Das Making-of

Ich stehe am Langos-Imbiss. Es riecht nach heißem Fett. Nach frischem, sauberen heißen Fett. Ein unangenehmer Geruch. Warum eigentlich? "Mit Schinken und geriebenem Käse, bitte." Die große Frau mit dem Puppengesicht und den gescheitelten, getafteten dunklen Haaren nimmt die Zange und holt einen ausgebackenen Hefeteig-Fladen aus dem bruzzelnden Fett. Legt den Fladen auf das Abtropfgitter: "Möchten Sie Knoblauchöl?" Ich zögere: "Ja, bitte." Sie nimmt den heißen Fladen vom Abtropfgitter und legt ihn auf einen Pappteller mit Serviette. Dann greift die Frau in eine Plastik-Box und verteilt eine handvoll gewürfelten Schinken auf dem goldgelben, welligen Langos-Küchlein. Sie greift in eine andere Box und streut geriebenen Käse über die Schinkenwürfel. "Mit Sauerrahm?" Ihre Augen in dem großen Gesicht sind zu klein, ihre Lippen zu sehr betont: "Ja, bitte." Der Sauerrahm-Behälter hängt kopfüber an der Decke des Imbiss-Wagens und sieht aus wie ein Kuh-Euter mit nur einer Zitze. Routiniert presst die Langos-Frau mit der einen Hand die Plastik-Zitze zusammen während die andere Hand, die den Pappteller hält, kreisförmige, spiralförmige Bewegungen unter der Zitze beschreibt und so den Sauerrahmstrahl auf dem Langos verteilt. Von Außen zur Mitte hin. Fertig. Ich lege 4,50 Euro auf den Tresen. Mit freundlichem Lächeln reicht Langos-Frau mir den sauergerahmten Langos-Fladen samt Pappteller-Servietten-Bett:"Wenn Sie etwas Grün möchten? Guten Appetit" Ich klappe den Plastikdeckel der Dreifach-Box auf und streue etwas Schnittlauch und Chilliflocken über den Langos.

Ein Platz im Schatten

Erbarmungslos knallt die Sonne auf den Schießwasen. Ich und mein Langos suchen sich einen Platz im Schatten des großen Pizza-Standes. Der steht dort, wo er immer steht. Jedes Jahr. Sechs Tage wird er dort stehen. Ich beiße herzhaft in meinen Langos - lecker. Schön mürb und lecker. Ich genieße es unter dem Dachüberstand zu stehen, während mein auf das Beste missratener Nachwuchs im Autoscooter die Box-Autos malträtiert und mein sauer verdientes Geld verpraßt, und meine ehemalige Verlobte mit einer Bekannten den neuesten Ratsch und Tratsch wiederkäut. Familien-Auszeit.

Junges Gemüse und mehr

Eine wahre Dirndl-Schwemme flutet über den staubigen Platz. Wie blankpolierte Äpfel in der Auslage des Obst- und Gemüsehändlers liegen Brüste in spitzengesäumten PushUp-BH's. Ich denke an das Sauerrahm-Euter am Langos-Stand. Lederhosen-Jünglinge mit hängenden Hosenträgern und gegelten Haaren stehen den Dirndl-Trägerinnen in ihrer selbstgefälligen Eitelkeit in nichts nach. Ein Mann mit bärtigem Gesicht, Brille und S t o h h u t quert meinen Blick. Für einen Moment weiten sich meine Augen. Den kenne ich doch?

Direkt gegenüber vom Pizza-Stand steht die fast schon monströse Losbude. Vor der Losbude sitzt ein Losverkäufer hinter einem kleinen Holztisch. Neben dem Tisch steht eine Mülltonne. Der Blick des Mannes ist starr, sein Gesicht zeigt keine Regung. Er wäre der geeignete Kandidat für eine Schießbudenfigur. Genau so stelle ich mir das vor.

In unmittelbarer Nähe füttert ein Vater seinen vielleicht 3-jährigen Sprößling mit Pizza-Happen, während Sprößling-Mutter in ihrer überdimensionalen Handtasche kramt und schließlich eine Packung Zigaretten, ein Feuerzeug und ein Handy ans Tageslicht befördert. Und während sie noch die Kippe anzündet, tippst sie auch schon auf ihrem Handy herum. Die Mutter wirkt gestreßt. Kein Wunder.

Tanzen?

Ein großes Stück Langos verschwindet in meinem Mund. Ich lecke den Sauerrahm von meinen Lippen. Eine nicht mehr ganz taufrische Dancing Queen samt Anhang hat vor der Losbude Position bezogen und hält Hof. Dancing Queen hat sich heute für einen feuerroten Hausanzug entschieden, der aus einem großzügig ausgeschnittenem Träger-Top und Hot-Hot-Hot-Pants besteht. Die schwarz lackierten Haare stehen dazu ebenso in starkem Kontrast, wie ihre dauerbraune, gegerbte Haut. Die Zigarette in der einen Hand ist natürlich ebenso obligatorisch wie das Handy in der anderen. Ich bin beeindruckt von ihrer Physiognomie. In einem früheren Leben war Dancing Queen wohl ein Koala-Bär. Die Ähnlichkeit, wozu die außergewöhnliche Nase entscheidend beiträgt, mit dem Gesicht eines Koala, ist wirklich frappierend. Ich frage mich ernsthaft, ob sie sich wohl schön findet. Und wenn ja, warum? Und schon meldet sich meine innere Stimme: "Schau in den Spiegel, sei demütig und schau dir heute Nacht die Milchstrasse an."

Schluß, Aus, Amen

Wieder beiße ich herzhaft zu und mein Langos schmilzt dahin wie der Gletscher am Kilimandscharo. Das letzte Stück widme ich dem Schießbuden-Losverkäufer. Ich reibe meine Handflächen aneinander, lecke ein letztes Mal über meine Lippen und wische mit der Serviette nach. Dann hole ich mein "Besteck" heraus und rolle mir eine perfekte Zigarette. Soll mich nur ja keiner stören in meiner trägen, wollüstigen Sattheit. Wehe.

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