Wenn man sich fragt, wie man sein Selbstbewusstsein stärken kann, so wird meistens vom Verlassen der Comfortzone gesprochen. Mache etwas, dass du nicht gewohnt bist. Verlasse deine eigenen vier Wände und stelle dich neuen Herausforderungen. Bzw. lerne dabei selbst deine Grenzen und letztendlich dich kennen.

Diese Methode ist natürlich richtig. Doch ich habe inzwischen herausgefunden, wie man den Prozess Selbstbewusstsein stärken noch besser unterstützen kann. Und zwar mit Sport. Am besten ist Ausdauersport - da kannst du dir stetig neue Ziele setzen. Wenn du diese dann erreichst - wie wird sich das auf deinen Selbstwert auswirken? Vermutlich positiv. Denn du kannst es, wie man gesehen hat. Das, was du schaffen wolltest, ist dir gelungen. Die Sache mit dem Motivationsproblem wäre dadurch auch gleich beseitigt. Oft ist es so, dass man dann sogar etwas zu eifrig wird. Und genau da setzt jetzt das Selbstbewusstsein ein: Ich kenne mich gut genug, um entscheiden zu können, ob ich jetzt doch noch um eine Trainingseinheit erhöhe. Demnach habe ich zwar mein neues Ziel erreicht, aber ich schieße nicht darüber hinaus und übertreibe es mit der Motivation.

Ich kann euch all diese Erfahrungen aus der Sicht eines Läufers schildern. Manche denken sich am Anfang, dass ja ihr Laufstil total peinlich ist. Was wohl andere von mir denken, wenn ich so am Fluss "entlanghopse"... Jeder hat einen anderen Gang. Warum solltest du so laufen, wie z.B. 80 % der Hobbyläufer? Wer sagt, dass du dich anpassen musst? Niemand. Du bist, wie du bist bzw. du läufst wie du läufst. Solange du keine Beschwerden im Knie etc. hast, ist alles okay. Zur Not im Laufshop vorbeischauen - ggf. wird man zum Orthopäden weitergeschickt. Aber im Normalfall gelingt es, dass man mit der Beratung des Verkäufers die passenden Schuhe findet, welche dann auch die eigenen Beine entsprechend stabilisieren und unterstützen.

Mit der Zeit wird das einen nicht mehr kümmern, ob man jetzt beim Laufen einen freundlichen Blick zeigt etc. Man macht einfach sein Ding. Glaubenssätze wie "Ich glaube, die anderen halten mich für einen Lauf-Dilletanten" sind bestenfalls Anfangsprobleme eines Läufers. Mir war das aber immer schon egal, ich habe einfach nur auf mich gehört und demnach das Tempo gedrosselt.

Im August machte ich mit einer Gruppe einen Lauf. Eine Dame aus dieser Clique lernte ich beim Ochsenburglauf kennen. Wir sahen uns dann zufällig bei einem meiner Standardläufe wieder. Sie lud mich gleich zum Lauf mit ihrer Partie ein. Lustigerweise kam sie dann gar nicht hin. Ihr Partner ist ein echter Laufprofi. Er absolvierte am Tag davor den vermutlich anspruchsvollsten Berglauf in NÖ. Demnach verständlich, dass er dann nicht mit uns mitlief. Aber die beiden kamen später dazu. Jedenfalls fuhr ich hin, obwohl ich niemanden kannte. Ich lief dann mit einem Teil der Gruppe einen 20er. Auf den letzten 7 km wurde ich etwas langsamer. Doch ich hinterfragte nie, was die jetzt wohl von mir denken werden. Der Abstand vergrößerte sich und ich behielt mein Tempo bei. Einer von ihnen drehte sogar um und lief zu mir zurück. Ich sagte dann, dass er eh nicht auf mich Rücksicht nehmen müsse. Fand ich trotzdem sehr aufmerksam. Der Punkt ist aber, dass ich nicht krampfhaft versuchte, mit ihnen mitzuhalten. Mein Körper wollte das eben auf den letzten 7 km nicht mehr. Und deshalb bin ich doch nicht "schlechter".

In der obigen Situation habe ich meine Comfortzone erweitert, da ich niemanden von der Gruppe kannte. Und gleichzeitig gelang es mir, ihre Laufstrecke in einer angemessenen Zeit zu absolvieren. Aber eben auf meine Art und Weise und das ohne jegliche Selbstzweifel.

Gestern bei meinem Weihnachtslauf habe ich wieder genau bemerkt, wie das mit Sport und Selbstbewusstsein funktioniert. Ich lief vor zwei Wochen einen 22er in 2 Stunden. Bei meinem Wendepunkt erkannte ich den nächsten Ort recht deutlich. Immerhin wohnt dort ein ehemaliger Schulkollege. Sein Haus ist in einer Siedlung auf einem kleinen Hügel. Bis zur entsprechenden Straßenabzweigung wären es noch 2 km gewesen. Also hätte ich ingesamt weitere 4 km laufen müssen, sofern ich diese Stelle erreichen will. Die Strecke kannte ich noch von früher, da dort irgendwo eine BMX-Bahn war. Zu Volksschulzeiten machten wir öfter einen Radausflug dorthin.

Das Wetter war perfekt und ich startete um ca. 13:15 mit dem Lauf. Ich hatte grundsätzlich vor, einen neuen Distanzrekrod aufzustellen. Jedoch war mein Plan, dass ich am letzten Wendepunkt (wo ich eben für den 22er umdrehte) spontan entscheiden werde, ob ich es dabei belasse oder noch die 4 km dazunehme. Letzteres war dann der Fall. Kaum zu glauben, wie oft mich meine Eltern früher mit dem Auto zum besagten Freund brachten bzw. wieder abholten. Und heute laufe ich das alles. Schon ein geiles Gefühl.

