Minister kann sich auf Zeit vertreten lassen, für Abgeordnete ist das überhaupt unmöglich.
Auch sind Politiker im Unterschied zu unselbständig Erwerbstätigen keinen Weisungen unterworfen und an keinen Auftrag gebunden, weil sie als Abgeordnete einem freien Mandat nachgehen. Genauso sind die Minister nicht weisungsgebunden. Außerdem fehlt der politischen Arbeit jede Ortsgebundenheit. Ob jemand tausende BVT-Akten liest, zum gemeinsamen Wandern mit gebildeten Menschen nach Alpbach fährt oder in China Pandabären streichelt, liegt im jeweils eigenen Ermessen. Von der Art der Tätigkeit, besonders unter dem Aspekt der freien Zeiteinteilung, ähneln Politiker eher Selbständigen als unselbständig Erwerbstätigen.
Jeder Unternehmer, jede Unternehmerin muss sich gut überlegen, wie sich Selbständigkeit und familiäre Aufgaben vereinbaren lassen. Einen Rechtsanspruch auf Karenz haben sie nicht. Für die Berufsgruppe der Politiker gilt das ebenso. Dass Selbständige und Politiker, die nicht unter dem Schutz des Arbeitsrechts stehen, aus den genannten Gründen höhere Ansprüche an flexible Kinderbetreuung haben, gehört auch zu jenen Aspekten, die Elisabeth Köstinger umschifft.
Politikerinnen und Politiker entscheiden frei, ob und wann sie auf Urlaub gehen. Manche verabschieden sich im Sommer für mehrere Wochen, andere arbeiten durch und nützen das Sommerloch fürs mediale Verbraten von unausgegorenen Ideen wie „Tempo 140“ oder „Karenz für Politiker“.