In der heutigen Zeit ist es ja fast schon normal, dass man nach der Matura auf die Uni oder FH geht. Nach einer AHS hat man ehrlich gesagt auch nicht viele andere Alternativen. Aber z.B. nach einer HTL findet man doch sicher auch ohne Studium interessante Jobs. Soll jetzt nicht heißen, dass man als BHS-Absolvent nicht studieren darf. Lehre mit Matura ist für mich persönlich auch völlig in Ordnung.
Was mich allerdings nervt: Wenn man sieht, wie viele Leute mit ihren gefühlten 1000 Titeln prahlen und sich wie die Größten vorkommen. Schon klar, für einen Doktor-Titel hat man sehr viel zu leisten (und nein, das ist keine Ironie ;) ). Aber jedem, der kein "Herr Dr." ist, muss man das doch nicht gleich beinhart auf die Nase binden. Sicher ist es fein, wenn man Doktor ist und die Leute sagen "Dr. Mayer - der Arzt, dem wir vertrauen". Jedoch ist meiner Meinung nach die Bescheidenheit der Schlüssel zum Erfolg. Das heißt: Nicht bei jeder Gelegenheit seinen Titel hervorheben. Oft ist weniger mehr.
Entscheidend ist auch der schmale Grat zwischen Stolz und Angeberei. Klar darf man als Akademiker auf sein fertiges Studium stolz sein. Aber wenn man das so oft wie möglich zeigen möchte, kann das schnell negativ aufgefasst werden. Ab diesem Zeitpunkt wird man sehr wahrscheinlich als Angeber abgestempelt. In der anderen Richtung läuft es ähnlich ab. Wenn sich z.B. ein Tischler andauernd selbst in den Himmel lobt - nach dem Motto "Ich bin der beste von meinem Fach" - so hat das vermutlich auch einen analogen Effekt. Mit so einem Verhalten macht man sich in beiden Fällen bis zu einem gewissen Grad selbst unsympathischer, als man eigentlich ist.
Wenn Akademiker auf Leute ohne Studium - insbesondere Lehrlinge - "hinabschauen", zeigt das nicht gerade von Größe. Eine gute Ausbildung bis hin zum Herrn Doktor ist sicher kein Fehler, aber man darf nicht vergessen, dass Lehrlinge ebenso viel leisten. Aber auf ihre Art. Eine Bekannte befindet sich jetzt am Ende ihrer Einzelhandel-Lehre. Sie hat auch mehr zu tun, als nur an der Kassa zu sitzen und Löcher in die Luft zu schauen. Schließlich ist sie Teil ihres Supermarkts und hat (Mit)verantwortung am ganzen Betrieb. Dass alles nach Plan läuft und wir einfach so hineinspazieren können, um uns z.B. eine Leberkässemmel zu kaufen...
Sie muss außerdem sehr früh aufstehen und oft auch am Samstag arbeiten, damit wir am Wochenende nicht verhungern. Wenn ich mir denke, dass manche erst um 11:00 Uhr in ihre Arbeit kommen (Gleitzeit und so ein Luxus), wird mir doch irgendwie unwohl. Die gute Dame hat zu der Zeit schon ca. 4,5 Stunden gearbeitet. Handwerkern geht es sehr ähnlich. Hat man sie einmal zu Hause, so "bohren" sie einen gerne einmal aus dem Bett. 06:00 Uhr ist für die eine normale Arbeitszeit.
Ich bin zwar selbst noch auf der Uni, aber finde es immer komisch, wenn es heißt "Die passen doch gar nicht zu dir, warum hast du mit denen Kontakt? Such dir etwas auf deinem Niveau...". Offenbar gibt es wirklich Leute, die nach dem Motto "Du hast keinen Titel - mit dir will ich nichts zu tun haben" handeln und leben... Man soll nicht glauben, dass jeder Lehrling automatisch dumm und primitiv ist. Freilich gibt es solche, aber genauso verstecken sich in Akademikerkreisen derartige Fälle. Haben zwar ihre Titel fesch eingesackt, doch an einer Weiterbildung auf rein menschlicher Ebene fehlt es ihnen. Demnach ist es aber genauso unfair, wenn ein Lehrling "sch*** Studierte. Glaum, se san wos Bessares." sagt. Ich fühle mich sicher nicht besser/wichtiger, weil ich studiere. Von mir werdet ihr nie Sätze wie "Ja, in meinen Kreisen, da ..." hören. Das habe ich nicht nötig.
