*Jugenderinnerungen* - Oder was der Alkohol mit mir machte

Als ich 14 war, übersiedelte meine Familie von einem Ende Wiens ans andere, vom Norden in den Süden der Stadt, weil meine Mutter sich just dort, im 11. Bezirk, ein Gasthaus gekauft hatte.

Zuvor hatten wir im friedlichen Floridsdorf gewohnt, wo ich weiter zur Schule ging und alle meine Freunde hatte.

Ich bin deshalb auch in den darauffolgenden 2 Jahren täglich mehrmals hin- und hergependelt - in der Früh nach Floridsdorf in die Schule, danach nach Hause Richtung Simmering, am Nachmittag wieder zurück zu meinen Freunden, und spätabends wieder nach Hause... ich kannte die Schnellbahnstrecke bald in- und auswendig.

Als ich nach vier Jahren wieder zurück in meinen Heimatbezirk zog, hatte ich das Kunststück zuwege gebracht, in Simmerin tatsächlich keinen einzigen Menschen zu kennen, mit Ausnahme der Greißlerin.

Aber ich habe in der Zeit sämtliche Festln und Kirtage in meinem alten Heimatbezirk besucht.

Ich besuchte auch den jährlichen Kirtag in Floridsdorf, der stets am ersten Septemberwochenende auf der Pfarrwiese veranstaltet wurde, inkl. großem Bierzelt, welches von uns jungen Leuten in großer Zahl frequentiert wurde.

Und in Bierzelten haben es die Veranstalter schon immer als ihre allererste Aufgabe betrachtet, das vornehmlich junge Publikum zu vermehrtem Alkoholkonsum zu verleiten, dies auch unter Zuhilfenahme, hm, fragwürdiger Spiele. Der Umsatz muss schliesslich stimmen...

Was mir infolge einer solchen feuchtfröhlichen Festivität widerfahren ist, möchte ich euch deshalb erzählen - und ich schwöre, es ist tatsächlich alles genauso passiert, wie ich es schildere:

An diesem Abend wurde eine Art Tanzwettbewerb mit "lustigen" Zusatzbewerben veranstaltet, an dem auch ich teilnahm - pikanterweise mit einem jungen Burschen, der ebenfalls nicht aus Floridsdorf, sondern aus dem Burgenland kam.

- Für in Österreichische Gegebenheiten Nicht-Eingeweihte sei Folgendes erwähnt: Burgenländer sind für Wiener ungefähr das gleiche, wie Ostfriesen für Rest-Deutschland, unzählige Burgenländer-Witze zeugen davon.

Und wie es der Teufel so wollte, haben wir, beides "Exoten" aus dem Süden, diesen Wettbewerb gewonnen.

Nachdem wir mehr oder weniger elegant das erforderliche Gehopse zu rustikalen Polkaklängen hinter uns gebracht hatten, wartete noch eine weitere Herausforderung auf uns - der jeweilige weibliche Teil der Paare musste ein Krügerl Bier "auf ex" austrinken, die Schnellste würde gewinnen. Nun sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich damals - ebenso wie heute - keine Biertrinkerin war und bin, aber was tut man nicht alles für die Ehre?

Ich habe daher dieses Krügerl in atemberaubender Geschwindigkeit inhaliert - und wir haben, wie bereits erwähnt, diesen Wettbewerb danach auch gewonnen. Für Gelächter sorgten übrigens unsere Antworten, nämlich "Simmering" und "Burgenland", auf die Frage, woher wir denn kämen.

Als "Preis" musste mein Partner mich dann überdies an der Bar zu einem Schnapserl einladen... aus dem dann im Laufe des Abends noch mehrere wurden. Obwohl ich - erraten! - auch keine Schnapsliebhaberin bin.

Und so nahm das Verhängnis seinen Lauf...

Zu Ende des Abends - oder besser gesagt, in den frühen Morgenstunden - brachte mich mein Bekannter dann noch mit dem Auto nach Hause - über die Donau und quer durch die Stadt nach Simmering.

Er ließ mich vor dem Haustor aussteigen und fuhr dann weiter seiner Wege ins Burgenland.

Und so stand ich also vor dem Haustor und suchte vergebens nach meinen Hausschlüsseln. Die sich meiner suchenden Hand allerdings hatnäckig entzogen. Auch das Umdrehen und Entleeren des Inhalts meiner Handtasche brachte nicht viel.

Ich machte mich also mit der Schnellbahn wieder zurück auf den Weg nach Floridsdorf. Denn ich vermutete, dass ich den Schlüsselbund im Bierzelt verloren haben musste.

Dort wieder angelangt, nach mehr als einer Stunde Fahrzeit, befanden sich nur mehr ein paar Angestellte, die die Reste des Abends entsorgten. Meine verzweifelten Fragen, ob man denn einen Schlüssel gefunden hätte, konnten sie leider nur negativ beantworten. Meine darauffolgende Suche unsicheren Schritts quer durch das Bierzelt muss wohl auch sehr erheiternd auf alle Anwesenden gewirkt haben.

Was sollte ich also tun? Mitten in der Nacht ohne Hausschlüssel?

In meiner Not fiel mir meine ältere Schwester ein - die auch in Floridsdorf wohnte, allerdings in einem anderen Bezirksteil.

So machte ich mich also auf den Weg zu ihr - denn ich wusste, sie hat auch einen Reserveschlüssel...

Nach einer weiteren knappen Stunde war ich bei ihr angelangt, stand aber nun vor dem Problem, dass ich nicht wusste, wie ich mich bemerkbar machen sollte. Sie wohnte nämlich im Hinterhaus einer größeren Anlage und hatte keine Türklingel an der Straße. So marschierte ich um das Haus herum, um durch die gegenüberliegende Wohnhausanlage zu ihr zu gelangen. Die beiden Wohnhäuser waren durch eine Mauer getrennt, das Tor an der Straße stand jedoch immer offen. Direkt vor dieser Mauer standen praktischerweise ein paar Mülltonnen, über die ich über die Barriere klettern konnte. So erklomm ich eine von ihnen, um auf der anderen Seite auf die Grünfläche hinter dem Haus zu gelangen. Ich gehe davon aus, dass sich die Eleganz meiner Kletterei auf jeden Fall mit der beim Polkatanzen messen konnte...

Meine Schwester staunte nicht schlecht, als ich sie am Fenster herausklopfte - sie wohnte praktischerweise im Erdgeschoss.

Und nach einer gehörigen Moralpredigt - wie sich das für größere Schwestern eben so gehört - setzte sie mich samt ihren Schlüsseln in ein Taxi, mit dem ich dann ein drittes Mal an diesem Abend die Donau überquerte.

Zu Hause angelangt, fiel ich dann wie ein Stein ins Bett....

Am nächsten Tag wurde ich durch lautes Läuten an unserer Wohnungstür geweckt - es war unsere Nachbarin, sie hatte meine Wohnungsschlüsseln direkt vor dem Haustor am Boden gefunden...

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