Ein unangenehmer Tag, es ist schon Mai, doch es ist kühl und es regnet. Mit hochgeschlagenem Kragen und angezogen Schultern lauf ich die Straße runter. Nichts wie Heim, aufs Sofa und einen warmen Tee trinken. Im Mai, will gar nicht mehr dran denken, wie kalt es noch vor ein paar Wochen war.
In Gedanken schon am relaxen, seh ich da vorne diesen alten Mann. Sicher so an die Siebzig, in schäbigem Gewand, die grauen Haare zerzaust. Man wird nachdenklich, sieht man ihn an, sieht wie er in den Mistkübel blickt. Seine traurigen Augen, die nach etwas Verwertbarem suchen.
Wie konnte es nur so weit kommen... Niemand, der die Heimat verlassen musste, nein, jemand aus unserem Heimatland. Sicher, auch hier gibt es verschiedene Stände, von sehr reich bis ganz arm, doch er hatte ein langes Leben. Hat sicher viel erlebt, hat den Krieg erlebt. Jetzt, so einsam, das war ganz sicher nicht immer so. Ob er eine Frau, vielleicht Kinder hat? Seine Eltern, hat er Geschwister? Wer weiß, doch gerade jetzt, in diesem Moment, ist er völlig allein.
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Kann sich je wer von uns vorstellen, einmal dieser alte Mann zu sein? Ganz unabhängig vom Geschlecht, einmal da zu stehen, in einem Mistkübel nach Essen zu suchen? Hat er sich das je vorgestellt? Ganz sicher nicht. War auf der Schule, hat mit Freunden gespielt? War im Krieg, hat gearbeitet, hatte Träume im Leben.
Wir schreiben hier, träumen, lachen, streiten, diskutieren, kämen nie auf diesen Gedanken. Und dennoch steht er jetzt vor mir. Ich frage ihn, ob ich ihm ein paar Euro geben darf, möchte sie ihm nicht einfach so emotionslos in die Hand drücken und schnell weiter laufen. Man hört von so vielen, die einmal reich und erfolgreich waren. Ein paar falsche Entscheidungen, irgendwo ein Unglück, ganz langsam, nicht von einem Tag auf den anderen, sind wir es, die da stehen. Man braucht gar nicht von wo zu flüchten, und wenn es noch so unwahrscheinlich ist, es könnte jeden von uns treffen. Ich will keinen Teufel an die Wand malen, ich möchte einfach, dass wir daran denken, wie gut es uns geht. Und dass uns bewusst wird, dass es auch viele aus Österreich sind, die unsere Hilfe gebrauchen können, dass wir sie in diesem Trubel nicht einfach vergessen.