Österreich ist drauf und dran, in einer nie dagewesenen Schlammschlacht zu versinken. Anstatt über Politik zu diskutieren oder meinetwegen auch zu streiten, wird hier mit Gatsch um sich geworfen, gelogen und diffamiert und im selben Atemzug behauptet, der jeweils andere würde lügen und diffamieren.
Was anfänglich noch einen gewissen Unterhaltungswert hatte, wird inzwischen zu einer bedrohlichen Verpestung der geistigen Umwelt des Landes, dieser einst so glücklichen Insel der Seligen (Papst Paul VI bei einem Vatikanbesuch von BP Franz Jonas).
Nun muss man wirklich nicht lange grübeln, wer aus der Situation seinen Nutzen zieht und diese Flut von Negativpropaganda losgetreten hat und mit großem Behagen weiter schürt. Aber darüber möchte ich eigentlich gar nicht streiten, weil die Meinungen längst erhärtet und ziemlich entgleist sind.
Mir fällt aber auf, dass es geradezu schick geworden ist, über die Zustände in Österreich und in Europa zu jammern, dass alles was an Lösungsansätzen vorgebracht wird, sofort abgewertet und von einer Horde skandallüsterner Journalisten durch den sprichwörtlichen Kakao gezogen wird.
Selbst wenn die Regierung auf offener Bühne Stroh zu Gold verspinnen würde, könnte sie lange auf den Applaus warten. Und sogar Jesus, wenn er heute über das Wasser der Alten Donau gehen würde, müsste damit rechnen, dass man ihm vorwirft, nicht schwimmen zu können.
Welche Folgen eine solche Geisteshaltung für die Politik hat, wird man bei der Wahl und vor allem in der Zeit danach beurteilen können. Für wesentlich bedenklicher halte ich die Schäden, die damit an der Psyche der Bevölkerung angerichtet werden.
Wenn man sich vor Augen hält, was ständige Angst und Unsicherheit in einem Menschen bewirken, wenn man bedenkt zu welch irrationalen Schlüssen ein durch Angst lahmgelegtes Gehirn verleitet werden kann, dann sollten wir beginnen, die Schreckgespenster die uns bedrängen, genauer zu hinterfragen.
Nein, Österreich ist im Moment nicht unmittelbar von Terror bedroht. Ich weiß, dass eine solche Gefahr von niemandem ausgeschlossen werden kann und diverse Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden müssen, aber weder im Waldviertel noch im Salzkammergut muss sich jemand vor Terroranschlägen fürchten. Wenn er es trotzdem tut, sollte er sich ernsthaft fragen, wer ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt hat und welche Folgen es für seine Gesundheit hat. Ich glaube wirklich, dass es nicht dafür steht.
Ganz ähnlich verhält es sich mit der befürchteten „Invasion durch Flüchtlinge.“ Im Vorjahr waren es knapp 1 Prozent der Bevölkerung, im heurigen Jahr kamen deutlich weniger und die Zahlen werden weiter sinken, weil die EU-Grenzzäune inzwischen eine beachtliche Höhe erreicht haben und wir dabei sind, die abschreckenden Maßnahmen weiter auszubauen. Solange, bis wir alle so glücklich sind, wie die ungarischen Nachbarn und dann endlich erreicht haben, dass niemand zu uns kommen möchte. Tu felix Austria. Trotzdem werden in den Medien noch immer Menschen gezeigt, die defacto noch keinen Flüchtling in ihrer Gemeinde gesehen haben, aber sich ernsthaft davor fürchten, von der „Invasion“ überrannt zu werden. Die Angst haben, dass in Österreich demnächst islamisches Recht gelten könnte, obwohl sie sich doch eher um den wachsenden Einfluss von Raiffeisen und Monsanto Sorgen machen sollten.
Mir ist natürlich klar, dass die hohe Arbeitslosigkeit ein gewaltiges Problem darstellt und in der Bevölkerung dadurch Ängste ausgelöst werden. Was ich schon weniger verstehe ist die Tatsache, dass diese Ängste dazu führen, die Verantwortung einer Partei übertragen zu wollen, die noch nie Arbeitsplätze geschaffen hat und beständig dafür eintritt, die Löhne und Rechte der Arbeiter nach unten zu drücken. Dass man die Grenzen schließen möchte und die EU verteufelt, obwohl offene Grenzen und freier Handel eindeutig dazu beitragen, Arbeitsplätze zu schaffen. Aber ein durch Angst blockiertes Gehirn beginnt eben offenbar Irrationales zu denken.
Ich weiß, dass ich längst nicht alle irrationalen Ängste aufgezählt habe und ich weiß auch, dass einige dieser Ängste einen begründbaren Kern haben, aber die lähmende Panik die damit ausgelöst wird ähnelt längst dem Bild von der Maus, die vor der Schlange sitzt und die Schlange ist vielfach gar nicht vorhanden.
Wie oben gesagt, meine Bedenken gelten weniger der politischen Zukunft (diese Schäden wird man in Untersuchungsausschüssen und Prozessen wieder gerade biegen können), als vielmehr der psychosozialen Hygiene des Landes. Ohne Angst schläft man nicht nur besser, man kann auch besser denken.
John F. Kennedy hat seine Mitbürger in seiner Antrittsrede (1961) aufgefordert: „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt.“
Ich möchte hier keine Diskussion über Kennedy lostreten, aber er war sicher kein linksgrüner Träumer. Vielleicht wäre es an der Zeit, sich der Aufbruchsstimmung zu erinnern, die dieser Satz ausgelöst hat, anstatt sich trotzig in ein politisches Experiment zu stürzen, dessen Ausgang nur allzu leicht voraussehbar ist.
eigenes Foto / "der Schrei" Klimt