Gleich vorweg: ich halte das Ausmaß des allumfassenden Populismus, der inzwischen, wie ein Schleimmonster aus einem Horrorfilm weite Teile der Gesellschaft durchdrungen hat, für brandgefährlich im wahrsten Sinn des Wortes. Und immer wieder stellen schlichte Gemüter die Frage: „Was ist denn so schlecht daran, wenn politische Parteien endlich das posaunen, was das Volk denkt?“

Nun, erst einmal glaube ich nicht daran, dass die Parolen von Trump, Petri, Wilders, Farage, Le Pen und Strache die originale Meinung der Bevölkerung widergeben. Vielmehr bündeln sie ein indifferentes Unbehagen, kreieren Schlachtrufe und schüren Hass gegen ominöse Obere, gegen Fremde und alle jene, die ihren Parolen reserviert gegenüberstehen. Die dabei angewandten Propagandatricks entstammen in erschreckender Deutlichkeit der Mottenkiste nationalsozialistischen Gedankengutes und zwar so sehr, dass ich noch vor wenigen Jahren dagegen gewettet hätte, dass dies in Ländern möglich ist, die unter dem Joch verbrecherischer Diktatoren gelitten haben. Offenbar haben weite Bevölkerungskreise so gut wie nichts aus der Geschichte gelernt.

Fast noch schlimmer als die Tatsache, dass rechte und linke Politiker glauben, sich

populistischer Methoden bedienen zu müssen, weil sie nur damit eine Chance hätten, im Wettrennen um die Macht bestehen zu können, ist ja der Umstand, dass auch im Alltag nur noch gesagt wird, wovon man glaubt, dass es der andere hören will. Eine Gesellschaft, die hören will, was sie schon immer wusste und in diesem Sinne verhalten wir uns auch als Konsumenten und Kunden. Zum Beispiel von Tageszeitungen, die ihre Auflagen steigern indem sie das schreiben, was ihre Leser lesen möchten. Wir bedienen uns des Internet, dessen Suchmaschinen uns mit aufwendigen Algorithmen jene Seiten auf den Schirm zaubern, die zu unseren automatisch angelegten Userprofilen passen, wodurch die inzwischen diskutierten „Echoglocken“ entstehen, aus denen wir vermeintliche Objektivität schöpfen. Auch das öffentlich rechtliche Fernsehen ist im Quotenkampf mit privaten Sendern, die mit seichtester Unterhaltung Kunden ködern. Inzwischen buhlen auch Schulen um Beliebtheitswerte und verfallen dem Irrtum, dass die Aufforderung zum Lernen, oder gar zum selbständigen Denken ihre Kundschaft verschrecken könnte. Die Gesellschaft nennt es Toleranz und alle Kleingeister, die nicht gelernt haben, sich mit einem Thema kritisch auseinander zu setzen, gehen den Weg des geringsten Widerstandes, stimmen vordergründig zu, schlucken ihren Frust missmutig runter und wählen dann trotzdem diejenigen, die ihnen nach dem Mund reden und ihren Missmut benennen.

Ich weiß nicht, ob ich meine Bedenken verständlich ausgedrückt habe. Wenn sie aber zustimmen, dass eine geradezu krankhafte Sucht nach Popularität und einfachen Antworten, uns letztlich nur noch Politiker wie Trump, Le Pen und Strache beschert, dann sollten wir uns dazu durchringen, wieder mehr Vernunft ins Spiel zu bringen. Wir sollten wieder lernen, uns mit Argumenten, so gut es geht, sachlich auseinander zu setzen und Kultur und Bildung nicht als Behinderung empfinden.

Natürlich läuft in unserer Gesellschaft nicht alles so wie wir das wünschen und es gibt wohl niemanden, der diese Welt in seiner gesamten Komplexität verstehen kann. Aber gerade dann darf unsere Antwort doch nicht darin bestehen, dass wir den einfachsten Parolen, den gemeinsten Gemeinplätzen hinterher rennen. Hüten wir uns vor den allzu einfachen Erklärungen!

Wenn der Hausverstand nicht für immer von einer Lebensmittelkette absorbiert bleiben soll, dann muss es doch einleuchten, dass komplexe Probleme nicht mit den einfachsten Rezepten gelöst werden können. Eigentlich müssten immer dann die Alarmglocken läuten, wenn den Wahlkampfreden im Dunst der Bierzelte lautstark zugestimmt wird. Dann war nämlich die Erklärung zu einfach, oder das Bier zu stark.

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julbing

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Silvia Jelincic

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