Dialekt vs. Hochdeutsch - host du an Steckn gschluckt?

Freitag, 12:00 Uhr: Chef, brauchns nu wos? Waun net, schleich i mi jez ham. Wiedaschaun.

So sollte man sich vielleicht nicht unbedingt vom eigenen Boss verabschieden. Es gibt also genug Situationen, wo man schon einmal nachdenklich werden sollte, welche Aussprache jetzt eher angebracht ist. Grundsätzlich würde ich sagen, dass man so reden soll, wie einem eben der Schnabel gewachsen ist. Wozu also verstellen? "Bleibe immer du selbst" ist in der Hinsicht vermutlich der Schlüssel zum Erfolg.

Unlängst habe ich mit meiner Mutter eine Diskussion zu diesem Thema geführt. Beim Rasenmähen half mir ein Freund aus der Schule. Er redet zwar nicht wirklich Dialekt, aber wir verstehen uns dennoch recht gut. Von ihm hört man Sätze wie "Ich hab das schon ur oft gmacht." Meine Mutter meinte dann später, dass er ja ein schönes Deutsch spreche und kein Prolet sei. Aha, soll das heißen, dass ich primitiv bin, nur weil ich Dialekt spreche? Das Lustige ist ja, dass Mama selbst auch den Dialekt pflegt. Demnach wären ihre Eltern (meine Großeltern) usw. lauter Proleten gewesen... Zufälligerweise war mein Opa mütterlicherseits Dorfarzt, obwohl er Dialekt sprach... Schließlich fragte ich sie, warum sie nicht genau wie Sebi redet. Gefällt ihr ja scheinbar so gut. Das führte dazu, dass sie meinte: Du wirst das noch lernen. Vielleicht arbeitest du einmal in einem Betrieb, wo Schriftsprache Pflicht ist. Darauf sagte ich nur: Wenn des so is, daun fohr i jedn Tog mit am LKW (den C-Schein müsste ich dafür ggf. nachholen...) voller Speibsackln ind Hockn. Nach jedem Gespräch/Telefonat etc. nehme ich dann meine "Tüte", um mich zu erleichtern. Ob das wegen der Magensäure für den Hals auf Dauer gut wäre, sei jetzt einmal dahingestellt.

Als Kind wurde mir das schöne Sprechen eingetrichtert. Ich weiß noch genau, wie es ablief, als ich einmal mit so maximal sieben Jahren bei Oma war und mit ihr spazieren ging. Wir kamen bei einer ihrer Freundinnen vorbei. Ich hörte ihnen zu und dachte mir, dass die ja ganz anders reden. Mir gefiel das schon, aber Oma meinte, dass das nichts für mich sei. Mein Cousin - der eben von klein auf ein Dialekt-Sprecher war - hatte in der Volksschule leichte Probleme mit der Rechtschreibung. Bei mir war das nicht der Fall. Demnach bin ich meiner Mutter dankbar, dass sie mich zum Schön-Sprechen erzogen hat. Bis ich ca. 15 Jahre alt war, habe ich eigentlich kaum Dialekt gesprochen. Bei den archäologischen Ausgrabungen (meine erste "Arbeit";) habe ich allerdings festgestellt, dass ich auch zum "Dialektvolk" gehöre. Als Manuel in unsere Klasse kam, änderte sich diesbezüglich alles. Mit ihm hatte ich von Beginn an viel zu tun. Da er den Dialekt pflegte, habe ich kaum mehr "schön" gesprochen. Wenn die anderen in meiner Klasse großteils mit ihrem "Schnagal-Hochdeutsch" auftraten, blieb ich dennoch meistens beim Dialekt. War also ab dem Zeitpunkt gegen ihren Sprachstil großteils immun.

Beim Bundesheer war es dann so, dass ich das Hochdeutsch gänzlich aus meinem Kopf strich. Dennoch gab es ein paar Kameraden, die sich nicht dem Dialekt beugen wollten. Fand ich immer zum Lachen, wenn sie versuchten, irgendetwas in ihrem Pseudo-Hochdeutsch daherzustammeln. Ich wurde immer lockerer und machte beim Schmäh-Führen mit. Irgendwann meinte meine Mutter, dass ich ja so schirch rede. Geh bitte, wos isn so schlimm, waun i mi mit a poor Freind auf a Bier zaumhuck? I hätt jo a "zaumsitzn" stott "zaumhuckn" sogn kenna... Scho klor...

