Problematisches Geschichtsverständnis.

Die Türkei feierte den 563. Jahrestag der Eroberung Konstantinopels dieser Tage mit viel Pomp; lässt sogar 563 in Janitscharenkluft verkleidete Kämpfer antreten (1). Die für mich grundlegende Frage ist: Was gibt es zu feiern? Warum feiert der türkische Staat die Eroberung einer christlichen Bastion durch das osmanische Imperium vor mehr als 500 Jahren? Sollte eine derartige Eroberung und die damit einhergehenden Massaker, Vergewaltigungen und Versklavungen (denn ja, das osmanische Reich war ein fleißiger Sklavenhalter (2), und gerade christliche Frauen waren sehr begehrt – sogar Mohammed selbst versprach schon seinen Kämpfern die byzantinischen Frauen als Bettgespielinnen, ein Versprechen aber, dass erst der osmanische Sultan einlösen konnte) nicht eher eine peinliche Randnotiz der Geschichte sein, als ein nationaler Feiertag?

Wo ist der Aufschrei der Europäischen Union, des Vatikans ob dieser Inszenierung? Ist die Verherrlichung einer derartigen Gewalttat nicht erschütternd? Wo ist die beleidigte Reaktion des christlichen Europas, dass der Verlust einer der Perlen der Christenheit derart schamlos gefeiert wird? Was würde geschehen, wenn Wien den Jahrestag der erfolgreichen Abwehr der Türkenbelagerung feierlich begehen würde (nicht, dass es dazu kommen würde - die damalige Abwehr des Angriffs mag von Wiens Frauen mit Erleichterung aufgenommen worden sein; heutzutage wird sie jedoch fast beschämt zugegeben. Dass Geschichte vom Gewinner geschrieben wird, stimmt offensichtlich nur für die Türkei)? Andererseits sollte nach den Feierlichkeiten jeder Zweifel ausgeräumt sein, wie die erfolgreiche Eroberung Wiens auch heute noch gefeiert werden würde! Europa, höre die Signale!

Fragwürdige Symbole

Wo sind die, die in jeder Kornblume ein Symbol nationalsozialistischer Wiederbetätigung sehen? Welche Symbole verbergen sich in den Vorführungen zu diesen Feierlichkeiten? Könnten tanzende Janitscharen - historisch gesehen christliche Burschen, die entführt wurden, und zu lebenden Waffen der osmanischen Armee geformt wurden (3) - ein Symbol für irgendetwas sein? Wie verhält es sich mit dem Marsch auf "Konstantinopel" einer Million Türken, die von Erdogan inszeniert wird? Und wenn Erdogan mit stolzgeschwellter Brust das Wachstum der Türken verkündet, die zahlreichen Nachfahren, die er herbeisehnt, und zugleich jegliche Familienplanung verteufelt - gab es schon einmal jemanden, der von seinem Volk eine derartige Vermehrung forderte, ungeachtet der persönlichen Lebensplanung seiner Untertanen? Und wen meinte er mit "sie, die uns sagen, wir sollen verhüten" (4)? Könnten sich in all diesen Worten, Taten, Symbolen möglicherweise subtile Symbole für irgendetwas verbergen? Führt ein Überschwang an jungen Leuten, deren Zukunftsaussichten unsicher sind, wirklich in eine goldene Zukunft?

Was gestern in Istanbul geschehen ist, ist die unreflektierte Verherrlichung einer anarchischen Gewalttat eines expansionistischen, imperialistischen Regimes; der bewusste Versuch, historisch, ideologisch und moralisch an die damalige Zeit anzuschliessen. Europa, höre die Signale!

Türkische Druckmittel

Die Türkei nutzt die Flüchtlingskrise als Druckmittel für Europa - Visafreiheit, wirtschaftliche Hilfe, sonstige politische Forderungen. Gleichzeitig werden hoch qualifizierte Flüchtlinge an der Weiterreise nach Europa gehindert, und hauptsächlich Betreuungsfälle und ungebildete Flüchtlinge im Zuge des Flüchtlingsdeals weitergeleitet. Europäische Werte wie Pressefreiheit und Partizipation von Minderheiten (siehe Kurden) werden mit Füssen getreten, während die Vergangenheit beschönigt wird (Armenier-Massaker). Ist dies ein Beitrittskandidat, der sich als "Partner auf Augenhöhe" mit der Union sieht? Europa, höre die Signale!

