Gestern sah ich im Fernsehen den Beitrag "Alphabet", wo es um Bildung und ihre "Folgen" ging. Was passiert, wenn man es diesbezüglich übertreibt? Wie ist überhaupt der momentane Stand der Dinge und wie wird sich das in den nächsten Jahren entwickeln? All das wurde primär aus chinesischer Sicht erörtert. Zwischendurch gaben auch ein paar Leute aus Deutschland (darunter auch "Mr PISA") ihre Kommentare ab. Egal, welches Land - meiner Meinung nach waren alle der gleichen Ansicht. Und ich stimme deren Aussagen auch zu. Habe zwar nicht jede Sekunde der Sendung mitverfolgt. Aber es reicht trotzdem, um heute darüber schreiben zu können.
In China ist es so, dass die Kinder zu Leistungsmaschinen "erzogen" werden. Die Eltern wollen, dass ihre Nachkommen "berühmt" werden und Preise gewinnen. Jeder muss besser als der nächste sein. Der Leistungsdruck wächst immer mehr über die Bevölkerung hinaus. Warum haben die chinesischen Kinder den wenigsten Schlaf? Sie kommen von der Schule heim, lernen bis 23:00 Uhr oder so und begeben sich nach dem Aufstehen wieder in ihre Bildungseinrichtung. Das kann doch auf Dauer nicht gesund sein. In jungen Jahren braucht man ausreichend Schlaf. Später natürlich auch, aber im Kindesalter ist das eben extrem wichtig. Deshalb fand ich es schon zu meiner Schulzeit nervig, dass man eben um 07:40 Uhr geistig hellwach sein musste und im Idealfall sogar eine Schularbeit zu schreiben hatte. Meiner Meinung nach wäre es viel sinnvoller, wenn die Schule erst um 09:00 Uhr beginnen würde.
Man sah, dass es vor allem an den Eliteschulen in den Städten wirklich nur um die Leistung geht. Eine Sequenz hat mich wirklich beunruhigt. Gefühlte 100 chinesische Schüler schrieben einen Test. Es wurde in die Gesichter der Kinder gefilmt. Die Lehrerin ging mit lauten Schritten zwischen den Bänken durch und schaute jedem Kind einmal über die Schulter. Bei manchen Gesichtern merkte man, wie sich die Person eben diesem Druck fügt, obwohl sie das gar nicht möchte. Es wäre ja komisch, aus den "Ketten" auszubrechen und zu sagen, dass man anders ist. Anschließend gab es eine Szene, wo eine Mutter am Tisch gefühlte 1000 Urkunden von ihrem Sohn aufgelegt hatte. Eine war aus der zweiten Klasse, wo er bei dem und dem Bewerb zweiter Platz wurde. In der dritten Klasse gewann er selbigen. Diese Medaille ist von der Mathe-Olympiade. Nur weiter so, bringe noch viele Preise heim.
Was macht diese Mutter letztendlich? Ihr Kind an Erfolgen von diversen Bewerben messen und über diese Leistung "definieren". Man muss ja da und da gewinnen, um in der Gesellschaft angesehen zu werden. Wenn man nicht mindestens 10 Medaillen heimbrachte, ist man ein Taugenichts. Eine Lusche, die gegen den Leistungsdruck verlor.
Doch nicht nur in China besteht dieses Problem. Es ist quasi global, aber in manchen Ländern sieht man es eben sehr deutlich (wie z.B. China). In unseren Breiten bildet man sich de facto gemäß Wirtschaftslage aus. Heute geht es uns so schlecht, nur mit einer absoluten Top-Ausbildung bist du einmal jemand. Das Mindeste ist somit ein Hochschulabschluss, alles darunter kannst gleich in die Tonne treten. Dieser Gedanke führt logischerweise zum Titelwahn. @Hansjuergen Gaugl hat es in einem Kommentar super gesagt: Es ist einfach nur oberflächlich, wenn man Leute nach ihrem Bildungsabschluss beurteilt. Wer baut denn die tollen Häuser, in denen wir wohnen? Wieso gibt es Strom, Gas, Wasser etc.? Ich würde einmal sagen, dass man die Leistung der Maurer, Elektriker und Installateure an dieser Stelle loben sollte. Ohne ihnen würden wir vermutlich unter der Brücke pennen.