Von Mama kamen immer Argumente, dass das Wienerisch so furchtbar sei. Das geschwollene Schön-Reden, was viele (vor allem junge) Wiener praktizieren? Ja, das stimmt. Doch leider meinte sie den entsprechenden Dialekt. Verstand ihre Aufregung also nicht. Niederösterreichisch leitet sich ja offenbar vom Wienerischen ab - ist also genau so furchtbar. Aber wenn ein Tiroler sagt "Des isch amol so" oder ein Kärnter "Heit gibts lei ane Kasnudln zan Essn", dann ist das natürlich in Ordnung. Denn das ist ein vom Land gewachsener Dialekt... Sicher ist es komisch, wenn man in Tirol plötzlich mit Wiener Dialekt aufkreuzt. Aber besser so, als ganz ohne Mundart. Ich persönlich finde Kärnterisch und Tirolerisch am besten (Fraunz, is natirli nix gegen di... ;) ) - aber hauptsache Dialekt. Selbst Gsibergerisch ist mir lieber als Hochdeutsch (auch wenn ich dann weniger verstehe... ;) ).

Seit meinem Präsenzdienst bin ich mit der Dialektsprache wirklich auf einen gemeinsamen Nenner gekommen. Oft hörte ich von Mama den Satz, dass ich ja nicht mehr schön sprechen kann, wenn ich den Dialekt pflege. Natürlich bin ich nach wie vor in der Lage, Schriftsprache zu reden. Aber warum sollte ich das machen, wenn mir nicht danach ist? Ist leicht schon wieder Fasching - also darf/soll man sich verstellen - pardon - verkleiden?

Es sei erwähnt, dass ich generell überhaupt nichts gegen die Deutschen habe. Wenn ich mich mit einem unserer "Nachbarn" gut verstehe, bin ich bereit, für die Person etwas verständlicher zu sprechen. Mir passierte es schon, dass ich mich mit Deutschen besser unterhielt als mit so manchen Österreichern. Aber dennoch bleibt mir eine Situation in Erinnerung. Die Deutschen machen ja gerne in Österreich Urlaub. Mir fiel im Zuge dessen einmal auf, wie ein deutscher Urlauber über Österreich blöde Bemerkungen machte. Zufälligerweise war er aber gerade bei uns, um Ferien zu machen. Wenn es ihm nicht passt, soll er daheim bleiben - ganz einfach. Jetzt werde ich wohl gleich als Rassist abgestempelt. Ich lege schon einmal einen entsprechenden Counter für die Kommentare an. Mal sehen, ob er zwei- oder vielleicht gar dreistellig wird...

Dem frechen Deutschen hätte ich jedenfalls gerne gesagt "Brauchst a gratis Taxi zur Grenz? I fia di hi." Eine ähnliche Situation ergab sich einmal, als ich mit einem Bekannten intensiv diskutierte. War ebenfalls im Urlaub - in unserer Runde waren auch gewisse Deutsche, für die ich nicht wirklich Sympathie empfand. Einer meinte, dass er ja für mein Gerede einen Übersetzer brauchen würde. Hätte er mich gefragt, ob ich für ihn "schöner" sprechen kann, so hätte ich das verneint (auf Grund fehlender Sympathie). Viel mehr hätte ich ihm geantwortet "Waunst da an Urlaub in Österreich leistn kaunst, wirds woi net am Göd fir a entsprechendes Wörtabiachl scheitern, oda? I darad di ggf. sogor ind Buchhaundlung fian."

Also noch einmal: Ich habe gegen Deutsche genau gar nichts. Doch wenn einer grundlos über Österreich schimpft, muss die Person von mir mit gewissen Kommentaren rechnen (siehe oben). War schon ein paar Mal in Deutschland. Glaubt ihr, dass ich da jedes Mal lautstark über das Land schimpfte? Erstens hatte ich keinen Grund dazu. Und zweitens kann ich ja noch immer zu Hause bleiben, wenn mich Deutschland wirklich so extrem stört.

Als ich auf Facebook unseren Fraunz entdeckte, war ich erleichtert. Endlich etwas Ordentliches zum Lesen. ;) War jedes Mal ein Genuss, wenn zwischen den klassischen Hochdeutsch-Beiträgen immer wieder seine Bilder erschienen. Wenn ich seine Fotos gelegentlich teile, folgen darauf kaum Reaktionen. Humorbehinderung ist in meiner "Freundesliste" offenbar weit verbreitet... Fraunz, kaunst meine Leit amol a gscheits Jauckal vapassn, damits "gsund" werdn? Oda manst, dass es ohnehin fürn Hugo warad (hob leida kan Hugo in meina Freindeslistn... ;) )?

Was ich allerdings abgesehen vom reinen Hochdeutsch am schlimmsten finde, ist das (aufgesetzte) "Pseudo-Hochdeutsch". Dazu habe ich schon weiter oben ein Beispiel gebracht, aber zur besseren Verdeutlichung kommt jetzt noch eines. Ich sage: "Da Füm ... is extrem geil, den hob i ma scho 1000 Moi einezaht." Ein anderer formuliert es so: "Da Film ... is extrem geil, den hab ich ma schon 1000 Mal angschaut." Wieso kann er nicht "aungschaut" sagen? Fällt ihm deshalb ein Stein aus der Krone? Er versucht also Hochdeutsch zu reden und will dabei aber gleichzeitig Dialekt-Elemente einbauen. Was hindert solche Leute daran, normal Dialekt zu sprechen? Kann mir das jemand verraten?