Sicher ist es ein Unterschied, ob ich mich jetzt mit einem Herrn Dr. Dr. Dipl-Ing. oder einem gelernten Verkäufer unterhalte. Aber es steht nirgends geschrieben, dass ich nur mit einem der beiden kommunizieren darf. Bzw. dass ich mich nicht mit beiden gut verstehen kann. Das ist Sache der psychischen Reife und die ist nun einfach einmal von der Ausbildung unabhängig. Unsere Eltern sind für die Erziehung verantwortlich. Aber letztendlich müssen wir alle Erfahrungen selbst sammeln - egal, ob man jetzt Handwerker, Arzt, Friseur oder Putzfrau ist.
In meinem Blog über die Story puncto Rasenmähen ist noch ein Gedanke wesentlich verankert, der hier sehr gut ins Konzept passt. Meiner Meinung nach sind manche Studenten nicht bereit, körperliche Anstrengungen zu bewältigen. Man spritzt die Morgen-Vorlesung und steht nicht vor 12.00 Uhr auf. Also warum dann dem Gregor beim Rasenmähen helfen und vielleicht schon um 06:30 Uhr aus den Federn kriechen? Was bildet sich der ein?
Die Bekannte von weiter oben hat z.B. gemeint, dass sie mich sicher einmal unterstützen würde. Doch es sei für sie gerade ungünstig, da sie jetzt in der Berufsschule ist. Ehrlich gesagt wunderte mich diese Antwort nicht, denn es ist ja irgendwie auch logisch. Sie ist das frühe Aufstehen gewöhnt und muss im Supermarkt sicher auch einmal anpacken, wenn schwere Lieferungen kommen und verladen bzw. eingeschlichtet werden müssen. Also wird sie auch körperlich gefordert - zur Entspannung darf sie dann an der Kassa sitzen. ;)
Zum Abschluss möchte ich noch meine persönliche Situation im Unileben beschreiben. Ich habe viele Kollegen, die mich schon menschlich enttäuschten. In den Ferien war ich immer mindestens zwei Monate arbeiten. Wenn nicht, dann habe ich Prüfungen gemacht. Der Sommer nach dem ersten Studienjahr stellt aber in gewisser Weise eine Ausnahme dar. Ich hatte von meinem Fach noch zu wenig Ahnung und andererseits wusste ich selbst noch gar nicht, ob ich wirklich dabei bleiben werde. Meine Hobbys und den Sport bringe ich immer dazwischen unter. Durch meinen Job sitze ich sehr viel über meinen Skripten bzw. im Büro. Deshalb bin ich meinem Hausarzt so dankbar, dass er mir das Laufen empfohlen hat. Schließlich blieb ich dabei - trotz innerem Schweinehund. Letzterer ist schon längst weg. ;) Als Ausgleich zum Lernen ist das Handwerken im Garten ideal. Jedenfalls braucht niemand glauben, dass ich quasi zwölf Monate "Ferien" mache. Bei meinem Studium wäre das auch nicht möglich bzw. würden es meine Eltern sowieso nicht tolerieren.
Auch zu Schulzeiten habe ich schon gearbeitet. Kaum war ich 15 Jahre alt, hatte ich meinen ersten Job. Ein Monat bei archäologischen Ausgrabungen mitmachen - so lautete damals die Devise. Ich verdiente also mein erstes Geld zu einer Zeit, wo auch ein Lehrling sein erstes Gehalt bekommt. Mein Griechischlehrer hat diese Ausgrabungen in der Schule erwähnt und ich sagte ihm gleich, dass mich das interessieren würde. Diese Arbeit war körperlich extrem anstrengend. Den ganzen Tag der Sonne ausgesetzt, drückende Hitze, Blasen auf den Füßen etc. Wie ihr euch vielleicht denken könnt, war ich einer der wenigen, der zu diesem Zeitpunkt schon gearbeitet hat. Die Erfahrungen von den Ausgrabungen sind mit Sicherheit für mein heutiges Arbeitsempfinden mitverantwortlich. Ich lernte sehr früh, was Anpacken und Anstrengen heißt. Im darauffolgenden September war ich irgendwie schon froh, wieder die Schulbank drücken zu dürfen. Was für ein schöner "Job"...
Letztendlich veruteile ich niemanden wegen seiner Ausbildung. Solange man fleißig ist und Leistungsbereitschaft zeigt, spielt es vermutlich kaum eine Rolle, ob man jetzt Maurer oder Anwalt ist. Ehrgeiz etc. wird in jedem Beruf gerne gesehen. Viel wichtiger finde ich, dass gewisse Alltags-Kleinigkeiten automatisiert sind. Z.B. seinen Freunden helfen, wenn Not am Mann ist und sie einen wirklich brauchen. Das kann man weder auf der Uni noch im Poly lernen. Solche Dinge muss man unabhängig von seinem "Bildungsinstitut" verinnerlichen und begreifen. Für Empathie, Einsatzbereitschaft usw. gibt es keine "Schule".