Wir sind also wieder in einem Wahlkampf. Österreich wiederholt die BP-Stichwahl. Nicht weil Manipulationen festgestellt worden sind – solche wurden ausdrücklich nicht gefunden, sondern weil die FPÖ knapp verloren und einen sehr gewieften Anwalt hat, der die langjährige Judikatur des VfGH gut kennt und folgerichtig darauf setzte, dass bereits bei Vorhandensein der Möglichkeit einer Manipulation, die Wahl aufgehoben werden wird.
Gratulation der Anwaltskanzlei, das Kalkül ist aufgegangen. Zustimmung an die Richter, weil bei jeder anderen Entscheidung der Vorwurf der Manipulation verlässlich in die Welt gesetzt und von vielen Wählern geglaubt worden wäre, was Amt und Demokratie beschädigt hätte.
Ich glaube der FPÖ allerdings nicht, dass sie die Wahlanfechtung nur betrieben hat, um unsere Demokratie zu stärken. Das war vielmehr ein gekonntes parteitaktisches Manöver, zu dem eine sehr nachlässig agierende Wahlbehörde genügend Zündstoff geliefert hat. Der kursierenden Verschwörungstheorie, dass die FPÖ das knappe Wahlergebnis befürchtet hat und ihre eignen Wahlhelfer für ein Gutteil der aufgedeckten Schlampereien mitverantwortlich waren, um später die Wahl anfechten zu können – dieser gewiss zu weit hergeholten Möglichkeit, gehe ich hier nicht weiter nach.
Jetzt liegen also die Fakten auf dem Tisch. Ein Urteil des VfGH ist anzuerkennen. Herr Ing. Norbert Hofer erhält eine zweite Chance, doch noch Bundespräsident zu werden und die Herren Strache und Kickl freuen sich darüber, doch noch einen wesentlichen Machtbereich dieser Republik erobern zu können.
Meine Hoffnung liegt darin, dass auch alle anderen, alle möglichen Wähler von Prof. Alexander Van der Bellen, ihre zweite Chance erkennen, dieses fein inszenierte Spiel durchschauen und dem Schauspiel ein würdiges Ende setzten, in dem sie diesmal wirklich alle zur Wahl gehen und dem Kandidaten Hofer eine eindeutige Abfuhr bescheren.
Die guten Gründe dafür sind die gleichen, wie in der vorigen Stichwahl. Und sie treffen alle noch mehr zu, seit in Großbritannien der Brexit Wirklichkeit wurde und die FPÖ sich, in ganz Europa weithin beachtet, zu einer Partei deklariert hat, die eine Mitgliedschaft Österreichs in der EU lautstark in Frage stellt.
Uns wurde vor der nun aufgehobenen Stichwahl ein FPÖ Kandidat vorgeführt, der sich ob seiner zur Schau getragenen Sanftmütigkeit selbst nicht mehr wiedererkannt hat, aber schon kurz nach der verlorenen Wahl alle rechtspopulistischen und rechtsradikalen Parteien in die Räume des österreichischen Parlament eingeladen hat, um eine Strategie für die Zerstörung der bestehenden EU zu besprechen und zu planen. Wenige Tage vor dem Erkenntnis des VfGH hat er als stellvertretender Parteivorsitzender der FPÖ das Ultimatum an die EU gerichtet, nach einer Frist von einem Jahr eine Volksabstimmung abhalten zu wollen und Österreich aus der EU zu führen.
Ich weiß nicht, ob die Österreicher einen solchen Bundespräsidenten wollen. Ob sie das in einer Zeit wollen, in der den Brexit-Befürwortern allmählich die Masken vom Gesicht rutschen, ihre Lügenpropaganda öffentlich wird und die wirtschaftlichen und sozialen Folgen für das vereinigte Königreich immer bedrohlicher werden.
Die Partei des Herrn Hofer ist eine Partei, die dem internationalen Ansehen Österreichs längst beachtlichen Schaden zugefügt und aus internationaler Sicht jede Seriosität eingebüßt hat. Das was diese Herren und viele ihrer gutgläubigen Anhänger schon immer gedacht haben, tritt nun zu Tage, indem sie sich höchst offiziell in eine Reihe mit dem Front National von Marie Le Pen, mit Geert Wilders, der Lega Nord und diversen anderen rechtsradikalen Parteien stellen. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, dass eine Mehrheit der Österreicher einer solchen Politik zustimmt.
In einer Zeit, in der in Großbritannien die ersten Auslagen von ausländischen Geschäften beschmiert und Ausländer in öffentlichen Verkehrsmitteln von Sprechchören beschimpft und zum Aussteigen aufgefordert werden, sollte es in Österreich eine deutliche Mehrheit von Vernünftigen geben, die damit Schluss machen, unser Land und halb Europa zu radikalisieren, nur um „den verhassten Eliten“ eins auszuwischen.