Gestern hat sich Werner Faymann noch - wie von mir gebloggt - in der Zuschauerrolle gefallen und die deutsche Grenzsperre kommentiert, statt selbst das Heft in die Hand zu nehmen. Partei- und Regierungskollege Hundstorfer hatte die Aufgabe, bei "Im Zentrum" ordentlich abzuwiegeln, die Situation in rosa-rot darzustellen ("es sind ja nur Grenzkontrollen, keine Sperre";). Gegen diese Realitätsverweigerung hat sich selbst der überraschend offensive Außenminister schwer getan. Die ÖVP ist - vor und hinter verschlossenen Türen - beim Regierungspartner auf Granit gestoßen.

Dieses Realitätsverweigerung hat keinen halben Tag gehalten. Bereits über Nacht ist die Situation an der ungarischen Grenze völlig eskaliert. Die Polizei drohte überrannt zu werden - ohne die Chance, den Zustrom zigtausender Flüchtlinge in geordnete Bahnen zu lenken.

Und so werden nun nicht nur die selben Kontrollen wie in Deutschland auch in Österreich aufgefahren - sogar das Bundesheer rückt an. Die Situation ist dramatisch, Ungarn wälzt sogar bereits Pläne für einen Ausnahmezustand. Und karrt alle Flüchtlinge, die sich im Land gesammelt haben, zur österreichischen Grenze.

Was Österreich jetzt braucht, was die Österreicherinnen und Österreicher sich nun zu recht von der Politik erwarten, ist Agieren statt Reagieren, Vorgehen mit harter Hand und klarer Richtung. Dass das Asylrecht dabei nicht angetastet werden darf, ist eine Selbstverständlichkeit über die wir hoffentlich keine Diskussionen führen müssen. Dass in der Abwicklung radikale Maßnahmen erforderlich sind aber ebenso.

SPÖ-Kanzler Faymann ist als Reagierer hier sichtlich überfordert. Sein Vize Mitterlehner macht wenigstens intern Druck. Der einzige Regierer, der nach außen klar Haltung und Linie zeigt, ist ausgerechnet der jüngste, Sebastian Kurz. Er erscheint derzeit als genau der Typus von Politiker, der in einer derartigen Krise gebraucht und gefordert wird. Bleibt zu hoffen, dass ihm die Reagierer wenigstens keine Steine in den Weg legen.