Mir wurde immer mit einem Job am Bau bzw. einer Verkäuferstelle bei Spar etc. gedroht. Wennst nix lernen wüst, daun kaunst a do aun da Kassa sitzn. Aber irgendjemand muss das machen und es gibt sicher Leute, denen eine Einzelhandel-Lehre einfach liegt. Angenommen, diese Personen würden ein Studium machen (weil man ja nur damit jemand ist) und auch erfolgreich beenden: Vielleicht sagen sie dann später, dass sie schon immer Verkäufer werden wollten und das Studium sie eigentlich nicht erfüllt hat. Wäre ja eine Tragödie, wenn sie dann trotz Hochschulabschluss eines Tages beim Hofer etc. kassieren würden. Wie würden diese Herrschaften wohl vor ihren einstigen Uni-Kollegen dastehen?
Letztendlich wurde mir schon in der Unterstufe jeglicher Gedanke an eine Lehre als falsch erklärt. Hauptschüler seien doof etc. Aber trotz Schule sollte man dann ab 15 in den Ferien arbeiten? Damit man sieht, wie gut es einem im Gymnasium geht. Als ob ein handwerklicher Lehrberuf ein Verbrechen wäre... Am Ende meiner Pflichtschulzeit habe ich mir vermutlich den härtesten Ferialjob unter der Sonne ausgesucht. 1 Monat bei archäologischen Ausgrabungen mitarbeiten. Mein Griechisch-Professor hat das im Unterricht einmal erwähnt und gemeint, dass wir uns bei Interesse melden sollen. 2 Mitschüler und ich haben das letztendlich gemacht. Unlängst sprach ich mit meiner Mutter über diese Zeit. Sie meinte, dass ich von mir aus diesen Job machen wollte und das nicht von ihr und Papa verlangt wurde. Wird schon stimmen, aber ich kann mich eben nicht mehr erinnern, dass es so war. Jedoch machte es mich stolz, dass diese Entscheidung scheinbar von mir selbst kam.
Ich muss sagen, dass ich den Job auch noch länger machen hätte können. Am Ende meiner Arbeitszeit hatte ich mich an die Bedingungen gewöhnt. Im September ging es in einer der ersten Englischstunden des neuen Schuljahres um Ferienjobs. Soweit ich es noch weiß, hat außer mir und meinen 2 Grabungskollegen keiner etwas dazu gesagt. Ich kenne einige Leute, die wirklich noch nie einen Handgriff gerührt haben. Einer derjenigen Herrschaften hat groß angekündigt, dass wir für Manuels Familie ein Fotobuch machen müssten. Dazu Texte schreiben und das dann mit den Bildern kombinieren, um es schließlich der Familie zu übergeben. Doch was ist bis jetzt passiert? Manuels Familie hat das Album nach wie vor nicht. Das Verhalten vom Kollegen regt mich tierisch auf, denn Manuel hat sich so etwas nicht verdient. Und es ist ihm und seiner Familie gegenüber respektlos. An der Handlung des Kollegen erkennt man nun sein Arbeitsverhalten. Bzw. lässt es einen sehr rasch vermuten, dass sich der werte Herr wohl noch nie die Finger schmutzig gemacht hat.
Nun zum Thema Uni. Auch hier merkt man den Leistungsdruck. Wenn man länger brauchte, wird man ja sicher einmal gefragt, was man in der Zeit überhaupt gemacht hat. Dann kommt einer mit Mindestzeit daher und nimmt dir den Job vor der Nase weg. Diese Einstellung erzeugt doch nur unnötigen Druck. Wenn dann die Eltern regelmäßig erzählen "schau, der ist schon fertig und der hat den Bachelor usw.", kommt man nur in eine Negativspirale hinein. Was interessieren mich in dem Fall die anderen? Wenn ich halt 1-2 Jahre länger brauche, stürzt deshalb nicht die Welt ein. In meinem Fall ist das Studium sehr schwer und ich habe halt einmal nicht das Hirn von Gauß und Einstein zusammen. Das entsprechende Genie-Nobelpreis-Gen fand in mir leider keinen Platz. Bin also nur Durchschnitt... Ich gehe schon in die Ecke und geniere mich jetzt dafür, weil ich die Prüfung X noch nicht habe... So wird mich nie eine Frau anschauen...