Die 4 Zusatzkilometer kamen mir nicht recht lange vor. Demnach war es die richtige Entscheidung, die Laufdistanz zu erhöhen. Allerdings merkte ich, dass ich auf ca. 22 - 23 km programmiert bin. Der Weihnachtslauf war 26,7 km lang. Auf den letzten 3 km wurde ich langsamer, aber ich konnte problemlos durchlaufen. Jedoch spürte ich, dass die Beine schon etwas müde waren. Nun muss ich mich langsam aber kontinuierlich an 30 km Läufe gewöhnen. Halbmarathon ist für mich inzwischen normal, aber einen Marathon würde ich "jetzt" keinesfalls absolvieren wollen. Das ist eben genau der Punkt mit der Motivation - siehe Ende von Absatz 2. Ich weiß, was ich kann, aber ich übertreibe es nicht. Bin mir also auch meiner Grenzen bewusst. Doch letztere kann ich verändern und ggf. weiter nach oben setzen, wenn ich mich ohne große Hektik verbessere und immer wieder so kleine Steigerungen vornehme. Genauso war ich gestern nicht übereifrig und lief noch den Berg bis zum Haus des Schulfreunds hinauf. Wenn ich die gestrige Strecke z.B. 10 Mal gerannt bin, werde ich das vielleicht einmal probieren. Wäre dann eben so eine kleine Extrachallenge.

Übrigens hatte ich gestern kein Handy mit. Im Notfall hätte ich jemanden fragen müssen, ob ich mir sein Telefon kurz ausborgen darf, um mir mein "Taxi" zu rufen. Doch ich wusste, dass es nicht so weit kommen wird. Aber natürlich schaute ich gleich darauf, als ich nach Hause kam. Da zeigte die Uhr 15:46 an. Demnach waren es 2,5 Stunden.

Was lernen wir daraus? Es ist doch extrem gut für das Selbstwertgefühl bzw. Selbstbewusstsein, wenn man sich kleine Ziele setzt und diese dann auch schafft. Ich wollte mir selbst ein "Weihnachtsgeschenk" machen, indem ich die km ein wenig erhöhte. Und das klappte wunderbar. Noch dazu war es überhaupt ein neuer Streckenrekord, da ich damit die 25 km vom Oktober in den Schatten stellte.

Wer also sein Selbstbewusstsein verbessern will, sollte ggf. sportlich werden. Denn damit bekommt man auch Selbstdisziplin. Wenn man diese einmal verinnerlicht hat, so ist das Motivationsproblem hinfällig. Laufen ist irgendwie auch Reden mit sich selbst. Das Handy lasse ich deshalb weg, weil es einen nur ablenkt. Genauso wenig renne ich verkabelt durch die Gegend. Viel wichtiger ist es, dass man dabei in sich geht und sich auf sich selbst konzentriert. So verhindert man ungewollte Pausen und das Durchlaufen wird zur Selbstverständlichkeit. Wenn man dann auch noch die Laufstrecke gut kennt, ist das nahezu perfekt. Gestern habe ich auf den letzten 3 km gemerkt, dass ich etwas langsamer werden sollte. Obwohl ich alleine lief, wusste ich, dass ich mich nebenbei recht problemlos unterhalten hätte können. Selbst in der etwas "schwierigeren" Schlussphase wäre das noch gegangen.

Vor 2 Jahren hätte ich vermutlich keinen anderen Läufer gegrüßt, doch heute ist das für mich selbstverständlich: Ein flottes "Seawas" oder "Grias di" bringe ich immer noch heraus. Selbst bei einem Tempolauf.

Ähnlich war es unlängst in meinem Laufshop. Meine Mutter war in der benachbarten Apotheke und ich ging einstweilen zum Pauli. Brauchte ein neues Iso-Pulver. Dabei entstand natürlich wieder die eine oder andere Fachsimpelei und er gab mir einen Geheimtipp für einen Berglauf. Mama kam nach ihrem Apothekenbesuch dazu und meinte dann, dass wir mit dem Reden aufhören sollen, weil sie weiter müsse. Pauli erwiderte: "Männer reden net, sie diskutieren". In der Zwischenzeit kam ein anderer Kunde herein, der scheinbar meine Mutter kannte. Den begrüßte ich auch ganz locker mit "Grias di" - so wie wenn wir uns schon ewig kennen würden. Man sieht - Laufen verbindet.

Heute war es wieder so schön, doch ich ließ das Laufen sein. Vielleicht morgen wieder oder erst übermorgen. In dieser Woche kommt noch maximal ein 10er oder 12er dazu. Nicht mehr. Das ist wieder der Punkt mit den Grenzen. Das kleine Ziel von gestern wurde erreicht. Und damit ist das Wochenpensum so gut wie erfüllt. Wenn man solche Herausforderungen schafft, steigert man damit auch in kleinen Portionen kontinuierlich sein Selbstbewusstsein. Selbst wenn man dann unterwegs abbrechen muss, weil man merkt, dass es nicht mehr geht - kein Problem. Das Wichtige ist, dass ihr es versucht habt. Bzw. dass ihr euch auf die Laufstrecke gewagt und damit den innenren Schweinehund ausgetrickst habt. Der Erfolg stellt sich dann früher oder später von selbst ein.

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