Du losst da de Hoor oschern? Daun schaust jo aus wia a Prolet

Die meisten Männer haben den Satz im Titel vermutlich schon irgendwann einmal gehört. Er ist für mich ein Paradebeispiel für Vorurteile. Letztere sind meiner Meinung nach in allen Lebensbereichen zu vermeiden - deshalb sollte man sich die Titelaussage bestenfalls nur denken. In diesem Fall finde ich selbst ein "gedachtes Vorurteil" unfair. Denn was ist, wenn ein Mann lange Haare trägt? Der wird von allen Seiten gleich einmal komisch angeschaut. Warum eigentlich? Es sind seine Haare und er muss so durch die Welt spazieren. Er ganz allein - nicht du oder ich. Nur weil ihm diese Frisur gefällt, steht es uns noch lange nicht zu, ihn als Schwuchtel oder Idiot zu klassifizieren.

In meinem Fall hat der Friseur einen ganz besonderen Zweck. 3-4 Mal im Jahr den "Pelz" stutzen. Bzw. wenn es meine Kopfhaut fordert, dann eben auch in engeren Zeitabständen. Ich habe ein chronisches Kopfhaut-Ekzem. Dies tritt nur an bestimmten Stellen der Kopfhaut auf (insbesondere am Haaransatz). Wenn ich gestresst bin oder mich über etwas massiv aufrege, kann es schon einmal passieren, dass mich das die Kopfhaut spüren lässt. In einem bestimmten Fall hat sie sogar auf ein gewisses Essen entsprechend reagiert.

Schließlich wurde mir die Traditionelle Chinesische Medizin empfohlen. Das schaute ich mir natürlich an - der entsprechende Arzt half mir schon sehr viel. Durch Akupunktur und Kräutertherapie versuchen wir einen potentiellen Ekzem-Ausbruch so gut wie möglich zu verhindern. Er hat mir auch gesagt, dass die Kopfhaut genug Luft bekommen soll. Eine sogenannte "Mattn" wäre also kontraproduktiv. Demnach beobachte ich stets, ob es Anzeichen für einen "vorzeitigen Haarschnitt" gibt. Normalerweise gehe ich alle 2-3 Monate "nachschneiden". Zuletzt habe ich es wirklich ziemlich genau ein viertel Jahr ausgehalten. Meine Kopfhaut verursachte in dieser Zeit nie Probleme, aber ich hatte dann trotzdem das Gefühl, dass ich mich "erleichtern" muss (nicht falsch verstehen... ;) ).

In der letzten Woche vor dem Termin merkte ich, dass der Haaransatz über der Stirn rot wurde. Ich spürte zwar kein Jucken - vermutlich war das aber dennoch ein Signal für den Haarschnitt - oiso owa mit dem Belog. Nach meinem Friseurbesuch war mir sogar kurzfristig kalt. Kaum zu glauben, was so eine "Mattn" alles bewirken kann. Meine Kopfhaut hatte sich schon daran gewöhnt - durch das Entfernen vom "Pelz" wurde sie wieder "munter". Sie bekam also plötzlich wieder sehr viel mehr Luft.

Deshalb ist es bei mir medizinisch notwendig, dass ich mir von Zeit zu Zeit die Haare etwas stärker abscheren lasse. Natürlich nicht auf eine Glatze - das wäre zu viel des Guten. Nach dem Haarschnitt hat sich eine mögliche Rötung bzw. der Ansatz für letztere sofort verabschiedet. Ich musste mich an besagter Stelle nicht einmal einschmieren. Das übliche Spazieren bzw. einfach nur "Draußen sein" kann in diesem Fall schon kleine Wunder bewirken. Dies soll auch zeigen, wie wichtig es ist, einfach einmal die Natur zu genießen. Egal, ob man jetzt so ein Leiden mit der Kopfhaut hat oder nicht.

Von meiner Mutter wurde mir in den ersten drei Tagen nach dem Haarschnitt mindestens 20 Mal gesagt "Loss da de Hoor bitte nimma so oschern." Sie meinte auch, dass sich sogar der Papa geschreckt hat. Nur sagte er mir nichts, weshalb sie sich das wohl zusammengedichtet hat. ;) Ich bekam vom Arzt den Rat bzw. die Empfehlung, dass das mein Ekzem nur positiv beeinflusst (auch mein Hautarzt teilt diese Ansicht). Warum soll/darf ich seinen Tipp nicht befolgen? Es funktioniert ja.

Mein Vater meinte nur, dass ich jetzt wie der (wohlgemerkt: ehemalige) griechische Finanzminister aussehe. Habe letzteren natürlich sofort gegoogelt. Was ist an seiner Frisur so schlimm? Der hat halt noch kürzere Haare... Vielleicht sind seine Haarwurzeln schon "pleite" (der war extrem schlecht - ich weiß). Letztendlich sagte ich meiner Mutter nur, dass meine "Zotten" eh wieder nachwachsen. Vielleicht passen mir etwas längere Haare wirklich besser - ich muss diesbezüglich aber auf meine Kopfhaut "hören". Wenn letztere "schreit", so gehe ich zum Friseur. Dieser wirkt in dem Fall fast wie ein zweiter "Arzt".

Könnt ihr mir nun erklären, was an kurzen Haaren bitteschön "primitiv" ist? Ich finde eine entsprechende Aussage - so wie eben im Titel - einfach übertrieben. Meiner Meinung nach gibt es sehr viele andere Indizien, an denen man Proleten deutlich schneller erkennt. Wer jetzt diesbezüglich mit einem Dialekt-Argument kommt, hat sich bei mir disqualifiziert. Das ist nämlich genau der gleiche Schwachsinn. Oiso fir olle Dialekt-Moralposteln do draußt: Hoits jo sche eichan Schlapfn. Sunst schick i eich zum Fraunz in Therapie. Der wird eich daun scho eichan Schnobl sche grod richtn. ;)

Um noch ein Resümee zu formulieren: Proleten "verraten" sich meiner Meinung nach viel mehr durch mangelndes Feingefühl bzw. fehlendes Mitdenken oder generell nicht vorhandenes Taktgefühl. Dazu kann ich euch noch ein konkretes Beispiel nennen, das ungefähr in diese Richtung geht: Beim Begräbnis meiner Oma hat mein ältester Cousin gleich einmal angefangen, gegenüber mir puncto Studium eine nach der anderen blöden Meldung zu machen. Er hat selbst nie studiert und glaubte wohl, dass man da nichts arbeiten muss. Soll er mit mir tauschen - bin gespannt, wie lange er meine Skripten etc. "aushält". Vor der eigentlichen Trauerfeier fluchte er herum, dass er seine Zigaretten im Auo vergessen hat. Kollege, es geht um das Begräbnis unserer gemeinsamen Großmutter. Hast du da keine anderen Sorgen außer deine Zigaretten? Wie ihr euch wohl denken könnt, hatte ich mit ihm seither keinen Kontakt. Mit diesem Beispiel will ich nur klarstellen, dass es höchst unfair ist, einen Mann mit Glatze (oder sehr kurzen Haaren), der noch dazu den Dialekt pflegt, automatisch als Vollprolo abzustempeln.

In diesem Sinn: Hiankastl einschoitn, bevor ma sowos wie im vurign Sotz mocht. Dialekt ist immerhin Teil unserer Kultur!

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Unplugged 1-Stein

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Silvia Jelincic

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