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Die Welt ändert sich und vielen scheint das Tempo der Veränderungen in letzter Zeit schneller geworden. Manchen geht´s trotzdem zu langsam. Sie meinen, es sei fünf vor zwölf und wenn wir nicht rasch…
Ich beginne zu begreifen, dass mein Geburtsjahrgang zur Rettung der Welt nicht mehr unmittelbar gebraucht wird. Das operative Geschäft des Wandels sollte die nächste Generation übernehmen und dabei wird sich zeigen, ob deren Erziehung gut genug war, um die Herausforderungen zu bewältigen.
Flüchtig betrachtet, war die sogenannte entwickelte, westliche Welt in ihren gesellschaftspolitischen Konzepten schon einmal wesentlich fortschrittlicher als heute. Wir erleben eine Rückkehr der Religionen, das Berufen auf konservative Wertvorstellungen. Einen Rückfall in trennende Nationalismen und die Forderung nach Protektionismus, beides nachgewiesene Brandbeschleuniger für die Kriegskatastrophen des letzten Jahrhunderts. Es will aber keiner hören und man betont immer wieder, dass die Welt schließlich dazu gelernt hätte. Lasst es uns also hoffen.
Genaugenommen klingt es ja tatsächlich wie eine Geschichte aus tausend und einer Nacht. Etwa ein halbes Jahrhundert ist das jetzt her, da saßen wir als Lehrlinge und Studenten, junge Frauen und Männer in verrauchten Lokalen zusammen und diskutierten über eine Zukunft, in der alle Religionen, alle Nationalitäten und Hautfarben, wie auch die sexuelle Orientierung so ziemlich egal waren.
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.
Das ist der uns allen bekannte Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UN Resolution 217 A vom 10. 12. 1948) Insgesamt 30 Artikel, die ursprünglich rechtlich nicht bindend waren, aber inzwischen von fast allen Mitgliedsländern der UNO in ihre staatliche Gesetzgebung aufgenommen wurden.
Ich frage mich heute, was soll daran falsch gewesen sein? Was davon ist nicht verständlich? Und wie kann es sein, dass heute darüber diskutiert wird, diese grundlegenden Rechte, nicht allen, sondern nur einem Teil der Menschen zugestehen zu wollen? - Allgemeine Menschenrechte, die nur einem Teil zugestanden werden, sind eben dann keine „allgemeinen Menschenrechte“ mehr.
Wobei ich doch sehr hoffe, dass die in den demokratischen Ländern abgegebene Verpflichtung zur Einhaltung dieser Rechte, noch immer unzweifelhaft gilt und darüber nicht diskutiert werden muss.
Ich bin gelegentlich mit dem Vorwurf konfrontiert, dass meine Generation einem Traum aufgesessen ist, dass wir weltfremd, intellektuell abgehoben und bekifft waren und inzwischen etabliert und arrogant geworden sind, weil wir immer noch daran glauben, dass diese Rechte für alle gelten können, während die angebliche Realität ganz anders aussieht.
Dazu kann ich nur sagen, dass auch wir nicht daran glaubten, dass diese Vorstellungen „auf Knopfdruck“ in die Tat umgesetzt werden können. Es waren Zielvorstellungen, die da und dort weit über die realen Verhältnisse hinausreichten. Es war ein Arbeitsprogramm, das Schritt für Schritt umgesetzt und Wirklichkeit werden sollte. Niemand hat je behauptet, dass es keine Widerstände dagegen geben würde. Die Frage ist doch, wer diesen Widerstand leistet und wer davon profitiert, wenn solche Idealvorstellungen kritisiert, abgelehnt und hintertrieben werden?
In Bezug auf den oben erwähnten, notwendigen Wandel in vielen gesellschaftlichen, technischen und rechtlichen Bereichen unserer Welt, kann ich nur hoffen, dass die Auseinandersetzungen darüber ehrlich und offen geführt werden. Was dabei aber nicht vergessen werden sollte, ist die Tatsache, dass wir uns bereits über die Grundlagen dieser Veränderungen einig waren. Dass wir den 200 Jahre alten und wenig verwirklichten Werten der Aufklärung verpflichtet sind, aus denen letztlich auch diese Allgemeine Erklärung der Menschenrechte resultiert und alle diejenigen, die Staaten und Gemeinschaften hinter diese gesetzten Markierungen zurück führen möchten, als rückschrittlich zu gelten haben.
Was ist daran nicht zu verstehen?
Da mag es vielleicht egal sein, ob Politiker sich als Rechte oder Linke bezeichnen, aber an ihrem Umgang mit diesen grundlegenden gesellschaftlichen Vereinbarungen sollten wir sie schon messen dürfen. Mühevoll etablierte demokratische Spielregeln mit taktischem Geschick auszuhebeln und außer Kraft zu setzen, sollte von uns nicht bejubelt, sondern als unerlaubtes Foul gewertet werden, für das es die „rote Karte“ gibt.
Sowohl in Österreich, als auch in Deutschland, beginnt der Wahlkampf für bevorstehende Wahlen längst seine Spuren zu ziehen. Die politischen Auseinandersetzungen werden an Schärfe zunehmen und die Wähler werden eine Entscheidung zu treffen haben. Im Hinblick darauf, dass weder die weltweiten Probleme, noch die Europas oder die unserer Länder einfacher werden, rate ich, genau zu beobachten, wem man die Führung für die nächsten Jahre anvertrauen kann.
Wobei ich persönlich hoffe, dass man in Europa gerade begreift, was mit dem Herbeiwählen von Änderungen „um der Änderung willen“ bewirkt werden kann.