Nationalratswahl - und allen ist alles egal

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Diesen Eindruck bekommt man, wenn man den als schmutzig vorausgesagten Wahlkampf beobachtet. Endlich ist jener Zustand erreicht, den sich alle Populisten so innig herbeigesehnt haben. Rechts und Links spielen keine Rolle, weil inzwischen alle Parteien im rechten Teil des politischen Feldes versammelt sind. „Ich habe nichts gegen Fremde, aber…“ Dieser Satz ist in jeder Diskussion mehrmals zu hören und dabei sind sich alle einig, dass das Boot nun endgültig voll ist.

OK, die regierende Koalition konnte nicht mehr miteinander arbeiten, aber bevor die Regierungszusammenarbeit beendet wurde, hatte Sebastian Kurz, offenbar von langer Hand geplant und gemeinsam mit anderen Intriganten, seinen eigenen Parteiobmann gestürzt und sich mit Vollmachten ausstatten lassen, die eigentlich einer Entmachtung des ÖVP-Parteivorstandes gleichkamen. Dass an diesen Putschvorbereitungen nicht nur die bewährten Intriganten der Partei, sondern auch Beamte seines Ministeriums widerrechtlich mitgearbeitet haben, wurde nie bestritten und wird in unserem Land als alltägliche Praxis hingenommen.

Wer sich darüber wundert, dass der neue Wunderwuzzi der türkisen Bewegung von Presseangriffen trotzdem weitgehend verschont bleibt, sollte sich die Medienmacht von Raiffeisen vor Augen führen, die etwa auf der angegebenen Seite übersichtlich dargestellt ist und neben anderen Mediaprint, Kurier, Krone, News, Trend und Profil umfasst. http://schwarzbuchoevp.at/raiffeisens-medienmacht/

Tatsache ist, dass im Verlaufe dieses Wahlkampfes alle politischen Parteien sehr deutlich nach rechts gerutscht sind, was der FPÖ die paradoxe Chance einräumt, die politische Mitte für sich zu beanspruchen und zu ihren Schwesterparteien, der AfD, UKIP, Wilders oder Frau Le Pen auf noble Distanz zu gehen. Rechts außen hat Sebastian Kurz seine türkise Bewegung positioniert, die von den ÖVP-Bünden und deren mächtigen Vertretern angeblich nichts mehr wissen möchte. Dass damit einige neue Wähler gewonnen werden können, steht außer Zweifel. Ob allerdings die bisherigen Gefolgsleute mit dem neuen autokratischen Führungsstil zurechtkommen, werden wir nach dem Wahltag erfahren.

Die Grünen haben das Kunststück fertiggebracht, sich schon vor der Wahl, ohne jedes Zutun von außen, selbst zu zerfleischen und ihr bestes Pferd samt Parteijugend aus dem Stall zu drängen. Ob die seltsame Truppe der Weißen am Wahltag die Wahrnehmungsschwelle überschreiten kann, darf gelassen abgewartet werden und von der Liste „Gilt“ des Herrn Düringer erwarte ich ähnliches. Diese antretenden Klein- und Kleinstparteien wollen auch nicht mehr Parteien genannt werden, verzichten auf Programme (…unsere Namen sind Programm…) und sind offenbar nur vom innigen Wunsch getrieben, demnächst im Nationalrat zu sitzen und dort knapp 9.000 Euro nebst üppigen Spesen zu kassieren.

In diese wahrlich triste Situation von schöngefärbten und reichlich verlogenen TV-Diskussionen („Jeder gegen jeden“ und das auf allen österreichischen Kanälen) platzte dann der hochgepuschte „Skandal Silberstein“. Dabei ging es um bis dahin kaum beachtete FB-Seiten, die eigentlich von allen Usern für das Machwerk von FPÖ-Anhängern gehalten wurden und sich plötzlich als Dirty Campaigning eines in Israel verhafteten PR-Agenten herausstellten.