Bei mir war es so, dass sich der Kontakt zu den Kollegen immer mehr verflüchtigt hat. Er bestand eigentlich nur zum eigenen Vorteil. Das merkte ich, wie andere sich von mir nur Beispiele holen wollten. Oft kontaktierten sie mich, um abzuchecken, wie weit ich denn schon sei. "Servus, wie gehts da heast, scho lang nix mehr ghört... Was macht die Uni?". Was denkt ihr bei so einer Nachricht? Interessiert es die Person wirklich, was mit mir ist? Nein, sie will sich nur von mir abgrenzen, indem ich hoffentlich weniger weit bin als sie. Und auf so ein Verhalten habe ich keine Lust. Mit derartigen Leuten kann man privat auch nichts unternehmen - das liegt aber auf der Hand. Generell habe ich nur mehr mit 2-3 Kollegen aus meinem Jahrgang Kontakt. Also so, wie es sein soll. Erst gestern traf ich meine Kollegin Sabine in einem Kaffeehaus. Sie hat den Bachelor bereits, ich noch nicht. Na und? Wir redeten trotzdem auf Augehöhe und ich hob sie gedanklich nicht auf ein "Titelpodest". Sie meinte völlig richtig: Wenn einer nur meint "ah du hast die Prüfung noch nicht" und sich damit in ein positives Rampenlicht rücken möchte, dann wüsste sie nicht, warum sie mit dem reden soll.
Ich kann noch ergänzen, dass ich aus gesundheitlichen Gründen ein halbes Studienjahr verloren habe. Die Sache mit Manuel wollte ich zu schnell abschließen. Doch mein Körper schrie auf, indem ich krank wurde. Ich dachte mir nur, dass ich jetzt unbedingt wieder etwas schaffen muss, da ich ja sonst als ewiger Student gelte. Eine aus meiner Klasse ist schon fertige Englischprofessorin für die AHS. Wenn ich jetzt herumflaniere und nichts mache, kann ich mich wieder auf ewige Diskussionen mit den Eltern einstellen. Ich "flüchtete" demnach vor der Situation mit Manuels Tod, indem ich mich zwanghaft in die Unimaterie stürzte. Doch was war? 3 Prüfungen versucht, 3 Prüfungen versaut. Wundert mich im Nachhinein überhaupt nicht. Ich wollte zu viel und vergas auf mich selbst. Also wurde ich Opfer vom blanken Leistungsdruck. Inzwischen haben das auch meine Eltern kapiert und ich bin gesundheitlich wieder weitgehend topfit. Das Laufen war nie ein Problem, habe ich auch in den schwierigsten Phasen der zweiten 2015-Hälfte praktizieren können. Im Endeffekt verbrachte ich beim Joggen Zeit mit mir selbst. Doch das war zu wenig. Mittlerweile sehe ich das alles sehr gelassen. Ich habe den ärztlichen Rat bekommen, Stress so gut es geht zu vermeiden. Also muss ich lernen, eine Uniprüfung möglichst stressfrei zu betrachten. Das ist ganz und gar nicht leicht. Allerdings denke ich mir inzwischen, dass ich dort einfach mein Wissen demonstriere. Ich kann doch nicht beeinflussen, wie der Professor gelaunt ist etc.
Am Ende der gestrigen Doku erzählte eine Schülerin aus einem Hamburger Gymnaisum ihre ehrlichen Gedanken. Sie habe keine Zeit mehr für sich selbst. Was soll sie einmal ihren Kindern über ihre Jugend, Schulzeit etc. erzählen? Dass sie keine Hobbys hatte? Nicht, weil sie nichts interessiert. Viel mehr deshalb, weil ihr die Zeit dazu fehlt, um sich überhaupt für etwas begeistern zu können. Demnach bin ich so froh, dass ich eigentlich von einer "perfekten Kindheit" sprechen kann. Und jetzt gehe ich meinen Hobbys auch nach, obwohl ich vielleicht doch lieber lernen sollte. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, wieder ein paar nostalgische Lifte zu filmen und so für die Nachwelt zu bewahren. Da stelle ich die Uni gerne einmal für einen Moment auf Rang 2.
Klar, das versteht nicht jeder. Aber im Grunde reicht dafür ein Funken emotionaler Intelligenz. Mir hat ein Skigebietsbetreiber auf meine Mail geantwortet, dass Filmen und Fotografieren nicht erwünscht sei. Stimmt schon, nicht jeder filmt Skilifte. Aber die haben nicht einmal nachgedacht, warum ich das möglicherweise mache. Bzw. dass es für sie vielleicht gut wäre. Was ist, wenn mein Video 10000 Aufrufe hätte und 100 Zuschauer sagen, dass sie nun defintiv dort hinfahren? Wo klingelt es dann letztendlich? In der Kassa vom Skigebiet. Also wenn sie sich eine derartige "Werbung" entgehen lassen, sind sie selbst Schuld. Mir tun die interessanten Lifte sehr Leid, aber wenn mir jemand so kommt, bin ich nicht bereit, für deren Betrieb zu werben. Spare ich mir letztendlich Zeit und Geld. Oberflächlichkeit ist für mich ein Nogo.
