Tinder und Co. stehen hoch im Kurs. Kontrollieren sie bald die Dating-Gesellschaft? Wird man eines Tages mit seinem Traumpartner auf der Couch sitzen und selbst in der Situation nur mehr via Tinder etc. kommunizieren?

Für den Worst Case müsste ich die letzte Frage der Einleitung mit "Ja" beantworten. Aber ich hoffe, dass es nicht so weit kommt. Jedoch bin ich der Meinung, dass das irgendwie alles mit der "Veränderung" der männlichen Geschlechterrolle zusammenhängt.

Gleich vorweg: Ich bin jetzt kein absoluter Gegner von Tinder und Co. Jedoch sollte man sich so weit unter Kontrolle haben, dass diese Apps nicht dein Leben bestimmen.

Wenn ich an Kindergarten und Volksschule zurückdenke, so wurden wir nur von Frauen erzogen bzw. betreut. Man(n) bekommt zwar gesagt, was man gegenüber einer Dame tun darf/muss und was man vermeiden sollte. Aber das wollen Frauen letztendlich nicht. Klar sollte ihr der Mann die Türe aufhalten oder aus dem Mantel helfen. Jedoch braucht man ihr nicht jeden Wunsch von den Lippen ablesen und ständig nur ja und amen sagen. Damit wird man irgendwann als Schoßhündchen wahrgenommen, das der Frau hinterherdackelt. Wenn man brav war, gibt es vielleicht ein Leckerli (also z.B. einen Kuss auf die Wange). Aber das war es. Es fehlt das gewisse Etwas und die Frau wird sich denken "er ist schon nett, aber irgendetwas vermisse ich bei ihm". Damit ist man ein netter Kerl und landet in der Freundschaftszone.

Jetzt liegt es umso mehr am eigenen Vater und anderen männlichen Vorbildern, die einem auf den richtigen Weg zurückhelfen. Wenn der Papa aber nicht da ist oder sich nicht viel mit dem Sohn auseinandersetzt, wird sich nichts ändern. In den so wichtigen Jahren wurden wir zu verweichlichten Männern erzogen. Das hat sich natürlich im Unterbewusstsein festgesetzt. Somit kann es ein sehr langer Weg werden, zur richtigen Männlichkeit zurückzufinden. Die Strecke muss man letztlich selbst gehen, männliche Vorbilder - insbesondere der eigene Vater - können einem nur helfen.

Ein weiteres Problem ist die Sache, dass Kindern immer wieder gesagt wird, dass sie kein Wort mit fremden Menschen reden dürfen. Man will sie beschützen und sagt ihnen das deshalb so oft, damit sie es verinnerlichen. Zunächst klingt das ja noch recht einleuchtend. Aber was hat das für Folgen? Dass es einem Mann sehr schwer fällt, wenn er auf eine fremde Frau zugehen und sie ansprechen möchte. Man hat nämlich diese Anweisung der Eltern noch immer im Unterbewusstsein gespeichert und kann das nicht von heute auf morgen ändern.

Dieser Änderungsprozess gleicht einem Hindernislauf. Man muss sich überwinden, man muss mit Zurückweisungen umgehen können usw. Vielleicht hat die Frau jetzt gerade absolut keinen Bock, weil sie im Stress und möglicherweise ohnehin schon zu spät dran ist. Obwohl du ihr gefallen hättest. Das kannst du dann nicht mehr ändern. Die Kunst ist, dass man diese Situation nicht als Korb wertet. Und das ist verdammt schwierig - zumindest für sehr viele Männer. Sie kann das natürlich auch einfach so gesagt haben, um dich abzuwimmeln. Das muss dir aber egal sein. Abhaken und weitermachen.

Um sich all diese Tiefschläge zu ersparen, gibt es eine einfache Alternative: Das liebe Internet. Hier fällt das Ansprechen quasi weg. Du kannst theoretisch nackt vor dem Rechner sitzen und dir einen von der Palme wedeln, während du gerade an der Nachricht für Frau X bastelst. Sie wird es nie erfahren (außer du erzählst ihr davon... :) ). Nebenbei hast du alle Zeit der Welt, um den Text abzuändern usw. Du kannst dich also völlig gelassen zum Bestpreis verkaufen. So weit so gut. Doch was ist, wenn ihr euch in echt trefft und sie dann merkt, dass du gar nicht diese Person bist? Dass du das scheinbar nur gemacht hast, um sie zu beeindrucken? Das ist die Kehrseite des Onlinedatings (abgesehen von Fakeprofilen). Wenn man sich schon im RL gesehen hat, weil du sie z.B. in der Ubahn angesprochen hast, so fällt dieses Problem weg.

Manchmal kommt es mir so vor, als würden viele zum Onlinedating greifen, damit sie nicht übrig bleiben. Wenn man nicht fortgeht, kann man ja niemanden kennenlernen. Stimmt, es wird keine bei dir anklopfen und dir sofort an die Wäsche gehen und ihr heiratet gleich am nächsten Tag usw. Aber man muss nicht zwanghaft in Discos abhängen. Ich weiß es aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn man eine hübsche Frau sah und sich dann denkt, dass man die ja doch ansprechen hätte können. Wenn man das hochrechnet, hätten sich ohne Disco etc. sicher schon sehr viele Möglichkeiten ergeben, um jemanden kennenzulernen. Nur greift hier wieder der Satz "Du darfst mit Fremden nicht reden". Wenn der noch immer im eigenen Unterbewusstsein festsitzt, wird man so Gelegenheiten noch oft genug sausen lassen. Natürlich spielt es auch eine Rolle, wie sehr man davon abhängig ist, was die anderen von einem denken. Ganz wichtig ist jedoch folgende Tatsache: Der Moment zählt!

Datingapps werden keinesfalls nur von Männern verwendet. Auch immer mehr Frauen gehen diesen Weg. Ich habe allerdings den Eindruck, dass dieses Szenario weiter an Bedeutung gewinnen wird. Finde ich traurig, denn was haben wir davon? Dass wir eines Tages keine geraden Sätze mehr herausbringen? Vielleicht sitzt man dann mit seiner Partnerin auf der Couch und schreibt sich immer noch Tinder-Nachrichten. Die Kinder spielen nebenan und die Eltern besprechen via App, ob es jetzt schon Abendessen gibt oder erst in 30 Minuten usw. Der Mund wurde uns einfach zugeklebt.

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