In Österreich, dieser verträumten Insel der Seligen, wurde Jahrzehnte lang nicht über Politik gesprochen. Ja, beim Heurigen, in weinseliger Stimmung, ein bisserl über die Politiker geschimpft und im privaten Kreis, sozusagen hinter vorgehaltener Hand. Da wurde vielleicht auch zugegeben, dass man ein Parteibuch hatte, oder vielleicht auch, dass man eben keines hatte, obwohl man den Job oder die Wohnung bekam.

Es gibt und gab jedenfalls keine Streitkultur, keine offene politische Auseinandersetzung. Weil es sich nicht geziemte über Politik zu reden. „Fang nicht wieder mit der Politik an.“ Wurde der Partner ermahnt, bevor man bei der Geburtstagsfeier angekommen ist. Man rechnete fix damit, dass politische Diskussionen zu Zank und Hader ausarteten.

Warum dies in Österreich so ausgeprägt ist, weiß ich nicht, aber ich glaube, dass eine der Ursachen in der Nachkriegszeit, vielleicht sogar in den dunklen Jahren davor, zu suchen ist. Viele in diesem Land hatten aufs falsche Pferd gesetzt. Man hatte Kriegsanleihen gezeichnet, oder einen Volkswagensparvertrag abgeschlossen und das war jetzt, nach dem verlorenen Krieg, alles Altpapier. In so gut wie jeder Familie gab es Tote zu beklagen, die Häuser waren zerbombt, Karrieren und Hoffnungen zerstört und man konnte nicht einmal öffentlich darüber klagen, weil man ja zur Kenntnis nehmen musste, dass man einem Unrechtsregime auf den Leim gegangen war.

Für die Generation der Eltern und Großeltern ganz sicher keine leicht zu verdauende Erkenntnis. Man hatte nicht nur den Krieg verloren, sondern es wurde auch noch der Vorwurf erhoben, viele seien in der einen oder anderen Form mitschuldig gewesen.

Ich glaube, man kann behaupten, dass sich der Staat über Jahrzehnte um eine gültige Antwort gedrückt hat und ganz ähnlich haben sich die Lehrer in den Schulen, die Priester in den Kirchen und auch die Eltern verhalten. „Am besten, nix darüber reden.“ So lautete die gängige Devise.

Die damaligen politischen Parteien, die heutigen Altparteien, hatten gemeinsam eine satte parlamentarische Mehrheit. Jahrzehnte lang berief man sich auf die Mitwirkung am Staatsvertrag und auf die Verdienste am Wiederaufbau. Die Wähler waren mit Parteibuch gebunden und jedermann wusste, dass man für bestimmte Posten eine bestimmte Couleur benötigte. Wozu also sollte man die Kultur politischer Diskussion pflegen? Es lief ja alles wie geschmiert.

Diese Zeiten sind vorbei. Die Posten- und Wohnungsvergabe durch die Parteizentralen sind zumindest eingedämmt, junge Wähler haben kaum politischen Präferenzen und diskutieren längst nicht mehr über rechte oder linke Politik. Teilweise auch deshalb, weil sie nicht mehr bereit sind, sich für eine Partei oder irgendwelche Werte zu engagieren, weil sie enttäuscht und belogen wurden, weil die Welt so entsetzlich unübersichtlich geworden ist und Entscheidungen noch immer von den Alten getroffen werden.

Zeit genug und Platz genug, dass in dieses Vakuum nicht vorhandener oder zumindest nicht diskutierter, oder gar gelebter Werte, Parteien vorstoßen die wieder eine Ideologie anbieten. Die lautstark verkünden, wieder Halt und Führung bieten zu wollen und weil sie nichts Neues anzubieten haben, greifen sie ungeniert und rotzfrech auf eine Ideologie zurück, die wir alle schon überwunden glaubten.

Bodenständig und heimatverschworen, fremdenfeindlich, aber auch gegen die eigene Hochkultur und alles was elitär anmutet. Hemdsärmelig in deftiger Sprache, wenn’s sein muss, beleidigend, diffamierend – Hauptsache siegreich. Und schon wird wieder für das Vaterland gekämpft (zwar nur verbal und nur am Papier, aber eben doch.) Und schon werden wieder Menschen angepöbelt (Fremde und Einheimische – weils wieder erlaubt ist, seine eingebildete Überlegenheit zur Schau zu tragen.)

Die Argumente mit der offenen Gesellschaft ziehen nicht mehr (was soll das sein?) Die Aufklärung und der Traum von der Befreiung des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit, waren scheinbar ein Irrtum. Lernen aus der Geschichte ist viel zu mühsam und bringt immer wieder dieselben Themen aufs Tableau. Die Wirtschaft ist gegen die Menschen verschworen und will nur deren Versklavung. Alles was einmal mit „wir“ umschrieben wurde, zerbröselt in skrupellose Egoismen.

Sie meinen, das Bild sei zu negativ gezeichnet? Na wollen wir’s hoffen.

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