Was auch noch gestern erwähnt wurde, ist die Kreativität. In der Schule bekommt man viel zu sehr vermittelt, dass man ein Problem so zu lösen hat. Und zwar nur so und nicht anders. Finde ich falsch - das beweist auch, warum ich im richtigen Studium sitze. Wenn 3 Leute 3 verschieden Lösungen zu einem Beispiel haben, sind die doch bitteschön alle richtig. Egal, ob es der eine in einem Dreizeiler oder der andere in zwei Seiten gelöst hat. Und nur, weil ich jetzt statt Satz X den Satz Y verwendet habe, braucht man mich nicht schlechter bewerten. Wenn es sonst stimmt und ich genauso zum Ziel kam, ist das doch bitteschön in Ordnung.
Interessanterweise durfte ich das aus dem vorigen Absatz bei meinem Lifthobby verifizieren. Ich war 2013 mit einem entsprechenden Freund in einem Skigebiet mit 3 Liften. Klarerweise hat jeder von uns alle Anlagen gefilmt. Doch wir machten das völlig unabhängig voneinander. Ich sagte lediglich, dass ich jetzt die Videofahrt mache und dann die Bergstation filmen werde. Er meinte, dass er zuerst mit dem Lift anfangen möchte. Ok, kein Problem. Man kann jetzt nicht sagen, dass ein Video "besser" ist, da alles genauer aufgenommen wurde etc. Wir haben z.B. komplett verschiedene Ideen bei den Stationsperspektiven gehabt. Ich filmte eine Talstation von vorne und anschließend von hinten. Er hingegen nur von der Seite. Dafür hat er z.B. bei der Ausstiegsstütze hin und wieder auf die Rollen gezoomt und diese Einstellung innerhalb der entsprechenden Szene geändert. Ich machte dazu zwei unabhängige Szenen. Einmal von weiter weg und einmal eben aus der Nähe. Wie wäre das, wenn es eine Verordnung gäbe, dass man die Talstation nur 20 Sekunden und die Bergstation nur 30 Sekunden lang filmen dürfe? Langweilig, oder?
Der Bildungs- bzw. Leistungsdruck ist in gewisser Weise eine wahre Gefahr. Gestern wurde das in Bezug auf die Chinesen so formuliert. Sie geben schon an der Startlinie 100%. Wie sieht es dann im Ziel aus? Dort kommen sie oftmals gar nicht mehr hin. Ich bin jetzt keinesfalls jemand, der am liebsten auf der faulen Haut liegen und sich von Vater Staat bzw. Eltern finanzieren lassen würde. Das ist im Grunde auch nicht das Thema bzw. Problem. Vielmehr geht es darum, dass dieser Leistungsdruck die Entfaltung der Kinder verhindert. Egal, ob China, USA oder Österreich.
Es wurden Tests zur Kreativität durchgeführt. Also nicht nur Kreativität im eigentlichen Sinn. Man sollte mehrere Möglichkeiten finden, wie die Frage gemeint sein könnte. Die Anzahl der Antworten würde dadurch sowieso zunehmen bzw. variieren. Ab einem gewissen %-Satz war man "perfekt". Bei den 5-jährigen schafften das sehr viele. Als man 5 Jahre später die gleichen Personen wieder entsprechend getestet hat, fiel das Ergebnis schon schlechter aus. Man wiederholte das noch ein paar Mal. Als die Testpersonen erwachsen waren, schafften nur mehr 2-3 % den Status "perfekt". Grund dafür sei eben die Tatsache, dass in Schulen oft nur "dieser eine Lösungsweg" gepredigt wird.
Was soll man noch sagen? Naja, ganz einfach: Die Heranwachsenden brauchen mehr Zeit für sich selbst. Wie sollen sie ihre Persönlichkeiten entwickeln und entfalten, wenn es nur um Leistung und wieder Leistung geht. Das hat nichts mit Faulheit zu tun - am Beispiel Kreativität seht ihr, wie es gemeint ist. Wie soll man überhaupt herausfinden, wo man im Leben einmal hinmöchte, wenn man dafür de facto keine Zeit hat?