Islamischer/türkischer Imperialismus

In Österreich leben (Stand 2014) 275.000 Menschen mit türkischer Abstammung. Die in Österreich lebenden Türken werden von der türkischen Regierung umworben; mit türkischem Fernsehen versorgt und - natürlich! - auch von Erdogan mit Wahlvisiten beschenkt. Von den zahlreichen türkischen Kulturvereinen, die durch die türkische Regierung finanziert werden, gar nicht zu reden. In etwa 114.000 der Türken in Österreich wurden eingebürgert, besitzen also die österreichische Staatsbürgerschaft. Schätzungen zufolge verfügt allerdings über knapp die Hälfte davon (also grob geschätzt 60.000) jedoch illegalerweise über eine Doppelstaatsbürgerschaft - es ist offizielle Politik der Türkei, Auslandstürken nach der Einbürgerung in einen anderen Staat nochmals die türkische Staatsbürgerschaft zu verleihen (5). Dies ist mit den österreichischen Gesetzen nicht vereinbar und wäre die österreichische Staatsbürgerschaft eigentlich in Folge wieder abzuerkennen (6). Knapp 60.000 Österreicher sollten somit eigentlich keine mehr sein. Zur Erinnerung - Van der Bellen gewann die Bundespräsidentenwahl mit 30.000 Stimmen Vorsprung. Nun kann man über den Ausgang der Bundespräsidentenwahl denken, wie man will - unstrittig sollte aber sein, dass diese Wahl von Österreichern entschieden werden sollte, die die österreichische Staatsbürgerschaft legal erhalten haben bzw halten.

Und es ist ja nicht so, als ob die Bestrebungen der Türkei, Einfluss auf europäische Politik zu nehmen, hier ein Ende nehmen würden: Sowohl die ÖVP als auch die SPÖ mussten bereits Nachwuchspolitiker "aus dem Verkehr" ziehen, die eine Nahebeziehung zu einschlägigen türkischen Vereinen hatten...

Auch wirtschaftlich sind "Auslandstürken" für die Türkei ein Gewinn - nachdem sich diese der "Heimat" noch verbunden fühlen, sind Zahlungen in die Heimat keine Seltenheit - und westliches Know How, das auf diesem Wege angeeignet wird, ist natürlich auch willkommen. Ähnlich wie Kolonien das Mutterland versorgen, fließen auch auf diese Weise beträchtliche wirtschaftliche Vorteile in die Türkei - mit dem Unterschied, dass keinerlei Kosten für die Türkei entstehen und etwaige Arbeitslosigkeit von den europäischen Sozialstaaten abgefangen wird. Zugleich wird das "Türkensein" hochgehalten, um nur ja eine Integration im Zielland zu verhindern und die Bindung mit der Heimat aufrecht zu erhalten - eine Anpassung ist ausdrücklich unerwünscht, und Auslandstürken sollen trotz ihrer neuen Staatsbürgerschaft "Fremde", also "Türken", bleiben!

Klar sollte sein, dass für die Türkei die "Innenpolitik" nicht an der Staatsgrenze endet, sondern Auslandstürken vermehrt als politisches Instrumentarium eingesetzt werden! Europa, höre die Signale!

Europa, hör hin!

Die Nachricht, die die türkische Führung durch ihre Handlungen und Symbole aussendet, ist klar verständlich - sie sieht sich nicht in der säkulären Tradition des Kemal Atatürk, sondern der islamisch-expansionistischen Tradition des osmanischen Reiches. Anstelle von militärischen Eroberungen sind Erpressung (wie nunmehr im Zuge der Flüchtlingskrise), Migration, Doppelstaatsbürgerschaften und dadurch Schaffung von innenpolitischem Einfluss in europäischen Staaten getreten - was die Pläne der Türkei langfristig jedoch nicht minder gefährlich machen dürften, zumal auch der Rückhalt in der eigenen Bevölkerung (sowohl in der Türkei als auch in den europäischen Proto-kolonien) beträchtlich ist.

(1) http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4998132/Eine-Million-Menschen-folgt-Erdogan-nach-Konstantinopel

(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei_im_Islam

(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Janitscharen

(4) http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4998961/Erdogan_Empfaengnisverhutung-kommt-fur-Muslime-nicht-infrage

(5) http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/3812862/Turken_Mit-illegalen-Tricks-zur-DoppelStaatsburgerschaft

(6) https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/26/Seite.260430.html

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