Grenzzaun g.novak
Vor einiger Zeit habe ich hier geschrieben, dass ich die hysterischen Ängste der Menschen nicht wirklich verstehen würde, weil ich weder eine unmittelbare Bedrohung durch islamistischen Terror, noch die Gefahren plötzlicher Hungersnot wegen Zuwanderung von weniger als 1 Prozent der Bevölkerung erkenne und jedenfalls keinen plausiblen Grund sehe, einer zutiefst fragwürdigen Partei, die Macht in unserem Staat anzuvertrauen.
Die dadurch ausgelösten Diskussionen, sowohl hier auf f+f, als auch im vertrauten Kreis interessierter Bekannter, haben meinen Blickwinkel dann doch ein wenig verschoben.
„Der Grund für das einigermaßen aus dem Ruder laufende Wahlverhalten in Österreich und weiten Teilen Europas ist nicht wirklich die Angst vor der beschworenen Katastrophe, sondern die Tatsache, dass die bisherigen Regierungen jegliches Vertrauen, warum auch immer, verspielt haben und mehr als 1/3 der Wähler einfach „angefressen“ sind.“ So lautete die Diagnose eines Freundes, der zumindest bisher die Lage immer gut eingeschätzt hat.
Ich nehme also zur Kenntnis: Es ist nicht die Angst, sondern der wütende Wille einer, sich als wehrlos empfindenden, Wählerschicht, irgendetwas zu verändern – und wenn sich sonst nix ändern lässt, dann eben mit der zugegebenermaßen fragwürdigen FPÖ.
Und ich höre immer öfter die Meinung, dass sich aus diesen Gründen ein politischer Rechtsruck nicht mehr verhindern lassen wird. Hofer in der Hofburg und/oder Strache als Bundeskanzler. Wobei mich, angesichts solcher Aussichten, ein Wahlsieg Hofers weniger stören würde, als eine Regierung unter der Führung von H.C.Strache und die Gefahr groß ist, dass der gefühlte Volkszorn ausreicht, um uns beide Schreckgespenster zu bescheren. Dann kontrolliert der treue Parteisoldat Hofer seinen, von Herbert Kickl gesteuerten, Mentor Strache, der schon als relativer Wahlsieger die Chance erhalten wird, zum Regierungschef gekürt zu werden und alle Mahnungen und verzweifelten Aufrufe zu einem letzten Rest von Vernunft werden im Machttaumel populistischer Heilsversprechen verhallen.
Mit Ausnahme der eingeschworenen Befürworter hier auf f+f kenne ich persönlich niemanden, der einer solchen Konstellation zutraut, irgendeines der anstehenden Probleme tatsächlich lösen zu können. Dauerhafte Vollzeitarbeitsplätze sind mit den Sozialdumpingkonzepten von FPÖ und ÖVP nicht zu schaffen, die von diesen vorgeschlagenen Lösungen des Flüchtlingsproblems beruhen so gut wie alle auf einer vollständigen oder teilwiesen Missachtung der Flüchtlingskonventionen und Menschenrechte, deren Aufgeben auch bei der ansässigen Bevölkerung alle Alarmglocken zum Läuten bringen sollte, das vielgepriesene Zurückschrauben der sozialen Standards wird gerade jene Wählerschicht treffen, die im Moment noch so lautstark gegen Sozialschmarotzer zu Felde zieht und der mir unverständliche Kampf gegen die vermuteten Eliten, wird rasch erkennen, dass ein Staat ohne Eliten nicht konkurrenzfähig bleiben kann.
Natürlich habe auch ich die Hoffnung, dass es vielleicht eh nicht so schlimm kommen wird. Natürlich traue ich unserem Österreich zu, dass wir diese offensichtlich unvermeidbare Phase politischer Trotz- und Rachefeldzüge mit einem blauen (!) Auge überstehen können, weil wir ja auch das letzte diesbezügliche Abenteuer, das nun etwa 15 Jahre zurückliegt, halbwegs heil überstanden haben. (Auch wenn diverse Strafverfahren aus dieser Zeit noch nicht verhandelt wurden.)
Wenn ich mich nicht täusche, dann ist das Gefühl der unmittelbaren Bedrohung im Moment ein bisschen abgeschwächt. Die vielgeschmähte Willkommenskultur ist inzwischen Geschichte, die Zäune an den europäischen Grenzen sind nolens volens hochgezogen und werden laufend verstärkt, die Flüchtlinge haben uns nicht wie Heuschrecken überfallen und aufgefressen und wir alle beginnen zu begreifen, dass wir, die wohlhabenden Staaten, den Ärmsten der Armen in ihren Heimatländern helfen müssen, um sie vor einer Massenflucht abzuhalten.
Vielleicht wäre jetzt, in dieser scheinbaren Atempause, der geeignete Zeitpunkt, darüber nachzudenken, ob wir mit populistischen Radikalkonzepten wirklich all das aufs Spiel setzen sollten, was uns bisher zu Sicherheit und Wohlstand verholfen hat und ob es wirklich notwendig ist, das Ziel einer offenen Gesellschaft durch fragwürdige Heilslehren zu ersetzen.