g. novak

Die politische Unterscheidung zwischen rechts und links ist tatsächlich nicht mehr zeitgemäß. Die Grenzen verschwimmen und immer mehr junge Wähler fragen sich, was damit eigentlich gemeint sei.

Wir erleben, dass sich linke Politiker dem Kapital anbiedern und ihre traditionelle, eigentliche Klientel, die arbeitenden, lohnabhängigen Bürger dabei geflissentlich übersehen, weil sie sich längst selber als die Reichen und Schönen betrachten und sich in deren Dunstkreis wohl eingerichtet haben. Was soll ein Wähler denken, wenn sich der sozialistischer Kanzler Gusenbauer nach seinem Rücktritt in den Dienst diverser Großkapitalisten stellt und zum Berater von Machthabern wird? (lt. Wikipedia etwa Nasarbajew, kasachischer Präsident, das umstrittene Rosia Montana Gold Projekt in Rumänien vertritt, Europa-Direktor des chilenischen Investmentfonds wird…) Ähnliche Fragen könnte man an Viktor Klima, den deutschen Ex-Kanzler Schröder und noch viele mehr stellen. "Wasser predigen und Wein trinken". Dieser Eindruck lässt sich nur schwer wegwischen. Und SPÖ und SPD sollten sich da nicht wundern, wenn sie Wähler verlieren. Was ist daran nicht zu verstehen?

Wir erleben rechte Politiker, die sich der einst linken Supermacht Russland vor die Füße werfen, weil sie glauben, von dort ihre Wahlkämpfe finanziert zu bekommen (etwa die FPÖ, die einen Fünf-Jahresvertrag mit der Kreml-Partei abschließt oder Le Pen, die sich von Putin einen Kredit organisiert und Trump, der sich beständig gegen den Verdacht wehren muss, vom Kreml Wahlzuwendungen erhalten zu haben.) Die Erklärungen die zu alle dem geliefert werden, bleiben verwaschen und unglaubwürdig. Jedenfalls passen sie in kein Parteiprogramm und daher fragen sich immer mehr Wähler, ob man überhaupt noch jemandem glauben kann.

Die sogenannte Nazikeule, die zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit geschwungen wird, beginnt fast 75 Jahre nach Kriegsende ihre einst niederschmetternde Wirkung zu verlieren, weil die jungen Wähler sich immer weniger mit den Ursachen und Wirkungen der Machtergreifung von Adolf Hitler und dem unsagbaren Elend das dieser Zeit folgte, auseinander setzen wollen und mangels vorhandener Zeitzeugen auch immer weniger können. Viel zu vieles von dem, was in den Kriegskatastrophen des vorigen Jahrhunderts abgelaufen ist, wird heute ideologisch gefärbt dargestellt und ist für Menschen, die sich nicht einmal mehr an die Berliner Mauer erinnern können und im friedlichen Wohlstandseuropa aufgewachsen sind, emotional kaum mehr zu begreifen – geschweige denn, dass es Angst macht. Selbstverständlich will niemand einen Krieg, oder einen Bürgerkrieg, aber alles was möglicherweise dazu führt, löst kaum mehr Alarmreaktionen aus, weil das Sensorium für die „Zeichen an der Wand“ offenbar abhandengekommen ist.

In Österreich feiert man in diesen Tagen gerade „100 Jahre Frauenwahlrecht“. Ein Recht, das nicht nur, aber doch hauptsächlich von links orientierten Frauen und Männern erkämpft wurde. So ähnlich verhielt es sich mit den meisten demokratischen Rechten der Arbeiter und Angestellten. Wenn wir uns heute an der Arbeitszeitbegrenzung, den Urlaubsansprüchen, den gratis Schulbüchern und Kinderzuschüssen erfreuen, denken die wenigsten Menschen noch darüber nach, dass solche Ansprüche meist gegen den Willen der Unternehmerseite durchgesetzt wurden. Die grobe Unterscheidung zwischen rechter und linker Politik lautete Jahrzehnte lang: Linke Politik schützt die Arbeiter, rechte Politik vertritt die Interessen der Landwirte und des Kapitals.

Aber das war vor langer Zeit!

Hätte eine solch grobe Vereinfachung ihre Glaubwürdigkeit behalten, wären Parteien des rechtskonservativen Spektrums nie zu parlamentarischen Mehrheiten gekommen, weil ihre Klientel zahlenmäßig im Schwinden war. Also bewarb man mit bescheidenen Erfolgen und zunächst halbherzig auch die städtische Arbeiterschaft (Kurz schafft mit seinem Geil-o-Mobil Wahlkampf in Wien ca. 13 %). Vor allem aber redet man den Wählern ein, dass es zwischen rechten und linken Parteien eigentlich keinen Unterschied mehr gäbe. Was aufgrund diverser Skandale bereitwillig geglaubt wird.

„Dankbarkeit ist keine politische Kategorie.“ Hatte Bruno Kreisky gemeint und tatsächlich kann eine Partei sich nicht für alle Zeiten auf das berufen, was sie einst für die Bürger eines Landes getan hat. Zudem ist das politische Gedächtnis der Wähler nicht besonders ausgeprägt.

