In ganz Europa herrscht Ratlosigkeit – in Österreich sowieso. Das bis vor kurzem noch brav dahintrottende Wahlvolk hat gelernt, „die da oben“ das Fürchten zu lehren.
Das ist an und für sich ein gutes Gefühl. Das alle paar Jahre zu den Wahlurnen gerufene, aber sonst eher vernachlässigte Volk, ist sich seiner demokratischen Macht bewusst geworden.
In der Theorie sollte das ja schon immer so funktionieren. Politiker werden gewählt, bekommen dadurch ein Mandat im Interesse ihrer Wähler zu handeln und wenn diese nicht zufrieden sind, werden sie eben nicht wiedergewählt.
Leider aber, haben sich da in den letzten Jahren oder Jahrzehnten, einige schlechte Erfahrungen angesammelt. In einer repräsentativen Demokratie werden zumeist Parteien gewählt. Die bringen dann ihre Parteifunktionäre in bestimmte Positionen und Ämter, erschaffen sich also Pfründe, aus denen sie auch bei eklatanter Unfähigkeit nicht mehr weg zu bringen sind. Solange die großen, volksnahen Parteien brav gewählt wurden, kam es zwar hin und wieder zu kleineren Verschiebungen dieser Pfründe Aufteilung, aber geändert hat sich nicht viel. Und weil sich durch Wahlen ohnehin nicht viel ändern ließ, umso mehr als in Österreich viele Jahrzehnte lang die gleichen, angeblich großen Parteien eine Koalitionsregierung bildeten, entstand ein gefährliches Dessinteresse an Politik und ein generelles Misstrauen gegen alle Politiker.
Die Gründung und das rasche Anwachsen der Europäischen Union verschärfte diese Schieflage zwischen Volk und seinen gewählten Vertretern. Zur geistigen Trennung kam noch die geographische. Politische Karrieren werden nicht mehr gemacht, weil man sich als tüchtig erweist, sondern indem man sich in der Partei durch Wohlverhalten nach oben dient und nach Brüssel werden nicht selten jene geschickt, die auf heimatlichem Terrain nicht gerade als charismatisches Zugpferd aufgefallen sind..
Die Politiker haben sich von ihren Wählern entfernt, agieren abgehoben in elitären Zirkeln, die nicht selten jede Transparenz vermissen lassen und einzig und allein am Erhalt ihrer gut bezahlten Posten interessiert scheinen.
Der hier beschriebene, höchst unerfreuliche Zustand schreit seit Jahren nach Veränderung, aber die saturierte politische Kaste stellte sich bisher taub.
Politiker bekommen vom Volk nur ein befristetes Verhandlungsmandat, keine vererbbare Herrscherkrone und diese Verpflichtung und Verantwortung müssen wieder spürbar gemacht werden, um den totalen Niedergang der politischen Kultur zu bremsen. Währenddessen steigt die Arbeitslosigkeit, an den Rändern Europas werden Kriege geführt und eine schier unüberschaubare Zahl zerlumpter Flüchtlinge bedrängt in apokalyptischen Bildern unseren brüchigen Wohlstand.
Immer mehr Menschen fühlen sich von ihren Eliten hintergangen und empfinden sich dagegen als machtlos.
Unzweifelhaft eine gute Zeit für politischen Populismus, der nun in allen Ländern Europas aus dem Boden schießt und die historische Chance wittert, jetzt selbst die Macht zu übernehmen. Und es scheint zu funktionieren, weil jegliche Vernunft im Taumel der Eventgesellschaft, sowie im Sog großangelegter Angstmache schon längst als kompliziertes und intellektuelles Geschwafel diskreditiert wurde. Mahnende Medien nennt man nun „Lügenpresse“, Hinweise auf die unheilvolle Wiederholung von Geschichte werden als rückwärtsgewandte Verschwörung abgetan, rechtstaatliche Institutionen und ihre Vertreter diffamiert, umgangen, oder ausgeschaltet. Das neue Glücksgefühl besteht darin, denen da oben eins auszuwischen und die allgemeine Verunsicherung zu genießen, die ausgelöst wird, wenn man rechtsradikalen Popanzen zu Wahlsiegen verhilft.
Ich verstehe das kurzfristige Lustgefühl das ansonsten machtlose Wähler veranlasst, gegen die etablierten Parteien abzustimmen. Nachdem sie davor den Glauben und die Geduld verloren haben, dass die Regierenden etwas ändern können oder wollen. Ich verstehe aber nicht, warum es ihnen offenbar egal ist, dass sich die kommenden Machthaber ihre Ideologie und ihr Demokratieverständnis in Wehrsportvereinigungen und deutschnationalen Burschenschaften angeeignet haben. Dass ihr parlamentarisches Abstimmungsverhalten einen fast lupenreinen, neoliberalen Kurs dokumentiert, der eindeutig die Reichen bevorzugt und nationale Abschottung und Ausgrenzungen aller Art zur Heilslehre erklärt werden und wieder von völkischer Reinheit gefaselt wird. Die Furcht vor einem Zerfall Europas in hegenomiesüchtige Nationalstaaten wird dabei tapfer weggelächelt, der Brexit hierzulande noch gefeiert, obwohl die Briten längst bedauern, den populistischen Lügnern gefolgt zu sein.
Ja, unsere Probleme sind tiefgreifend und sie werden sich so schnell nicht in Luft auflösen. Es wird wohl einiger Veränderungen und großer Anstrengung bedürfen. Umso wichtiger sind aber in diesen Zeiten glaubwürdige Politiker und genau diese Glaubwürdigkeit und Kompetenz dürfen eben bei den Herren Strache, Kickl, Vilimsky, Gudenus und Hofer bezweifelt werden.