Man könnte meinen, niemand. Da dreht sich alles im Kreis, kocht im eigenen Saft…der Betrieb an den Schulen geht weiter, aber weniger deshalb, weil die Behörden alles so gut organisieren, sondern weil in Österreich wirklich auf höchstem Niveau improvisiert wird. Die Beispiele sind ja bekannt und beschrieben. Lehrerinnen teilen sich mit drei Kollegen einen Schreibtisch, haben oft keinen persönlichen Kasten, in dem sie Bücher und Lehrmittel verstauen können, leisten bei Schulveranstaltungen und Prüfungsvorbereitungen jede Menge unbezahlter Arbeit und zwar fast immer mit ihrem selbst bezahlten und gewarteten Computer etc. Bedingungen, bei denen der übliche Angestellte in der Privatwirtschaft längst die Beine auf den Tisch legen und warten würde, bis der Arbeitsplatz der Norm entspricht.
Dieses perfektionierte System begnadeten Fortwurstelns funktioniert übrigens, so ganz nebenbei bemerkt, an den Berufsbildenden Höheren Schulen deutlich friktionsfreier als an ehrwürdigen Gymnasien, was wohl daran liegt, dass an einer BHS überwiegend praxiserprobte Lehrkräfte unterrichten und diese sind üblicherweise lösungsorientiert und nicht problemfixiert. Das hohe Ministerium täte also gut daran, das weitgehend vorbildliche berufsbildende Schulwesen zum Leitbild zu erheben und die AHS zu modernisieren als ständig das Pferd am Schwanz aufzuzäumen und es umgekehrt zu versuchen.
Das ist aber nur ein Nebenthema. Mich stört ganz allgemein, dass seit meiner Schulzeit, und damit meine ich die Zeit als ich Schüler war, von einer umfassenden Schulreform geredet wird und sich seither im Selbstverständnis von Schülern und Lehrern zwar viel, aber organisatorisch und dienstrechtlich sehr wenig geändert hat.
Fragt sich also: will man überhaupt etwas ändern? Und wer will das ändern?
Unbestritten ist, dass in Österreich ein bestimmtes Bildungsniveau vererbt wird. Das bedeutet, Kinder von gebildeten Eltern haben entscheidende Vorteile, während die sozialen Ränder sich schwer tun. Klar ist auch, dass unsere hochtechnisierte Wirtschaft den gut ausgebildeten Nachwuchs dringend benötigt und es sich eigentlich nicht leisten kann, Talente brach liegen zu lassen. Was die Wirtschaftskammern und die Industriellenvereinigung nur allzu gut wissen und seit Jahren Alarm schlagen.
Aus der Sicht der Eltern stellt sich das Problem allerdings differenzierter dar, weil ich den Verdacht habe, dass Eltern mit höheren Schulabschlüssen darauf vertrauen, ihren Kindern gute Voraussetzungen bieten zu können, aber wenig Interesse haben, die Konkurrenz in Schule und Arbeitsmarkt zusätzlich wachsen zu lassen. Für sie wäre es scheinbar vorteilhaft, wenn alles so bliebe, wie es ist.
Abgesehen davon, dass viele Eltern mit Pflichtschulabschlüssen die Vorteile höherer Schulabschlüsse noch nicht kennen und schätzen gelernt haben, versuchen populistische Schreihälse auch immer deutlicher, einen Keil zwischen „Volk“ und „Eliten“ zu treiben und vermitteln, gemeinsam mit kleinformatigen Boulevardblättern, die Illusion, das „gesunde Volksempfinden“ wäre völlig ausreichend, die anstehenden Probleme in unserer Gesellschaft lösen zu können. Warum also sollte sich da ein junger Mensch auf den mühevollen Weg des Lernens begeben?
Auch für die Lehrerinnen und Lehrer ist es natürlich einfacher, wenn sie nur Schüler aus gebildeten Elternhäusern unterrichten und daher scheint es verlockend legitim, Kinder aus den sog. bildungsfernen Schichten, (wer hat eigentlich diesen Begriff kreiert?) rechtzeitig auszumustern. Besondere Rücksichten und gezielte Fördermaßnahmen sind im bestehenden System oft schwierig und werden von einzelnen Unterrichtenden als zusätzliche Last und Einschränkung ihrer Autorität empfunden. Da kann es dann schon vorkommen, dass sich einzelne Lehrpersonen beleidigt in ihr Schneckenhaus zurückziehen und trotzig verkünden, dass es der Staat wohl nicht möchte, dass sie den Kindern überhaupt etwas beibringen. Also produzieren wir Pflichtschüler, die nicht mehr lesen und rechnen können und keine Chance haben, am Arbeitsmarkt unter zu kommen.
Auch in diesem Zusammenhang ist es übrigens bemerkenswert, dass die BHS im Hinblick auf die gesellschaftlichen Aufstiegschancen ganz deutlich die Nase vorn hat und es Schülern an solchen Schulen leichter fällt, ihren Weg zu finden.