Wolfgang Schüssel, der vor der Wahl gesagt hatte, dass er als Dritter in die Opposition gehen wolle, bescherte dem Land die erste schwarz/blaue Koalition und löste damit nicht nur europaweite Kritik und Empörung aus. Er vollzog eine Pensionsreform und empfahl den Österreichern eine private Pensionsvorsorge, die sich viele nicht leisten konnten und einem großen Teil derer die daran glaubten, erhebliche Verluste einbrachte. Er senkte die Körperschaftssteuer, privatisierte Teile des öffentlichen Dienstes und der staatlichen Industrie, führte Studiengebühren ein und huldigte dem Slogan: „Weniger Staat – mehr Privat“ zu einem Zeitpunkt, als diese neoliberale Devise schon von fast allen europäischen Staaten in Frage gestellt wurde. Nach verlorener Wahl trat er 2007 als ÖVP-Obmann zurück und blieb Nationalratsabgeordneter, bis er sein Mandat im Zuge der Telekom-Affäre 2011, fast freiwillig, niederlegte. Heute ist er nach Zeitungsberichten im Aufsichtsrat des größten russischen Telekom-Konzerns.

Auf Anfrage eines Reporters hat der Kanzler damals gemeint: „Wir haben den Wählern vor der Wahl gesagt, dass wir rechte Politik machen werden. Dafür wurden wir gewählt. Es muss sich also niemand wundern.“

Sebastian Kurz und H.C. Strache beantworten diesbezügliche Fragen mit ganz ähnlichen Worten. Ein Blick in die Zeitungen zeigt immer deutlicher, dass Politik gegenwärtig für die Konzerne und gegen die sog. Kleinen Leute gemacht wird. Der Finanzminister stellt öffentlich die Pensionen in Frage und rät zu privater Vorsorge (was auch Schüssel probiert hat.) Mindestsicherung und Notstandshilfe werden verschärft (mit der unrichtigen Ausrede, dass es nur Migranten treffen würde) Die Sozialministerin meint, dass man mit 150 Euro gut leben kann. Der hoch gepriesene Familienbonus begünstigt die besser Verdienenden. Die Krankenversicherungen werden umgebaut, um die Chefetagen umzufärben. Die Nationalbank erhält einen zusätzlichen Direktor um die Stimmanteile zu verschieben. Die persönlichen Ausgaben von Kanzler und Vizekanzler werden drastisch nach oben korrigiert…

Es wird also gerade wieder rechte Politik gemacht, weil die Regierung ja dafür gewählt wurde. Die vorgeschobene Ausrede dafür sind Flüchtlingsströme, die im Moment jedenfalls nicht mehr bis zu uns kommen – und dafür ist nicht die Schließung der Balkanroute verantwortlich, sondern Abkommen an denen unser Kanzler nicht wirklich beteiligt war.

Richtig ist, dass die Wähler den alten Parteienfilz satt hatten und einmal was „Neues“ probieren wollten. Dass diese Neuen nicht besser, sondern nur „rechter“ sind, scheint bisher kaum jemanden zu stören. Was nämlich wirklich besser funktioniert als in den Vorgänger-Regierungen ist die „Message Control“. Die Medien die hier als Korrektiv funktionieren könnten sind längst mittels Werbeetats und Fördermitteln zum Stillschweigen verurteilt und die Opposition… ja, die zerfleischt sich an den wenigen Futtertrögen, die ihr noch geblieben sind. „…tu felix austria…“

Ich frage mich, wann die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zu einem Ergebnis kommen und ob sie das überhaupt jemals tun werden. (BVT, Eurofighter…) Wann in den Prozessen um die Telekom-Affäre, oder die Hypo-Alpe-Adria endlich Urteile gesprochen werden und die Geldflüsse offen gelegt werden…

Vielleicht wird es einmal eine Partei geben, deren Funktionäre ehrlich ihre eigene Meinung vertreten, keine „Nebeneinkünfte“ brauchen, die ein Vielfaches über dem eines ohnedies gut bezahlten Abgeordneten liegen, die nicht in gepanzerten Luxuslimousinen fahren müssen, die nicht in die Opernball-Logen des Großkapitals eingeladen werden wollen… Vielleicht hätte das Volk dann wieder das Gefühl, von Leuten vertreten zu sein, die ihre Probleme noch verstehen.

Die wenigen Reichen können die immer mehr werdenden Armen nur ausbeuten, solange die sich das gefallen lassen.

Sie meinen, das seien nur Sozialutopien? Kann sein, aber genau solche brauchen wir. Das Gegenteil davon wären wohl reaktionäre Utopien, oder dystopische Gesellschaftsentwürfe mit repressiver sozialer Kontrolle und diktatorischer Herrschaft, die man sich eigentlich nicht wirklich ausmalen will. Daher ist es vielleicht doch nicht egal, welche Träume wir von unserer Zukunft haben und ob es rechte oder linke Politik ist, die unser Leben beeinflusst.

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