Aussagen wie "Dialekt ist primitiv" finde ich höchst unfair. Das sind Vorurteile gegen sehr viele Österreicher. Analoges gilt für die Aussage "Mit ogscherte Hoor schaust aus wia a Prolet". Ich bin doch auch nicht primitiv, nur weil ich mich als Dialekt-Fan oute. Ähnlich ist es, wenn solche Leute zu einem auch noch "Bauer" sagen. Halten sich also mit ihrem "gepflegten" Deutsch ernsthaft für etwas Besseres. Demnach dürften sie also keine Nahrung zu sich nehmen, da das Essen oftmals von den "Bauern" kommt. Schon blöd, gel?

Ich finde es besonders wichtig, dass man ordentlich schreiben kann. Verfasse SMS etc. zwar oft im Dialekt (vor allem, wenn es schnell gehen muss...), aber das Beherrschen der Rechtschreibung ist das Um und Auf. Wenn sich ein Dialektwort in ein Bewerbungsschreiben verirrt, hat das in den meisten Fällen keine guten Folgen. Soll heißen: Man wird wohl keine Antwort (bzw. bestenfalls eine Absage) bekommen. Am Beispiel Fraunz sieht man aber wieder einmal, dass es auch anders gehen kann. Wenn es darauf ankommt, schreibt er eben einmal "schön". Er kann sich also im Notfall "ordentlich" verständigen. Gibt ja trotz seiner Reichweite immer wieder Leute, die sich über den Dialekt aufregen...

Von mir aus kann ein Gesetz kommen, dass jeder Dialekt sprechen muss. Versteht man sich einmal gar nicht - weil man z.B. als Burgenländer nach Vorarlberg reist - so muss man ausnahmsweise zum Hochdeutsch übergehen. Letzteres sollte eben nur dann erfolgen, wenn es wirklich entsprechend erhebliche Verständigungsprobleme gibt. Dialekt ist ein Teil unserer Kultur und muss daher auch gepflegt werden. Ich spreche ihn, weil ich darauf stolz bin. Leider gibt es Situationen, wo ich mich immer wieder selbst dabei erwische, wie ich dem Pseudo-Hochdeutsch ungewollt verfalle (weil alle um mich herum so reden). Aber generell ist mir das dann egal, wenn mich die als "Bauer" oder sonst etwas abstempeln. Mit monche kaun i und de ondan kennan mi.

Ein Freund - der eigentlich Dialekt redet - spricht mit Frauen immer Hochdeutsch. Diese Logik verstehe ich nicht. Er verstellt sich demnach extra für eine Dame. Letztere merkt das bestimmt und möglicherweise ist das dann der Grund, warum es zwischen den beiden nicht so funkt. Ein anderer Kumpel (der eben Pseudo-Hochdeutsch spricht) meint, dass er es abstoßend findet, wenn Frauen Dialekt sprechen. Das Lustige: Mit seinen Eltern redet er Mundart, mit allen anderen Pseudo-Hochdeutsch. Auch seine Logik wird mir immer ein Rätsel bleiben.

Letztendlich bin ich dafür dankbar, dass ich grundsätzlich das Schön-Sprechen lernte, aber die "Liebe" zum Dialekt fand. Falls es notwedig ist, kann ich die Mundart sehr wohl "abstellen". Fällt mir natürlich schwer, aber ich schaffe es. Ein Uni-Kollege kommt aus Griechenland. Mit ihm rede ich auch "schöner", was für mich kein Problem darstellt. Wir verstehen uns gut, weshalb ich zur Abänderung meiner Aussprache bereit bin. Genauso war es an einem bestimmten Skilift, der von Ungarn betrieben wird. Ich durfte sogar frei fahren und bekam genaue Liftdaten zugeschickt. Es gab also keinerlei Probleme bei der Verständigung und mir tat danach nicht die Kehle weh. Das Gespräch hat mir gefallen. Habe mich demnach "angepasst" (indem ich eben den Dialekt vermied). Würde dort jeder Zeit wieder die Ski anschnallen. Fraunz, i kau da gern sogn, wo da Lift is, foist "ungarisch Skifohrn" mogst. Darad da bestimmt daugen.

Um so etwas wie ein kurzes Fazit abzugeben, möchte ich noch erwähnen, dass ich generell für den Dialekt bin. Mir stößt es unwohl auf, wenn mir Österreicher begegnen, die nicht Mundart sprechen. Was hindert euch daran, "ordentlich" zu reden? Ja, ich weiß schon, jedem das seine. Am Anfang habe ich auch geschrieben, dass jeder so sprechen soll, wie ihm/ihr der Schnabel gewachsen ist. Dennoch bleibe ich dabei: Dialekt wirkt viel lockerer und man kann meiner Meinung nach Witze etc. deutlich besser formulieren bzw. auf den Punkt bringen. Deshalb stelle ich die Titelfrage nun an euch. Ich kann sie zum Glück mit "Nein" beantworten. ;)

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