Ehrlich gesagt würde ich zur Abwechslung gerne mal ein anderes Thema beackern als die altbewährte Islam/Migration/Flüchtlingsthematik. Wirklich!
Dann passierten heute zwei Dinge - zum einen kamen neue Statistiken des BMI zum Thema "Sicherheit 2016" heraus (+6,9% Zunahme Gewaltdelikte - Seite 13, Sexualdelikte gar um 15% - Seite 28, dazu korrespondierend eine Zunahme des Anteils an ausländischen Straftätern von von 13,7% - Seite 44), zum anderen erging eine Fatwa der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) zum Thema Kopftuch. Und während die Broschüre "Sicherheit 2016" ein bisschen zu dünn ist für meinen Geschmack - und ich mir so das Thema vormerke, bis der Sicherheitsbericht 2016 heraußen ist, kann ich die Steilvorlage durch die IGGiÖ natürlich nicht ignorieren.
"Das Kopftuch hat nichts mit dem Islam zu tun"
Diese Aussage ist ob der Fatwa (=islamisches Rechtsgutachten) eigentlich unhaltbar - so heißt es darin eindeutig:
"Für Muslime beider Geschlechter bestehen religiöse Kleidungsgebote. Für weibliche Muslime ab der Pubertät ist in der Öffentlichkeit die Bedeckung des Körpers, mit Ausnahme von Gesicht, Händen und nach manchen Rechtsgelehrten Füßen, ein religiöses Gebot (farḍ) und damit Teil der Glaubenspraxis. [1]
Es liegt in der erzieherischen Verantwortlichkeit der Erziehungsberechtigten, ihre Kinder schon vor deren religiöser Verantwortlichkeit (taklīf), die mit der Pubertät beginnt, bereits an die islamische Glaubenspraxis heranzuführen. Ein freier Wunsch des Kindes, vor der Pubertät religiöser Praxis nachzugehen, ist positiv zu begleiten und darf nicht unterdrückt werden."
Eine an Klarheit nicht zu überbietende Aussage von der islamischen Glaubensgemeinschaft: Gute Muslima tragen Kopftuch! Mehr noch - Eltern müssen schon VOR der "religiösen Verantwortung" ihrer Kinder diese an die spätere Glaubenspraxis heranführen - und wenn ein Kind "freiwillig" schon in der Volksschule ein Kopftuch tragen will, ist das "positiv zu begleiten"; eine Unterdrückung dieses Wunsches ist gar untersagt ("darf nicht unterdrückt werden" ). Also selbst wenn die Eltern eigentlich gemäßigt wären, die Kinder aber nach dem Besuch des Kindergartens Al-Andalus aber plötzlich den Wunsche haben, "religiöser Praxis" nachzugehen, darf derartiger Unfug "nicht unterdrückt" werden.
Und nur um Missverständnisse vorzubeugen, ergänzt die IGGiÖ ihre Stellungnahme noch um die Fussnote, dass das Kopftuch kein religiöses oder politisches "Symbol" ist - sondern die Erfüllung einer religiösen Verpflichtung (also alles andere als eine "freiwillige" Entscheidung, ein Symbol zu setzen).
Und wie ist das mit Vollverschleierung...?
Reichlich beschenkt wurden wir durch diese Fatwa, fürwahr, denn auch die Frage der Voll(Gesichts-)verschleierung wird erschöpfend behandelt:
"In Bezug auf die Gesichtsbedeckung legt der Rat der muslimischen Frau aber nahe, die hiesige Tradition (ʿUrf) zu berücksichtigen und vom Tragen einer Gesichtsbedeckung abzulassen. Der Rat befürwortet und unterstreicht jedoch die persönliche Freiheit der einzelnen Frau, in ihrer Religionspraxis auch hiervon abweichende Auffassungen zu wählen. Dazu zählt auch die Freiheit der Minderheitenmeinung (Hanbaliten und ein Teil der Schafiiten) zu folgen, die auch die Gesichtsbedeckung als religiös geboten (farḍ) erachtet."
Also Vollverschleierung ist nichts schlimmes, davon wird aber aufgrund der hiesigen Tradition (welche hiesige Tradition? Die islamische?) abgeraten. Sollte sich aber eine Frau dennoch aus "freiwilligen" Gründen dafür entscheiden (etwa weil die Vollverschleierung ein religiöses Gebot in einzelnen Minderheitenmeinungen ist), so wird diese Entscheidung vom IGGiÖ "befürwortet". Mit anderen Worten: Die "hiesige Tradition" sagt (noch) etwas anderes; eine gegenteilige Entscheidung zur Vollverschleierung wird aber "befürwortet", besonders wenn es ein religiöses Gebot einer "Minderheit" ist.
Damit sollte auch die Frage abgeklärt sein, ob die Vollverschleierung Teil des Islams ist - nämlich "teilweise".
Aber eh nicht schlimm, oder?
Um die scharfe Klinge des Gebotes etwas abzuschwächen, ergänzt die IGGiÖ ihre Aussage mit folgendem Satz:
"Darüber hinaus hält der Beratungsrat fest, dass Frauen und Männer, die sich nicht an die religiösen Kleidungsgebote halten, keinesfalls von anderen abgewertet werden dürfen."
Ja eh. Wir wissen natürlich, wie das in jeder Gruppe ist, wenn "Gebote" nicht eingehalten werden. Beachtlich ist, dass der Entschluss, den religiösen Kleidungsgeboten nicht zu folgen, nicht "respektiert" werden muss - was den Schluss nahelegt, dass derartige Frauen (weil es sich wohl nur um Frauen handeln wird, die davon betroffen sind) ähnlich wie Kinder an die Glaubenspraxis "heranzuführen" sind.
Endlich Ende der Debatte?
Man könnte der IGGiÖ für diese klaren Worte fast dankbar sein - es ist klar, dass das Kopftuch Teil des Islam ist - mehr noch, es ist sogar religiös geboten. Auch die Vollverschleierung kann von einzelnen Richtungen "religiös geboten" sein; ansonsten ist sie "freiwillige Entscheidung", die aber "zu befürworten" ist.
Die Debatte, ob das Kopftuch oder die Vollverschleierung Teil des Islams ist, wurde also soeben durch eine Fatwa für Österreich klar entschieden, die IGGiÖ hat diese zweifelsfrei zum Teil des Islam gemacht.
Ich fürchte jedoch, dass die schwierigste Debatte noch auf uns zukommt: Ist es eine "freiwillige Entscheidung" zum Kopftuch, wenn sie religiöses Gebot ist - oder gar schon von Kindern noch vor der Pubertät getroffen wird?
"Komplett freiwillig, aber halt irgendwie schon geboten."