Ja, wir sind mit Nachrichten überflutet und die meisten dieser Meldungen sind schlecht, handeln von Katastrophen, Mordfällen, Diebstahl, Betrug…(Sie wissen: Bad news are good news!)… Gottseidank widerfährt uns das nicht alles selber. Aber wir lesen davon. Während wir auf der Terrasse sitzen und unseren Kaffee trinken, vielleicht ein Stück Kuchen essen, lesen wir die Zeitung, hören wir Radio oder haben den Fernseher an und laden den Schrecken der Welt zu uns ein. Auf die Frage, ob jemand auch persönlich schon schlechte Erfahrungen gemacht habe, ob er Opfer eines Einbruchs oder einer Anpöbelung durch Flüchtlinge wurde, antworten fast alle mit: „Nein, aber gelesen haben wir davon und im Fernsehen wird andauernd darüber geredet. Und dem Freund eines Freundes, dem ist schon was passiert…“
Je schlechter die Qualität der Zeitung, desto aufgebauschter sind solche Meldungen, je einfältiger der Leser, desto mehr hält er die Berichte für eine objektive Darstellung unserer Welt. Und selbst in anerkannten Qualitätsmedien liegt die Sensation beim Scheitern von Ideen und Vorhaben. Das alltägliche Gelingen findet unbeachtet statt und ist zumeist keine Schlagzeile wert. Populistische Parteien und Gruppierungen setzen sich genau auf diesen Trend drauf. Sie gewinnen ja durch die allgemeine Verunsicherung der Menschen, sie versprechen ja, alles ändern, alles besser machen zu wollen.
Stellen sie sich einen Moment lang vor, dass sie sich eine Limonade machen wollen. Sie nehmen eine Zitrone und schneiden sie auf, um ihren Saft auszupressen. Dabei tropft ihnen versehentlich der Saft der Zitrone auf ihren Finger, den sie spontan zum Mund führen und kosten. Sie spüren den erwartet, sauren Geschmack.
Vielleicht ist ihnen ähnliches schon passiert. Vielleicht haben sie sich beim Lesen daran erinnert und den Geschmack der Zitrone nachempfunden. Möglicherweise haben sie auf das Bild in ihrem Kopf reagiert. Ihre Mundschleimhaut hat sich zusammengezogen, hat Speichel produziert… ganz so, als ob sie den Zitronensaft im Mund gehabt hätten.
So funktioniert unsere Wahrnehmung. Es genügt, unsere Phantasie anzuregen, um echte, körperliche Reaktionen auszulösen. Und ähnliches geschieht beim Lesen jeder negativen Meldung in unserem Körper. Unser limbisches System reagiert, schüttet Endorphine aus und beeinflusst mit jedem Gedanken auch unseren Körper. Wir spüren den Ärger, die Trauer, die Hilflosigkeit die solche Meldungen verursachen, auch dann, wenn wir uns dieser Wirkung nur selten bewusst sind. Wir empfinden echte Angst, echte Bedrohung durch Nachrichten von Geldentwertung, Abschaffung des Geldes, Kriegsgefahr, Lohnkürzungen, Streichen von Zuschüssen, fremdsprachige Schulkinder, Zunahme des Drogenhandels, Eindringen von billigen Arbeitskräften und Jobverlust.
Dieses Bombardement mit schlechten, beängstigenden Nachrichten hat aber noch einen anderen Effekt. Das Gelesene nistet sich in uns fest, als hätten wir all das selber erlebt und erfahren und deshalb beginnen wir die Welt um uns herum so zu sehen, wie es in den Medien beschrieben wird. Tausende arme Flüchtlinge, die von uns Quartier wollen, die Frauen bedrängen und Bomben am Gürtel tragen. Auch dann, wenn wir persönlich noch keinen einzigen Flüchtling getroffen oder mit ihm geredet haben.
Auch aus diesem banalen Grund, nämlich dem, dass wir all unsere Wahrnehmung nur gefiltert durch unser limbisches System, also unsere Emotionen, aufnehmen können und diese emotionalen Empfindungen durch die auf uns einstürmenden Bilder und Texte so leicht beeinflusst werden können, sollten wir darauf achten, welchen Meldungen wir wieviel Gewicht geben und wie sehr wir zulassen, dass sie unser Leben beeinflussen.
G. Novak