Inzwischen wissen wir, dass der dubiose Herr Silberstein zu allen Parteizentralen leidlich gute Kontakte unterhielt und hier im Lande ein veritables Netzwerk von Zuträgern und Maulwürfen unterhielt, die auch nach seiner formellen Kündigung, im August des Jahres, munter weiter aktiv waren.

Geschadet hat die Affäre in erster Linie der SPÖ, die als einzige Partei auch notwendige Konsequenzen gezogen hat, worüber sich alle anderen Wahlwerber genüsslich die Hände gerieben haben, weil ihnen damit die paradoxe Chance geboten wurde, sich selber als Saubermänner darzustellen. Mit einem Mal war vergessen, dass die FPÖ als bisher unangefochtener Meister des Dirty Campaigning kaum eine Chance ausgelassen hatte, Mitbewerber in reichlich undurchsichtigen FB-Seiten zu diffamieren, und Meldungen zu lancieren die ihr grässliches Weltbild untermauern sollten. Niemand redet seither über die dubiosen Machenschaften mit denen sich der türkise Wunderwuzzi an die Spitze der ÖVP geputscht hatte und die Tatsache, dass auf seiner Homepage nachweislich schöngefärbte Statistiken verbreitet wurden. Die NEOS hatten sogar vergessen, dass Herr Silberstein auch auf ihrer Payroll gestanden ist. Und alle miteinander freuen sich darüber, dass man endlich nicht mehr über die anstehenden Probleme des Landes diskutieren muss, sondern sich genüsslich dem Thema Silberstein und dem Wahlkampf-Stil der SPÖ widmen kann.

Egal, was wir noch über diese Causa-Prima des österreichischen Wahlkampfes, vor oder nach der Wahl, erfahren werden – der Schaden für unser politisches System ist längst angerichtet und er ist beachtlich.

Die Wähler sind sich inzwischen ziemlich sicher, dass alle Parteien tiefer im Sumpf verstrickt sind, als sie zugeben wollen, und Ehrlichkeit eine Kategorie ist, die von Politikern offensichtlich nicht zu erwarten ist. Genau das entspricht dem Credo aller populistischen Politiker, weil damit alle Bewerber gleichermaßen unglaubwürdig geworden sind und es scheinbar völlig egal ist, wer dieses Land in den kommenden Jahren regieren wird. Wahlkampf als Parade von halblustigen Faschingsprinzen, die krampfhaft bemüht sind, ihre Wähler zum Narren zu machen.

Viel Zeit, darüber nachzudenken bleibt nicht mehr, aber ich glaube, diese Wahl ist zu wichtig, um das Ergebnis einem launigen Zufall zu überlassen. Vielleicht sollte man sich anschauen, was die Parteien bisher gesagt und gemacht haben. Welche Vorstellungen sie von der längst überfälligen Verwaltungsreform, von Pensionsregelungen, Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung, zur EU, zu Klima und Umwelt und anderen wichtigen Fragen haben.

Die Problematik der Zuwanderung ist zweifellos ein wichtiges Thema, aber die Lösung kann nicht von Österreich und schon gar nicht von unserem machthungrigen Noch-Außenminister erhofft werden, der verbissen darauf beharrt, die Westbalkanroute im Alleingang geschlossen zu haben und zu allen anderen Themen nur Worthülsen bereit hat. Ebenso sollten wir darüber nachdenken, ob uns der Überwachungsstaat gefallen würde, der dem Noch-Innenminister als Ideal gilt. Vielleicht interessieren uns doch eher die Arbeitsplätze und Mieten im eigenen Land und die Fragen gerechter Entlohnung, sowie Pensionen von denen die Menschen auch leben können. Vielleicht fragen wir uns vor der Wahl doch noch ernsthaft, wem wir am ehesten zutrauen, dieses Land in eine gute Zukunft zu führen.

Wobei ich eigentlich davon ausgehe, dass diese Wahl schon entschieden ist und ich hier niemanden überzeugen kann, seine Meinung noch zu ändern – Aber gesagt wollt ich´s haben.

g.novak

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